Ein ganz normales Wochenende

Am Freitag fängt es mit Theater an. Am zweiten Tag, an dem das Theatre Royal Plymouth wieder Programm bietet, sind wir dabei. Ein Drittel Auslastung, Maske auch am Platz, zutiefst glückliche Mitarbeitende, die uns, das Publikum, zurück-begrüßen. Da man an Masken, Desinfizieren und Abstand halten gewöhnt ist, kommt einem das ganz normal vor. Normal 2.0 halt.
Als Jugendliche habe ich viele dieser dystopischen Science Fiction Geschichten gelesen. Diejenigen, in denen von der so genannten “Zivilisation” nicht grade viel übrig geblieben ist. Im Nachhinein betrachtet ein gutes Training dafür, auf die Bruchkanten im Lack der Selbstverständlichkeit zu schauen und nichts als gegeben anzunehmen. Bzw. sich immer wieder neu anzupassen.

Sprech-spuckende SchauspielerInnen waren im Theater übrigens auch kein Thema: das moderne Tanztheater aus London, die Truppe heißt Rambert, kam ohne Worte aus und war Weltklasse. Es war nicht nur befreiend, live Bewegung auf der Bühne zu sehen, sondern auch Qualität. In den einzelnen Stücken ging es nicht einmal direkt um Corona. Aber ich behaupte, nicht nur ich ließ im Kopf bei jeder getanzten Episoden Assoziationen mit meinem / unserem Leben der letzten Zeit mitlaufen. Alles ist verbunden. Die Zusehenden, die Musik, die Darbietung. Wir saßen alle im selben Boot.
Beim Hinausgehen bekamen wir ein Eis auf den Heimweg mitgegeben;-)

Singe, wem Gesang gegeben

Die Sache mit dem Singen, das ist ein rechtes Drama. Stichwort Aerosole. Letzten Montag sollte, neben weiteren Lockerungen, auch das Verbot von Chorgesang aufgehoben werden. Selbstverständlich mit gedeckelter Singendenanzahl, Hygienekonzept, viel Abstand und sehr gut belüfteten Räumen.
Doch über Nacht hat die Regierung es sich anders überlegt. Am Dienstag Morgen wurden alle Erleichterungen des Montags bestätigt, nur die Erlaubnis zu singen wurde zurückgenommen. D.h. einige Chöre haben am Montag Abend Probe gehabt, mit Schwung und guter Laune, denn das ist es, was Singen schafft, und sind am Dienstag zu einer Katerstimmung aufgewacht. Begründung der Regierung: keine. Außer: wir wissen schon, was wir tun, aber relevante Daten geben wir euch keine. Wir sind die Regierung, ihr seid nur das Volk.
Nun sind Chöre nicht bekannt dafür, dass sie besonders politisch wären, oder sich ins Tagesgeschehen einmischen. Trotzdem es ein geräuschvolles Hobby ist, fallen SängerInnen weniger auf als Fußballfans. Doch dieses Mal hatten sie genug. Über 2 Millionen! Menschen singen in England und die sind wirklich wütend. Es gibt Petitionen, Radiosendungen, WissenschaftlerInnen fordern die Herausgabe der “Wissenschaft”, die belegen soll, dass es gefährlicher ist, gemeinsam in einem Riesenraum mit offenen Fenstern zu singen als sich mit 5 Kumpels in der Kneipe zu treffen (irgendwie wieder erlaubt) und betrunken zu grölen. Natürlich sind Aerosole weiterhin ein wichtiges Thema. Doch die Regierung mauert, wahrscheinlich deshalb, weil es keine neuen Erkenntnisse gibt, die Singen zum Volksfeind Nummer 1 erklären könnte.
Das Pikante daran: professionelle Chöre dürfen üben. Was dazu geführt hat, dass ein sehr bekannter Chor, der gerade den Messias einübt, seinen AmateuerInnenteil mitüben lässt. Mit der Begründung, die Damen und Herren befänden sich bei den Profis in sicheren Händen. Clever!

Es ist unwahrscheinlich, dass diese Ungleichbehandlung eine Revolution auslösen wird, aber ein paar Stimmen weniger für die Konservativen bei den nächsten Wahlen wäre gerechtfertigt. Mein Barbershopchor trifft sich zufällig an Montagen, doch wir hatten noch kein Treffen vereinbart. Wir haben jedoch flugs angefangen, uns zu Sechst in Wohnzimmern zu treffen und gemeinsam zu üben. Es hilft, dass die Meisten sogar 2x geimpft sind. Dennoch ist es verwunderlich, dass sich Menschen, die sich das letzte Jahr teilweise schon überängstlich versteckt hielten, nun wieder Fremde in der eigenen Wohnung empfangen und sich offenbar wirklich wohl damit fühlen. Bei der Impfrate ist es einfach an der Zeit, sich wieder ein entspannteres Leben zurückzuerobern.

Neben dem eigenen Chor gibt es ein weiteres Projekt, das auf gemeinsames Singen angewiesen ist, und das stand auf einmal wieder auf tönernen Füßen: Mayflower 400.

2020 jährte sich zum 400. Mal der Aufbruch der Mayflower von Plymouth nach den heutigen USA. Es war nicht die erste Siedlung des weißen Mannes auf dem Kontinent, doch die erste nachhaltig erfolgreiche und wurde dadurch ein Symbol für die Besiedlung einer, von Europa aus gesehenen, Neuen Welt. Seitdem ist viel passiert. Wolkenkratzer, Völkermord, Wohlstand für viele, Sklaverei, Schutz für Verfolgte, Rassismus. Starker Handel, Innovation, eine merkwürdige Form von Demokratie. Die Liste ist endlos und komplex. Plymouth plante 2020 ein großes kulturelles Event an der Waterkant, doch das fiel aus. Nun wird es stattfinden. Seit Monaten probte der Erwachsenenprojektchor auf Zoom. Ich mitten dabei als ein Alt 2. Dieses Wochenende sollte für eine beschränkte Anzahl die erste gemeinsame Probe in einer Halle stattfinden. Und musste gestrichen werden.

