Das große Streichen I

Das englische Glockenläuten
(Bell Ringing)

Nach der englischen Reformation unter Heinrich VIII kamen schlaue Köpfe auf die Idee, aus dem einfachen Bimmeln ein geführtes Läuten zu machen. Es mag daran gelegen haben, dass nun weniger Mönche (die Klöster wurden eingestampft) zur Verfügung standen und mehr Laien das Regiment übernahmen. Dazu fing gerade der englische Tüftlergeist, der in die Dampfmaschine und Trillionen anderer Erfindungen mündete, an sich zu regen.

Sehr schnell entwickelte sich das Läuten zu einer angenehmen Kunst.

Läutekammer TattenhallDie Läutekammer von St. Alban's, Tattenhall. Die Seile sind aus Sicherheitsgründen nach oben weggehängt.

Doch wie funktioniert das ganze?

Die Glocke ist mit einem Rad verbunden, über das ein langes Seil geführt wird. Die Befestigung ist einfach, aber genial, ohne komplizierte Knoten kommt sie aus. Jeder Glockenschlag zurrt das Seil fest, lockert es nicht. Durch diese Seilführung besteht die Möglichkeit, die Glocke zu leiten und den Schlag bewusst herbeizuführen, dabei sind Verzögerungen oder Beschleunigungen möglich. In Arbeitsstellung steht die Glocke fast senkrecht nach oben (ein Überschlag wird durch einen Holzstab verhindert). Zieht man am Seil, schwingt sie nach unten und weiter zur anderen Seite hoch. Wieder wird ein Überschlag verhindert. Und zurück. Es gibt folglich zwei Schläge, mit denen man arbeiten kann, bim, bim, nicht etwa bim, bam, die Bims sind gleichberechtigt.

Hat man nun 4 oder 6 Glocken, letzteres ist der Regelfall, kann man Muster läuten, denn jede ist auf einen anderen Ton gestimmt. Läuten gilt nicht als Musik, die „Stücke“ heißen Methoden oder, mathematisch ausgedrückt, Permutationen. Das einzig geltende Gesetz lautet, dass nie mehr als eine Glocke überholt wird. Ein Beispiel zeigt dies: man läutet die Runde, also Glocke 1, dann 2,3,4,5,6. In dieser Situation kann die 3 die 4 überholen, so dass man 1,2,4,3,5,6 erhält. Selbstverständlich kann im nächsten Schritt, nach ein oder mehreren Bims, die 3 auch die 5 überholen. Es entsteht 1,2,4,5,3,6. Niemals würde man dies in einem einzigen Schritt machen. Wer mathematisch versiert ist, kann sich ausrechnen, wie viele Permutationen möglich sind, ohne dass sich eine Abfolge wiederholt. Es sind Hunderte und Tausende. Ehrgeizige Läutende trainieren darauf hin und man findet in allen Kirchen Tafeln, auf denen solche Leistungen dokumentiert sind. Es ist eine Mordsanstrengung und kann Stunden dauern, wobei die Arme, mehr jedoch noch der Konzentration gefordert sind.

Denn schon die einfacheren und deutlich kürzeren Standards erfordern viel Aufmerksamkeit. Nicht nur will man zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sein, man möchte auch den Abstand von jedem Bim zum Bim der vorhergehenden und der folgenden Glocke identisch halten. Etwas, da man ja die Glocke indirekt läutet, die Gewichte der Glocken unterschiedlich sind, jeder Turm anders ist usw., viel Üben, Üben und nochmals Üben erfordert.

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Und so sieht eine Methode aus. Die Hilfslinien zeigen den Weg von zwei ausgewählten Glocken.

Glocken sind aus Bronze und halten viele Jahrhunderte. Das Drumherum nicht immer … Dazu im nächsten Beitrag mehr.