Kunst und Krempel

In einem Dorf namens Luxulyan (sprich Laxilian) verbringen wir drei Tage. Nahebei ragen kegelförmige Abraumhalden auf, bereits bewaldet, so alt sind sie. Die berühmten aufgegebenen cornischen Zinnminen? Dem ist nicht so, noch heute wird hier Lehm abgebaut – im großen Stil, zum Töpfern und für andere Zwecke.

Da wir gerade vom Töpfern reden, das hat vor Ort eine riesige Tradition und zwar z.B. in St. Ives, DEM touristischen Ort in Cornwall. Wir fahren mit dem Zug hin. Das ist einfacher als Park&Ride oder sich – i bewahre – bemotord durch die winzige Innenstadt zu quetschen (die brauchen unbedingt Beratung von autofreien Innenstädten wie Zermatt oder den ostfriesischen Inseln). Davon abgesehen sieht man schnell, warum hier viele Leute hinkommen: hinreißende atlantische Badebuchten mit etwas Wellengang, perfekt zum Erlernen von dem auf dem Brett liegenden, nicht stehenden, Surfen für Groß und Klein. Einfach so ins Wasser gehen und die Wellenkraft zu erleben macht auch Freude und es ist NICHT kalt … Leckeren Fudge  gibt es, dieses Karamelzeugs … und Kultur wie das Bernard Leach-Museum. B.L. war ein multi-begabter Künstler, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Japan lebte, japanisches Töpfern lernte und bestimmte Aspekte deren Keramik und gleich einheimische Gasttöpfer mit nach England brachte. Sein Einfluss auf Kunstkeramik war enorm. Seine alte Werkstatt ist heute Museum, doch eine lebendiges. Im angrenzenden Produktionsraum schaffen weiterhin professionelle Töpfernde aus aller Welt ihre Interpretation sehr bodenständiger Töpfe mit erdigen Glasuren.

Töpfermarke der Leach Werkstatt. Letztes Jahr habe ich einen Krug daraus geschenkt bekommen, s.b. diesen älteren Beitrag (zweites Bild von oben)

Die alte Werkstatt, mit original Werkzeugen, auf dem Foto im Foto B.L selbst.

Als wäre der Ort nicht schon gesteckt voll mit allem Möglichen, gibt es auch einen Ableger des berühmten Tate Museums, denn Cornwall inspiriert KünstlerInnen und hat das immer schon getan. Der runde Bau des Museums, auf einer alten Gashalle erbaut, mutet seltsam zurückgenommen in seiner Gipsfarbenheit an, das ist interessant. Deshalb bezahle ich den stolzen Eintrittspreis von 9.50 – und das in einem Land, in dem die großen Museen wie die Tate in London freien Eintritt haben – und bin in der ersten der 10 Galerien, sprich Räumen, noch nicht entzückt. Doch das ändert sich. St. Ives war offenbar ein Hort, eine Brutstätte abstrakter Kunst von einheimischen und internationalen Kunstschaffenden und ist es bis heute geblieben. Sonnenuntergänge (nichts gegen Sonnenuntergänge, aber es gibt ein Leben jenseits gemalter Sonnenuntergänge) findet man hier nicht, sondern das andere, sich reibende, das Kunst so spannend macht. Hat sich mal wieder ausgezahlt, die Investition.

Die Tate in St. Ives. Im Vordergrund ist eine Mauer zu sehen, davor stehen Bänke und nach einer Brüstung fällt der Felsen 5 Meter bis zum Strand ab. Es gibt alle üblichen Strandzubehöre, Café, Surfbretter zum Leihen, Strandwacht, wasserhungrige Kinder in Handtücher gewickelt und Atlantikwellen. Klaus hat auf einer Bank Schach gespielt, derweil ich im Museum war.


Luxulyan liegt nahe an St. Austell, einem der wenigen Orte, die uns aufgefallen sind, die ärmlich wirken. Cornwall soll die ärmste Gegend Englands mit einer hohen Arbeitslosenrate sein. Es wirkt meist nicht so, aber Tourismus kann nicht für alles sorgen. Wir sind das bescheiden auftretende Nordwales gewohnt, vielleicht ist Cornwall im Verhältnis dazu wohlhabender.


Es heißt, wer in Cornwall Auto fahren kann, ist praktisch einheimisch. Wahr ist, es gibt auch zu völlig normalen Ortschaften manchmal Straßen, die abschnittsweise einspurig sind, unübersichtlich durch Hecken und die hügelige Geographie der gesamten Region sind und ganz wenige Ausweichstellen haben. Man kann da gut fahren, aber das ständige Aufpassen darauf, ob jemand entgegen kommt, ist anstrengender als auf zweispurigen Straßen. Das ist der Unterschied, die Art der Konzentrationleistung.


Was nie verkehrt ist, am frühen Nachmittag, wenn das englische Frühstück langsam verdaut ist: ein Cream Tea mit Scones, Clotted Cream und Marmelade.