Bei einem neues, erst für diesen Anlass komponiertes Stück, vielstimmig, mit Orchester, von AmateurInnen gesungen, eine Katastrophe. Die Aufführung soll am 11. Juli stattfinden und wir hatten uns noch nie gegenseitig gehört. Der Dirigent hat uns noch nie gehört!

Ich kann sagen, die Veranstalter gaben nicht auf und suchten fieberhaft nach Lösungen. Die Rettung nahte in Gestalt des örtlichen Fußballvereins, der ein zentral gelegenes, überschaubares Stadion besitzt. Er stellt seine Ränge zur Verfügung. Sehr innovativ.
Am Samstag und am Sonntag stand ich dann mit etwa 100 anderen Singenden auf der überdachten Tribüne und doch draußen.

Dem Chorleiter standen fast die Tränen in den Augen …
Und ganz schlecht klangen wir anscheinend auch nicht.

Überdies habe ich am Sonntagmorgen des Sonntag mit 4 weiteren Leuten zum Sonntagsgottesdienst geläutet. Zum ersten Mal seit 14 Monaten, von einem kurzen Intervall letzten Sommer abgesehen. Sonntagsläuten gehörte die letzten 5-6 Jahre zu meinem Alltag. Tut gut, dass es nicht totzukriegen ist.

Über das Nichts

schreiben die Philosophinnen vielleicht gerne, eine spannende Geschichte des Alltags kann man schwerlich herausmeißeln. Oder es lohnt nicht. In den vergangenen Monaten hätten wir gerne unseren Herzschlag verlangsamt, um in Winterschlaf zu verfallen und diesem Nichts zu entgehen. Es gab außer zu viele Nachrichten zu lesen, die nicht viel inhaltlich beigetragen haben und zu denen man nicht immer eine Meinung haben kann (wenn man ehrlich ist …), nicht viel Weltbewegendes zu tun. Keine Zeit für HeldInnen. Mehr für anpassungsfähige Durchhaltende. Wir zählen uns weder zu einen noch zu den anderen, mehr zu den Durchwurstelnden.

Auf Mikroebene war die letzten Monate gar nicht so wenig bei uns los, man vergisst das aber leicht. Arbeit verschiedener Art (ich habe Texte redigiert und mal in einem Gartencenter gearbeitet), dazu Vorbereitung des Allotments, dessen Fortkommen durch den eiskalten und staubtrockenen April etwas ausgebremst wird; immer wieder ein Bad im Meer, das der physischen und der mentalen Gesundheit gut tut. Endlose Zooms.
Und nun? Die Möglichkeit, wieder ein Getränk im Außenbereich eines Pubs zu sich nehmen zu können. Und noch mehr Zooms. Bis wir z.B. gemeinsam singen können, dauert es.
Man wartet doch auf Godot, auf die große Änderung. Der Godot aber kommt ja in dem Stück gar nicht. Es ist also besser, nicht auf ihn zu warten, sondern selber was auf die Beine zu stellen. Das gelingt nicht immer, s.o., keine Zeit für HeldInnen. Machen wir also im Kleinen das Beste aus einer Lage, die deutlich schlechter sein könnte.

Etwas schlapp geworden, zwingen wir uns, unsere wiedergewonnenen Freiheiten zu nutzen, unsere Flügel zu strecken. Mit einem einzigen Bier/Cider am einzigen Tisch mit Sonnenstrahl, damit man nicht anfriert. Mehr noch mit Ausflügen zu Gärten. Man stelle sich vor, man lebte im Gazastreifen! Oder in Myanmar. Da ändert sich die Perspektive über die Möglichkeiten und Grenzen des partnerschaftlichen Miteinanders. Deshalb ohne weitere Meckerei eine Galerie der Frühlings.
Auch zur Feier, zum Anlass und zum Gruß nach Deutschland, das die Impfmarke von 20 Prozent überschritten hat.

Kamelie

Mach dich locker. Oder lieber doch nicht?

Das Thema Pandemie geht allen auf die Nerven, aber auf geht’s, nicht auf den letzten Kilometern schlapp machen, Corona ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
Nun könnte man sagen, wir befinden uns auf der Insel in einer komfortablen Situation, mit 30% der Erwachsenen bereits einmal geimpft.
Dazu ein ganz klares Jein. Wir sind immer noch das Land mit den vielen Toten (130.000 bei 66 Millionen Einwohnenden) und der chaotischen Regierung, zu späten Lockdowns, einem über die ganze Zeit nutzlosen Nachverfolgesystem, Kehrtwenden und ein Sich-Winden noch und nöcher. Nun kam wenigstens Impfstoff als Kavallerie über den Hügel geritten, in letzter Minute. Wie man zu den nötigen Mengen für die Impferei gekommen ist, und das ist ein Wermutstropfen, hat sicher auch mit der britischen Rücksichtslosigkeit zu tun. Als AstraZeneca/Oxford seine Mengen einseitig gekürzt hat – für alle Länder außer Großbritannien – wurde erstmal gelogen über den Zeitpunkt des Vertrags, es sei April gewesen. Da gab es massive Unterstützung und Absichtserklärungen, doch der Vertrag, der wurde Ende August unterzeichnet, kurz nach dem Vertrag mit der EU. Garantiert wurde gemauschelt, gemaggelt, einen auf Amigos gemacht, damit man nicht nur die ersten, sondern auch alle Folgelieferungen vollständig bekam.

Was für Deutschland offenbar gleichgültig ist, denn was man so liest, wenden sich einige Menschen vom Astra Impfstoff ab, weil er ihnen angeblich nicht genügend schützt, weil die ersten Tage öfters mehr Nebenwirkungen auftreten als bei anderen Impfstoffen und vielleicht ältere Menschen weniger geschützt sind als jüngere. Über diese Arroganz kann ich nur staunen: Lockerungen wollen und sich dann zurücklehnen und sagen: ne, ach, ich warte lieber doch, für meinen Luxuskörper nur Biontech oder Moderna. Möglicherweise dieselben Leute, die früher gesagt haben, sie wollten einen konventionellen Impfstoff, wie es der Astra ist, also einen, der ähnlich hergestellt wurde wie viele Impfstoffe, die wir schon erhalten haben, z.B. Grippeimpfstoffe. Ja, ich will auch mal meckern, dann, wenn’s um etwas Wichtiges geht!

