Unterwegs I

Bretagne

Haltet ein! Stopp.
Dies ist der Großbritannienblog, was soll da ein Ferienbericht über Frankreich? Das passt auf den ersten Blick gar nicht. Ich will jedoch ein paar Bilder unters Volk bringen und bin um keine Ausrede verlegen. Die Bretagne heißt Brittany auf Englisch. Da Great Britain das Groß-Britannien ist, ist Brittany die kleine Bretagne. Die Bezeichnung bedeutet bemalte Leute und bezieht sich auf die ersten Bewohnenden, auf die seinerzeit Rom hüben und drüben des Kanals getroffen ist. Und schon hatten sie ihren Namen weg.

Unabhängig davon gibt es eine gemeinsame Geologie, dazu weiter unten mehr.

Schaun wir doch mal hin, mit der Plymouth-Roscoff Fähre vom für uns nur 15 Radminuten entfernten Hafen. Bei Nacht fährt die Fähre langsamer, kann man schlafen, tagsüber geht es schneller (um die 7 Stunden).

Die Bretagne wartet mit wenig Meer auf uns. Der Tidenhub ist mehrere Meter hoch und man gewinnt den Eindruck, es gibt immer mehr Ebbe als Flut; genau wie in Plymouth. Der Eindruck trügt natürlich und zum Baden finden sich immer Stellen.
Freund L wartet am Hafen, um uns mit dem Rad zu unserer Unterkunft zu begleiten. Wir sind privilegiert, müssen nicht mühsam mit Karten oder Navis lavieren. Nach 18 Jahren Bretagneurlaub am selben Ort kennen sich unsere Freunde bestens aus. In den nächsten Tagen werden wir mit Rad und Auto begleitet, herumgefahren und bestens betreut.

Wir wohnen in einem kleinen Herrenhaus mit drei Eseln, einem Pferd, einem Maulpferd, Hühnern, zwei Hähnen und einem entspannten Hund. Das Haus ist voller Antiquitäten wie einem alten Bett, das in der Diele / dem Frühstücksraum steht. Wie die bayrischen Bauernbetten für die ganze Familie: zu kurz zum Ausstrecken, man schlief halb im Sitzen.
Frühstück ist französisch: hervorragender Kaffee und viel Süßes. Einmal sogar ein Töpfchen Mousse au chocolat. Die nette Dame des Hauses ist immer bereit zu einem Schwätzchen.

Die Bretagne bietet etwas für uns Gewohntes: wie in Wales sind die Ortsnamen und einiges andere zweisprachig aufgeführt – auf Englisch und auf Bretonisch. Man kann in der Grundschule Bretonisch lernen, es gibt jedoch keinen Zwang. Das Selbstverständnis erhält sich auf verschiedene Weisen, an Selbstvertrauen für die eigene Kultur fehlt es nicht: die Landschaft, die Bauweise, die wirklich schmackhafte Küche, die ohne 30 Gänge und den berühmt-berüchtigten französischen Schnickschnack auskommt … es kommt einiges zusammen.

Um einiges von diesem „einiges“ zu erwähnen: Buchweizencrepes (die sind pikant gefüllt, wogegen die Crepes aus Weizen süß sind), bretonischer Butterkuchen Far Breton, anderer bretonischer Butterkuchen Kouign Amann; und noch andere bretonische Butterkuchen. Man kann hier ein Muster erkennen: Butter ist Pflicht! Am besten die leicht salzige bretonische Butter, die anders schmeckt als Standard salzige Butter von anderswo.
Als Hauptspeisen kommen aus dem Meer Miesmuscheln, Jakobsmuscheln, Algenpasten (ja, die kann man nicht angeln, man erntet die Algen und macht was daraus), Sardinen, Austern (immer noch nicht probiert, muss ich in Cornwall machen).

Wunderschöne Wegkreuze allüberall.

Die Bretagne ist ein Gemüseland. Vor allem Zwiebeln (früher gab es Kleinhändler, die bepackt mit Zwiebeln nach England übergesetzt haben) und Artischocken.


Glücklicherweise wird beim Brot kein Kompromiss gemacht. Sicher gibt es in Frankreich auch vorgefertigte Fabrikteiglinge, doch es ist einfach, Bäckereien zu finden, die Baguette, Croissants und Brandteigéclairs selbst zubereiten und dies auch auf Schildern anpreisen.

Der, wie wir zur Verwunderung unserer deutschen Freunde meinen, irgendwie dickflüssige Cidre wird oft in einem Keramikkrug auf den Tisch gestellt und aus einer Art dickwandiger Teetassen getrunken (leider kein Bild).

Dazwischen bleibt immer die französische Lebensart: einfach mal ins Café setzen, einen Pastis schlürfen oder eine bretonische Breizh Cola (schmeckt wie Afri Cola) oder einen kleinen Café.

Hoffentlich vom Lesen satt geworden? Wir kommen zur Geologie zurück:

Die Bretagne, Cornwall und Süddevon stammen laut neuester Forschung aus demselben geologischen Zeitraum und Material. Der Ärmelkanal ist nicht besonders alt, das ist lange bekannt, doch nun heißt es zusätzlich, die brit. Hauptinsel sei kein Monoblock. Augenscheinlich wird das an der Küstenform: endlos viele Fluß- und Flüßchentäler fallen auf beiden Seiten des Kanals zum Meer hin ab und werden durch den Tidenhub reguliert. Bei Ebbe eine breite Schlammlandschaft mit unbeweglich getrandeten Booten, bei Flut ein Delta mit leise for sich hin dümpelnden Schiffchen. Das war es aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Das große und das kleine Großbritannien haben Unterschiede: die Radwege sind in Frankreich besser beschildert. Die Leute sind ein bisschen muffiger, bis man sie kennen lernt. Die Häuser sehen anders aus. Es gibt mehr Menhire und andere Kulturzeugnisse. Es scheint weniger Bodenschätze zu geben, man lebt seit jeher von Fischerei, Häfen und Landwirtschaft, nicht auch von Zinn oder Kupfer oder Porzellanerde wie jenseits des Kanals.

Richtig alt

Weswegen man (ich) die Bretagne besucht. Wegen der Frühgeschichte. 6000 Jahre altes Hügelgrab in Barnenez :

Menhir:

Auf geht’s

Wenn man weg möchte, fährt man zum äußersten Zipfel und marschiert los:

Auch von der Bretagne, St. Mathieu, fast am äußersten Rand von Finisterre, kann man nach Santiago wandern.

Ziemlich alt

Und es gibt eine besondere Kirchenbauform, die eingezäunten Kirchen (églises enclos). Vor 500 Jahren ging es der Bretagne besonders gut. Flachsanbau, Fischerei, wichtige Häfen, alles lief hervorragend. Grund genug, sich schöne Steinkirchen zu bauen mit mehr als einem Hauch von Konkurrenz: jedes Dorf wollte die schönste Kirche haben. Zum Gebäude selbst kommt mindestens ein Ossarium (Beinhaus, heute ohne Gebeine), mindestens ein Kalvarienberg aus Stein, ausladende Sakristeien, barocke Altäre und um alles herum ein sauberes Mäuerchen. Das alles in Steingrau und mit guter Atmosphäre.

Nicht leicht zu erkennen, doch unter der Deckenlampe befindet sich ein geschnitzter Drache – ein Wikingereinschlag, sehr häufig anzutreffen.

Als Beispiel: Kirche von Lampaul-Guimiliau

Steinschiff in Roscoff

Gebeinhaus in Roscoff

Das wars auch schon hierzu, im nächsten Beitrag wird es in die Normandie gehen.