Exkurs: Was für ein Fortschritt. Dauerte es bis vor kurzem Jahre, meist Jahrzehnte, bis ein Impfstoff erarbeitet, geprüft und zugänglich gemacht wurde (ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der gegen Ebola), war es 2020 weniger als ein Jahr. Die Technik ist offenbar da, man muss nur Geld in die Labore werfen und schon produzieren sich Impfstoffe wie von selbst (fast).
Erinnert mich an meine Lieblingsserien aus dem Raumschiff Enterprise Universum, in denen es oft vorkommt, dass Besatzungsmitglieder durch wirklich krasse Krankheiten des Weltraums arg mitgenommen werden. Folgende Dialoge zwischen Brücke und medizinischem Personal bekommt man dann regelmäßig zu hören: “Wie lange brauchen Sie für ein Gegenmittel?” “Mindestens 24 Stunden.” “Sie haben 8 Stunden, sonst sind alle tot.” “Kriegen wir hin”. So schnell kriegen wir es noch nicht hin, doch die Zukunft hat längst begonnen. Ein sinnvoller, heilender Einsatz der Gentechnik, im Gegensatz zur Vernichtung von überlebenswichtigen Ökosystemen, damit Monsanto und Co. Geschäfte machen können.

Auch wenn es immer Risiken gibt. Leben ist nun mal komplexer als ein Brocken Granit. Womit wir wieder bei den eindimensionalen Monsantos wären …


Die rasche Verteilung der Impfstoffe in den UK fußt auf dem, wie im Vorblog erwähnten, zentral aufgestellten Gesundheitssystem: die ganze Bevölkerung kann nach Alter oder vorliegender Grunderkrankung nacheinander geordnet erreicht und geimpft werden. Ich kenne niemanden, der/die nicht mit Erleichterung zum Termin gegangen wäre. Natürlich ist diese nicht die alleine seligmachende Reihenfolge, Stimmen riefen nach Bevorzugung weiterer Berufsgruppen – neben dem ohnehin bevorzugten Gesundheitspersonal – wie Lehrenden oder der Polizei. Sicher eine gute Idee, doch das wäre ein Bruch, der das fließende Verfahren durcheinander bringen könnte und dieses Risiko scheut man. Erstaunlicherweise deuten die Zahlen ohnehin darauf hin, dass eher unverdächtige Berufe gefährdeter sind: es ist wohl gefährlich, Restaurantmanager zu sein, oder in der Restaurantküche zu arbeiten. Ebenso Maschinen zu bedienen (drinnen) oder allgemein in Fabriken der Lebensmittelindustrie zu arbeiten. Oder, nicht so überraschend, Taxi zu fahren.

Fahrplan aus dem ganzen Mist


Am vergangenen Montag, 22.2, die große Pressekonferenz des Mannes mit der Fönfrisur. Man erwartete Großes. Und es kam auch, aber vielleicht anders als erwartet. Der Ausstieg aus Restriktionen findet sehr langsam statt. Man will es nicht noch einmal falsch machen. Es fällt schwer, die Ungeduld zu bezähmen, doch der Kopf sagt: richtig so. Es soll vier Etappen geben, jede Etappe nicht vor einem bestimmten Datum, vielleicht sogar danach. Man lässt sich dabei von verschiedenen Parametern leiten.
Einziges Haar in der Suppe: ab 8. März öffnen die Schulen, was fraglos enorm wichtig ist, doch genau die Bevölkerungsgruppen betrifft, die noch nicht geimpft sind oder als Kinder nicht geimpft werden können. Wie sich das auswirkt, wird sich weisen. Ende März dann: Organisierter Sport kann draußen wieder ausgeübt werden. FriseurInnen öffnen erst ab 12 April! Klaus erhielt bereits einen Anruf seiner Friseurin mit einem Terminvorschlag. Frühestens ab dann kann innerhalb Englands wieder eine Ferienwohnung vermietet werden, B&Bs erst später. Ab Mitte Mai öffnen Theater und Museen. Und vermutlich darf man dann wieder ins Ausland reisen.
Die ersehnte Etappe 4 wird nicht früher als Mitte Juni starten: keine weiteren Einschränkungen und Nachtclubs werden ihren Betrieb wieder aufnehmen. Ein Fahrplan von vier Monaten Minimum. Lang oder kurz? Bis dahin wird auch halb Europa geimpft sein, es wird sich einiges angleichen.


Bereits am Abend der Pressekonferenz ächzten die Reisewebseiten unter den Buchungen fürs In- und Ausland. Dies als Zeichen, dass die Menschen eine Perspektive sehen.

Bitte zur Impfung

Der NHS

(Hier schreibt Klaus.) In Großbritannien gibt es den NHS, National Health Service oder zu deutsch: Nationaler Gesundheitsdienst. Traditionell hat dieser in (West-)Deutschland einen eher schlechten Ruf. Ich weiß nicht, ob es in diesem Blog war oder ausschließlich in persönlichen Gesprächen, dass ich als in England Lebender oft betonte, der NHS sei besser als sein Ruf. Der NHS funktioniert im Prinzip wie das Gesundheitssystem in sozialistischen Staaten, etwa der DDR. Wahrscheinlich darf man in (West-)Deutschland an nichts ein gutes Haar lassen, was es in der DDR gab – mit Ausnahme solch weltbewegender Errungenschaften wie den grünen Rechtsabbiegepfeil an der Ampel.

Für die einzelne in Großbritannien lebende Person bedeutet das NHS-System Folgendes: Eine Krankenversicherung ist nicht notwendig. Man schreibt sich ein in eine selbst gewählte surgery. Obwohl “surgery” auch mit “chirurgische Operation” übersetzt werden kann, bedeutet es hier: ärztliche Praxis, in der – und zwar ausschließlich – angestellte Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin (früher Hausarzt/-ärztin genannt) arbeiten. Bei einem Gesundheitsproblem wendet man sich zuerst an die gewählte surgery. Das entspricht in etwa der in Deutschland unter dem Begriff “Primärarztprinzip” bekannten Routine, zunächst eine/n Hausarzt/-ärztin aufzusuchen und sich gegebenenfalls von dort überweisen zu lassen. Zur fachlichen Weiterbehandlung wird man im NHS ausschließlich an Krankenhäuser überwiesen, weil nur dort Fachärztinnen und Fachärzte arbeiten – und niemals als “Niedergelassene” wie in Deutschland. Die Zahngesundheit mal beiseite gelassen, betrifft die einzig mir bekannte Ausnahme die Augen. Hier wendet man sich zunächst zur Untersuchung an den/die Augenoptiker/in, der/die das Problem löst (etwa meine jährlich obligatorische Netzhautuntersuchung) oder an ein Krankenhaus überweist. In allen Fällen ist die Behandlung kostenlos – abgesehen von einigen Zuzahlungen, etwa zu Medikamenten.

Zu unserer (Barbaras und meiner) surgery ist festzuhalten: Seit Ausbruch der Pandemie ist man dort bestrebt, mit allen verfügbaren und erdenklichen Mitteln durchzusetzen, keinen Menschen, geschweige denn eine Kranke oder einen Kranken auch nur von Ferne zu sehen. (Einmal auf einem Spaziergang in die Nähe dorthin gelangt, wunderte ich mich nur, die surgery nicht mit ausgehobenen Verteidigungsgräben und Selbstschussanlagen gesichert zu sehen.) Zur Ausstellung meines Wiederholungsrezepts wandte ich mich also per Internet (wie sonst?) an diese surgery. Von dort wurde mir (automatisch, per Internet, wie sonst?) bedeutet, ich bekäme das Medikament erst nach der jährlich fälligen Blutuntersuchung. Also bat ich um einen Termin zur Blutabnahme. Wie naiv! Das Ganze endete schließlich nach etlichen frustrierenden Telefonaten und Internet-Kommunikation damit, dass man mich auf das Gelände des ersten Fußballclubs in Plymouth schickte, wo man mir mein Blut abnahm. Das Vereinsgebäude von Plymouth Argyle diente über den ersten Lockdown hinaus erfolgreich als Blutzentrale. Heute spielen sie wieder …

Die Impfung

Betrachtet man die Statistik der Corona-Todesfälle in Europa (ja, Großbritannien gehört zumindest geografisch auch nach Brexit immer noch dazu), scheint die Spitzenreiterrolle Großbritanniens die Kritik am NHS zu rechtfertigen. Als Corona-Todesopfer könnte ich mich dieser Kritik vielleicht anschließen. Als früh Geimpfter halte ich dagegen. (Ja, so ist der Mensch: Er beurteilt schnell ausschließlich ausgehend von den eigenen Erfahrungen (von was ausgehend auch sonst?, fragt der/die Erkenntnistheoretiker/in), was die Britin, der Brite – eine Meinungsäußerung einleitend – oft mit “from my point of view”* ausdrückt.)

* vielleicht am besten übersetzt mit: “von dort aus betrachtet, wo ich mich befinde”.

Zur Sache nun: Dienstag, 16. Februar 2021 erhalte ich eine Textnachricht meiner surgery. Man bietet mir einen Corona-Impftermin drei Tage später an. Ich kann auswählen zwischen drei jeweils zehnminütigen Zeitfenstern. Auswählen und bestätigen soll ich per Internet-Link. Als ich nun diesen Link anklickte, war ich auf alles gefasst, nicht aber auf dies: “Geben Sie Ihr Geburtsdatum ein …” (zur Bestätigung, dass Sie derjenige sind, für den dieser Link bestimmt ist) … “und wählen bitte einen der angebotenen Zeiträume, in dem Sie geimpft werden möchten.” Das war’s! So unkompliziert ging es – soweit ich es mir denken kann -, weil dieser Link allein für mich eingerichtet wurde. Oder anders ausgedrückt: für jede/n der über 60 Millionen Britinnen und Briten jeweils einen individuellen Link. (Natürlich gab es auch die Option, die Impfung abzulehnen, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder vorab weitere Informationen einzuholen.) Wenige Sekunden später erhielt ich die Terminbestätigung, zwei Tage darauf eine Termin-Erinnerung.

Am Freitag, 19. Februar, begebe ich mich also zur Impfstation, diesmal nicht die ”Umkleide” einer Fußballmannschaft, sondern in die Halle, in der sonst die Basketballer von Plymouth spielen. Ich bin zehn Minuten zu früh. Einer der vielen, wirklich sehr vielen und sehr freundlichen maskierten Einweiser meint, das sei kein Problem. Ich stehe in einer Schlange, jeweils zwei Meter Abstand nach vorn und nach hinten. Es geht schnell voran. Erste Station: Tisch Nr. 3 gegenüber einer Dame und deren Computer. Wie ich denn heiße. Bekomme einen kleinen Aufkleber mit meinem Namen und werde weitergeschickt zu Impfstation Nr. 3: Spritze rein, zur Sicherheit noch einmal gefragt, wo ich wohne, Aufkleber mit meinem Namen auf den Impf”ausweis” geklebt, und raus bin ich wieder an der frischen Luft. Waren es fünf Minuten … oder sieben? Waren es um mich herum in dieser Zeit fünf, acht … oder zehn Mit-Geimpfte? Auf jeden Fall gab es mindestens vier Helfende pro Impfstation.

Das war’s: Was man vom Bestorganisierten bestenfalls erwarten kann! Das ging wie am Schnürchen und mit der Präzision eines Uhrwerks. Angefangen von der Herstellung, der Beschaffung, der Verteilung bis zur Verabreichung an die “Priorisierten” des Impfstoffs. Mag gestern das Verhalten meiner surgery verstörend gewesen sein. “From” meinem heutigen “point of view” ist es erklärbar. Woher kommen denn all die Ressourcen, so etwas Fantastisches wie dieses Impfprogramm zu initiieren und durchzuführen, wenn nicht mit Hilfe der Leute, die den Normalbetrieb des NHS in normalen Zeiten aufrechterhalten?

Übrigens: Es war der Impfstoff, der mit Hilfe der Universität Oxford entwickelt wurde und heute COVID-19 Vaccine AstraZeneca heißt; es traten keine nennenswerten Nebenwirkungen auf.

Nicht nur Neues vom “Spocht”

Die schlechte Nachricht zuerst

Das betrifft natürlich die Brexitszene. Was bei ebay, siehe bitte Wetterfühlig, geschehen ist, ist überall. In den britischen Medien mehren sich die Geschichten von Kaufenden mit sehr überraschten Gesichtern, die für Waren aus Europa / und oder über Amazon (die Zentrale befindet sich in Luxembourg) extra geschröpft wurden. Alle Einfuhren, auch private, auch gebrauchte Güter, die über einem Wert von 39 Pfund liegen, müssen in den UK mit MwSt. versteuert werden. Ab 139 Pfund (oder so) können weitere Abgaben hinzukommen. Für die Einfuhr muss jedes dieser ausländischen Unternehmen bei der englischen Steuerbehörde gemeldet sein. Viele kleine Unternehmen liefern daher im Moment nicht nach den UK. Katastrophe? Nicht wirklich, aber ein Rückschritt mindestens in die 50er Jahre.

Wenn man in der EU lebt, fällt das gar nicht mehr auf, doch für viele Menschen auf der Welt sind heute noch Gebühren Alltag, wie ich aus meiner Zeit im Sportartikelverkauf weiß: die Schwizerischen nehmen sogar Briefadressen in Deutschland oder Frankreich an, damit sie Internetzöllen der Schweiz entgehen können. Persönlich darf man nämlich wertvollere Güter mit sich führen als man online gebührenfrei erwerben darf. Oder: Die kanarischen Inseln sind Mehrwertsteuerfrei, zumindest teilweise. Dennoch werden bei Einkäufen u.U. Zollgebühren fällig, die im Hafen entrichtet werden müssen. Das traf selbst Einwohnende manchmal unvorbereitet, wenn sie ihr Fußballtor auslösen mussten.
Die Höhe dieser Zollgebühren ist tatsächlich, das zeigen auch die Beispiele aus den UK, von LaiInnen nicht vorher berechenbar bzw. einsehbar. Es hängt davon ab, oder scheint davon abzuhängen, ob das Produkt wirklich in dem Land produziert worden ist, aus dem es geschickt wird, welches Material, welche Zollklasse ? Und das im 21. Jahrhundert, das ist schwach.

Die UK scheinen sich also wie die Schweiz zu verhalten: Warenabkommen, keine der so genannten Tarife, doch von frei kann irgendwie keine Rede sein.

Wenn man dazuzieht, dass das Porto nach hüben und drüben exorbitant gestiegen sind, verzichten wir lieber auf Post. Ein bisschen eine Trotzreaktion, aber man will nicht, dass jemand so viel Porto bezahlen muss.

Im Januar hatten wir naiv Hosen bei einem Bioanbieter in Deutschland bestellt. Das Päckchen kam an. Ohne Probleme. Wie haben einfach Glück gehabt, oder es lag an der Produktion in Europa? Kleidung an sich ist nämlich nicht zollfrei. Wenn man so verunsichert wird, kauft man lieber woanders ein. Oder gar nicht, man soll sowieso nicht so viel konsumieren.

dA segeln wir lieber um die Welt

Ich verfolge kaum Sport, kann gerade mal ein paar Wimbledonsiegende nennen oder weiß, dass jemand namens Franz Klammer mal ganz groß im Skirennen war, doch im Selbsttest festgestellt: für einen Lockdown ist ein lang andauerndes Sportereignis die beste Medizin. Glücklicherweise wird alle vier Jahre die Vendée Globe ausgetragen, das härteste Segelrennen der Welt, das nicht nur um die gesamte Welt geht, sondern das alleine gesegelt werden muss, ohne Zwischenstopp, Motor oder materieller Hilfe von außen. (Rücksprachen mit dem Team daheim sind erlaubt. )

Die ersten Finalisten sind nach über 80 Tagen wieder in Frankreich, wo es losging, eingetroffen. Die “Schlussgruppe hangelt” sich noch an der Küste Südamerikas hoch, bis zu Tausende von Seemeilen entfert. Das macht aber nichts, bei dieser Tour ist der Spruch vom “Dabeisein ist alles” endlich einmal gerechtfertigt, es ist eine übermenschliche Anstrengung, auch mit modernen Booten, die Einsamkeit zu ertragen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und auch das nötige Quentchen Glück zu haben, nicht zu havarieren und aufgeben zu müssen.

An Drama ist die Vendée nicht zu überbieten, man wird hineingezogen und fiebert mit. Trotz Autopilot besteht so eine Segeltour nicht aus in der Sonne liegen oder ein gutes Buch lesen. Der Alltag ist sehr anstrengend. Hauptsächlich wird das Boot gepflegt und instandgesetzt. Da wurden Segel geflickt, auf 18 Meter hohe Masten geklettert, da wurde geklebt, geharzt, geschweißt! Rohre wurden zweckentfremdet, um anderes Material zu ergänzen, da Computer und Süßwasserproduzierer repariert.

Dazwischen ist manchmal Zeit ein Video von begleitenden Albatrossen an die Fans zuhause zu schicken und wer keine Lust auf ständig Tütenfutter hat, hat sich einen Brenner aufs Boot setzen lassen, um auch mal ein Ei zu kochen. Von diesen weltbesten Segelnden kann man lernen, nicht immer zu jammern, das hilft ihnen nämlich nichts, also zeigen sie zwar schon mal ihren Frust, dann wird wieder angepackt.

Eine Rekordanzahl von 33 Booten ist angetreten, Stand heute: 10 sind ins Ziel, 8 mussten vorzeitig aufgeben. So musste sich ein Segler von drei Kameraden aus dem Wasser ziehen lassen, als sein Boot in rauher See entzweigebrochen war, eine französisch-deutsche Seglerin schlich mit gebrochenen Kiel ganz langsam in die Sicherheit eines Hafens nach Brasilien und für einen Teilnehmer gab es schon nach einer Woche eine Beschädigung am Boot, der den Traum von der Weltumseglung nach vier Jahren Vorbeitung frühzeitig beendete.

Fußnote 1: Segeln. Kein Motorengeräusch, kein geschwätzigen Mitreisenden, idyllisch, oder? Leider nicht, der Wind und das fast andauernde Reiten auf den Wellen (oder wie man das nennt) sind richtig laut. Wegen des Lärms haben sich alle mit Ohrstöpseln eingedeckt, damit sie auch mal abschalten können.

Fußnote 2: in dieser Auflage des Rennens nahm zum ersten Mal ein deutscher Skipper teil und wurde sogar, trotz der Kollision mit einem Fischerboot auf den buchstäblich letzten Meilen, das ihn ins Ziel “humpeln” ließ, fünfter.

Wetterfühlig

Plymouth hat einen feisten Wintersturm gut überstanden und uns dazu warmes Wetter beschert. So weit alles normal.
Derweil sah es in Tattenhall, West Cheshire, diese Woche nicht so rosig aus. Sturm Christoph hat unser altes Heimatdorf erwischt und das, obwohl alle Radfahrenden wissen, dass man, fast egal aus welcher Richtung man kommt, man aufwärts nach Tattenhall hineinfährt. Schnaufen auf den letzten Metern (oder Yards, wie man hier sagt). Tattenhall liegt eigentlich auf einer minimalen Anhöhe. Das hat dieses Mal nicht gereicht, der halbe Ort stand unter Wasser, alle Straßen gesperrt und einige Leute (ein paar davon kennen wir, die sind jetzt noch am Putzen) hatten Wasser 20 cm hoch im Erdgeschoss stehen.

Am tiefsten Punkt des Dorfes: hier stand vor Urzeiten eine Mühle. Am Mühlenbach. Warum heute in dieser Senke Häuser stehen, fragt man sich?

Gut, dass fast niemand Keller hat! Am Ende der Sintflut fing es dann wie zum Hohn noch an zu schneien, doch niemand scheint verletzt worden zu sein.

Ich erinnere mich an den Maitag 2013, als wir nach Tattenhall gezogen sind. Es goss wie aus Eimern, ununterbrochen, und das Wasser kam auf der nahe gelegenen Hauptstraße aus den Gullies geschossen. “Oha,” dachte ich, “das wird ja lustig hier “. Doch so schlimm wurde seitdem nicht wieder. Bis jetzt.

Januarwarterei

Derweil sieht es in der Impferei relativ gut aus, man impft so vor sich hin und hört wenig von Missmanagement. Dennoch beruhigt es irgendwie, dass jetzt einer vom Militär den Verteilposten hat. Wer Kriege organisieren kann, sollte auch unfallfrei Impfdosen an SeniorInnen bringen können. Diese Dosen sind wie überall auf der Welt knapp, aber vorhanden. Man fängt sogar schon an, die über 70-Jährigen auf Stand-by zu trimmen, damit diese Altersgruppe nahtlos an die über 80-Jährigen anschließen kann. Ab dieser Gruppe wird es bestimmt mehr Leute geben, die lieber keine Impfung wollen oder noch nicht, und so wird sich das Netz für die anderen Impfwilligen weiter ausdehnen. Wäre schon mal wieder nett, anderen Menschen nicht mit Ansteckungsverdacht begegnen zu müssen.
Ein knappes Jahr ist es her, dass man dies tun konnte. Da freut man sich, wenn man im Allotment alleine, aber an der frischen Luft vor sich hin ackern kann.
Auch Schwimmen geht noch, zumindest, wenn die Luft so warm ist als das Wasser. So 10 Grad jeweils. Nicht gerade Eisschwimmen für die ganz Kernigen, aber weniger muss es für mich auch nicht sein.

brexit lässt grüssen?

Eine Brexitauswirkung? Französischer Käse ist in den Supermärkten nicht knapp geworden, Probleme gibt es im Moment hauptsächlich mit den Sonderregelungen, die Nordirland betreffen und mit dem Export fangfrischer Ware aus Schottland. Beide werden durch mehr und anderen Papierkram (Nordirland) und mehr Probenahmen (Schottland) extrem behindert. Warum man daran nicht gedacht hat (der Brexithandelvertrag wurde ja nicht innerhalb von 2 Wochen geschrieben, sondern innerhalb von 4 Jahren, da hätte man unstrittige Punkte, wo es nur um die Verfahren geht, längst überlegt und mit Sinn und Verstand lösen können). Betrifft uns hier im Südwesten glücklicherweise nicht so sehr, ist jedoch mehr als schade für die Betroffenen.
Die Schottischen und die Nordirischen wussten schon, warum sie Remainer waren.

Da alles so lautlos läuft, war ich umso weniger auf das Verhalten meines uralten ebay-Kontos vorbereitet. Ab und zu verkaufe ich dort etwas, mit UK-Adresse und mit automatischen Pfundpreisen. Beim letzten Verkauf kam Mehrwertsteuer dazu. Da hat es noch nicht geklingelt. Jedoch durch den einen Kauf inspiriert stellte ich am selben Tag endlich unsere nicht mehr brauchbaren (da wir den Drucker gewechselt haben) Druckerpatronen ein. Die waren innerhalb einer Stunde verkauft und wieder, mit Mehrwertsteuer. Also musste ich mich doch bequemen, der Sache auf den Grund zu gehen. Nach einigem Hin und Her stellte sich heraus, ich habe zwar die UK Adresse, bin aber als Konto nie wirklich von der deutschen ebay-Seite, auf der ich es seinerzeit eröffnet hatte, herübergewandert. Zu dem Wechsel benötigte ich tatsächlich den KundInnendienst, der mir innerhalb eine Minute geholfen hat. Ich gehe davon aus, damit ist das erledigt. Als Beweis, ob das geholfen hat, sollte ich bald etwas Attraktives zum Verkauf anbieten.
So schleicht sich die neue Realität an uns heran.

Zum Jahresende

Ein Jahresrückblick erübrigt sich, ich denke, 2020 haben die meisten Menschen nicht verschlafen …

In den UK gab es in den letzten Monaten ein Hin und Her, wie in anderen Ländern auch: Lockdown light, Aufsplitterung der Länder und in den Ländern dann in Stufen mit Regelungen und Unterregelungen. Und Neuregelungen. Und noch mal von vorn. Im Endeffekt nach wie vor dies: Hände waschen, Abstand halten, Masken tragen und, seit Neuestem: mal durchlüften.

Nach Weihnachten haben wir uns in Stufe 3 wiedergefunden und noch Glück gehabt: dreiviertel Englands befinden sich in Stufe 4, was schon Lockdown light bedeutet. Die Impfungen haben vor Weihnachten begonnen und in so großer Anzahl, dass alle welche kennen, die schon geimpft wurden. Das trug die Moral für ein paar Tage, aber macht den Abstandsschluder und alkoholinduzierten Partyschluder und einfach die Tatsache, dass das Virus grassiert, egal was man tut oder nicht tut, nicht weg. Die Krankenhauseinweisungen sind enorm hoch. Deshalb sitzen wir auch in Stufe 3 im Südwesten. Für unsere relativ wenigen Fälle haben wir absolut zu wenige Betten.

Der Unterschied zu Stufe 2, in der wir uns vorher befanden? Für uns Glückliche, die sich einfach zurückhalten können und weder im Supermarkt arbeiten noch Schulblasen für die Kinder organisieren müssen, mehr oder minder nur: meine Übungseinheiten für Handglocken in einer offenen Garage werden eingestellt. Bei den Jahreswechseltemperaturen um die 0 Grad fast eine Erleichterung.
Und keine Mahlzeiten dürfen mehr in Restaurants eingenommen werden, nur noch Take Away. Das werden wir wieder unterstützen.
Es gibt jedoch keine nächtliche Ausgangssperre und wandern geht überall; auch im Mitandern von mehreren Haushalten.

Was war sonst noch los? Ach ja, ein Brexithandelsdeal. Wie dramatisch im Finale. Drama wie der ganze Prozess. Einen Tag später las man in den UK und in Deutschland nur von Erleichterung und von historischen Prozessen. Wieder einen Tag später las man -erwartbar- von Millionen von Kritikpunkten, die diese und jene und die ganz anderen an dem Deal haben. Ohne Meckern geht’s halt nicht. Überhaupt trifft man Brexitbefürwortende nach wie vor immer in der Defensive an. Sie sind es, die das Thema in Gesprächen mit anderen einbringen. So ganz zufrieden in ihrer Haut scheinen sie nicht zu sein, sonst müssten sie sich nicht immer gegen Vorwürfe, die niemand gemacht hat, rechtfertigen. Im Gegensatz zu den Remainern: die sind zwar langsam dabei, alles zu verarbeiten und zu akzeptieren, aber finden immer noch, ihre Haltung war die Richtige.

Viele finden, das nächste Jahr kann nur besser werden. Da Jahre nur Konventionen sind, die am 1. Januar beginnen und am 31. Dezember aufhören, könnte es dieses Mal anders werden: dass das neue Jahr ernsthaft erst um Ostern herum beginnen wird. Als Jahr, wie man es sich wünschen würde. Bis dahin gilt: englische Gelassenheit lernen.
Ja, die gibt’s nach den Aufregungen der letzten Jahre auch noch.

Schnipsel 6

Auch wenn nichts passiert, passiert einiges.

schau genau

Kleingedrucktes lesen und Winziges sehen bereitet immer mehr Schwierigkeiten (Fettgedrucktes lese ich aus Figurgründen nicht). Deshalb werden im Internet für kleines Geld zwei Vergrößerungsgläser erstanden. Eines wird in der Nähe unseres Posters: Länder und Hauptstädte der Welt platziert, weil die Hauptstädte nur in etwa 6 Punkt geschrieben sind und damit unentzifferbar. Wie soll man sich da für die vielen Quizsendungen bilden. Das andere wird seinen Platz neben dem Sofa finden.

Das Neueste aus Coronaland

Wir befinden uns in den letzten 10 Tagen des britischen Lockdowns, ab 2. oder 3. Dezember gehen die einzelnen Regionen wieder in die gestuften Einschränkungen über. Leider wird Plymouth bestimmt nicht wieder in Stufe 1 kommen, die entspannteste, da sprechen die Zahlen eine andere Sprache.

Mit bislang fast 75.000 Menschen landesweiter Übersterblichkeit wäre das zu frühe Aufgeben des Aufpassens so, als wäre man kurz vor dem Ende eines Marathons und kehrte dann um, um die gleiche Strecke wieder zurückzulaufen: mehr Anstrengung und für garantiert gar nichts. Nicht mal für eine Anstecknadel würde das reichen.
Diese Übersterblichkeit steht dafür, dass so viele Menschen gestorben sind, als hätte das Jahr 13,5 Monate anstatt 12.

Dennoch gute Nachrichten allüberall, Impfstoffe werden geprüft, viele Millionen Dosen unterschiedlichster Hersteller und Herstellungsweisen sind schon gekauft, der Gesundheitsminister gab heute eine Art Fahrplan bekannt: Weihnachten ist noch ausgeklammert, da dort eine Regelung mit Schottland, Wales und Nordirland gefunden werden soll, und ein harter Winter kommt sowieso, aber!!!!! ab Ostern 2021 könnte und sollte sich das Leben langsam wieder normalisieren können. Einfach der Gedanke, es könnte einen Fahrplan geben, weil man PLANEN kann, weil es weniger Unbekannte, weniger xxxx-e in der Gleichung gibt, erfreut.

Dann kann auch der Brexit kommen, der kommt sowieso … Sogar die USA sind noch nicht in einem Bürgerkrieg versunken. Ich weiß, ich weiß: die Ansprüche an das Niveau des Weltgeschehens sind in den letzten 4-5 Jahren stark gesunken …

Wassersport

Nach einer 10-tägigen Zwangspause aufgrund eines Schnupfens heute wieder ins Wasser gestiegen: Hurra, es ist nicht so abgekühlt (dürften so 14 Grad sein), dass man sich entwöhnt hätte. Wie meist, ich war nicht alleine am “Strand”. Schwimmen ist dieses Jahr sehr populär geworden, es ist zugänglich und erfordert keine Reisen. Auch die Wild Schwimmenden haben Zuwachs erfahren. Das ist ein Verein mit zwei Filialen: Wild Swimming Cornwall und Wild Swimming Devon, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, wildes Schwimmen zu propagieren.

Was bedeutet wildes Schwimmen? Klingt gefährlich, oder? Und leicht illegal und subversiv. Die Wirklichkeit ist nüchterner: Einfach das, was in Deutschland als “Schwimmen gehen” bezeichnet wird. Dort präzisiert man noch mit: ich geh an den Abtsdorfer See oder ins Ainringer Bad. Auf Englisch bedeutet es nur: nicht im Pool, sondern anderswo. Das ist schon wild.

Am Plymouther Sound sieht man manchmal Leute mit Wild Swimming T-Shirts oder Badekappen, sonst würde das nicht auffallen. Da habe ich mal nachgelesen: Vor 10 Jahren von einer Schwimmenthusiastin, die schon mehrere Ärmelkanalüberquerungen hinter sich hat, gegründet, soll der Verein Menschen die Scheu vor dem ersten Mal nehmen bzw. schwimmende Menschen zusammenbringen. Es gibt 1000e Mitglieder.

Für den Winter gibt es ein extra Schmankerl, um am Ball bzw. im Wasser zu bleiben: die Eisbär-Herausforderung. Es ist kein Wettbewerb, am Ende winkt nur eine Geschafft-Medaille. Es gibt verschiedene Stufen zwischen “Klassisch” und “Arktisch”, es geht darum, wie oft man pro Monat ins (Süß- oder Salz-) Wasser und wie weit man insgesamt geschwommen sein muss. Das alles nur im Badeanzug. Wer es sich im Wasser gemütlich machen möchte, wird ein Pinguin, dann darf man auch einen Nasstauchendenanzug tragen. Für besonders Eifrige ist die “Yedi” Kategorie, hier muss man auch ein paar Mal in besonders kaltem Wasser schwimmen, bis 5 Grad herunter. Das geht in Südengland nicht, dafür muss man nach Schottland hinauf, dieses Jahr … wer weiß, wann das legalerweise möglich sein wird. Egal also, wie lange ich schwimmen werde, ich werde nicht alleine bleiben …

Schnipsel 5

L wie Lockdown

Kein Tag ohne wichtige Nachrichten. Dieses Mal der Hinweis, England bekommt einen neuen Lockdown. Nicht gerade unerwartet, denn wenn die Regierung etwas verneint in dieser Pandemie, passiert es früher oder später sowieso und dieses Mal ab Donnerstag. Man hat eingesehen, dass nach 6 Wochen Experimentiererei mit dem Dreistufensystem bei gleichzeitig relativ niedriger Testkapazität und einem Rückverfolgungssystem, das von Anfang an erwiesenermaßen überhaupt nicht funktioniert hat (warum, ist mir unbekannt), zu drastischen Maßnahmen gegriffen werden muss. Sehr schade, ein vom wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagener Minilockdown Anfang Oktober wäre besser gewesen, doch wer weiß, wie lange ein solcher die Zahlen nach unten gedrückt hätte. Die Welt befindet sich immer noch auf dünnem Eis, es gibt keine einfachen Lösungen und Auf und Ab ist vorprogrammiert.
Keine Reisen mehr, keine privaten Treffen, es sei denn, man teilt sich die Kindererziehung. Schulen bleiben offen. Es gibt keine Gottesdienste mit Publikum mehr, nur Übertragungen aus Kirchen sind gestattet. In Konsequenz der erneuten Stillstand der Glockengeläute.

Wollen wir hoffen, der neue Lockdown nützt. Alles andere wäre auch schlecht.
Auf der positiven Seite gibt es einen neuen Schnelltest (12 Minuten!), der offiziell anderkannt ist und wirklich gut sein soll und in einer großen Drogeriekette zu haben ist. Kleiner Knackpunkt: er kostet stolze 120 Pfund! Für Reisen in Länder, die einen frischen Negativbefund verlangen, ergäbe das Sinn, im Moment dürfte sich mangels Reisemöglichkeiten die Nachfrage jedoch in Grenzen halten.

U wie U-Boot

Ein Seiteneffekt der Herbststürme, die die Küste beuteln, ist die weiterhin milde Temperatur, die auch das Meer am Abkühlen hindert. Nach tagelanger Badepause wegen dieser Stürme ein überraschendes Bild: der Wellengang ist überschaubar. Man steckt halt nicht drin im Meeresgeschehen. Wie die Immunabwehr ist es komplex.

Erst kürzlich lernte ich, Plymouth ist immer noch der größe U-Boot-Hafen Großbritanniens, habe aber noch nie eines gesehen. Vielleicht landen sie eher nachts? Bei einem U-Boot ist die Tageszeit auch schon egal.
Heute nun lief eines vor meinen Augen ein. Musste die Schwimmbrille abnehmen, um meinen Augen trauen zu können. Fantastisch! Ich habe offenbar die Entwicklung verschlafen. Früher – in Filmen – sahen U-Boote anders aus, irgendwie eckiger. Dieses wirkte wie einer dieser rundlichen Belugawale mit einem Turm auf dem Rücken.

Sonntagmorgen ist die lustigste Zeit zum Schwimmen. Dann kommen sie alle: die Einzelnen, die ernsthaft Sportelnden, die Freundespaare, die eine Thermoskanne dabei haben für den wöchentlichen Ratsch post-Wasser und die Gruppen, die mit ein bisschen Hu und Ha und Ju und Ja gut gelaunt in die Wellen tauchen. Mit ihren Schwimmbojen bilden sie kleine neonbunte Schwärme. Das authentische Riviera-Gefühl;-)

Aus-zeit(en)

Diese freundliche Keramikkrabbe ist nicht modern, sondern stammt aus dem 19. Jahrhundert. Zu Victorias Zeiten mochte man das Skurrile.

Vor der Pandemie hätten vielleicht viele Menschen auf die Frage: Was möchten Sie lieber, ein modernes Museum besuchen oder Urlaub auf den Bahamas? geantwortet: Bahamas!!!! Und zwar dringend.

Da das gerade unpraktisch ist, ist eine Auszeit im Museum eine gute zweitbeste Lösung;-)

Jeder Ort hat ein Stadtmuseum, auch Plymouth, allerdings war dieses die vergangenen Jahre über aufgrund von Renovierung, Umbau und Erweiterung geschlossen. Nach der von Mai nach September verschobenen Wiedereröffnung wurde es gleich ein Hit: die zahlenmäßig begrenzten Eintrittskarten (kostenfrei) sind ständig vergriffen. Museum ist wieder hipp, wenn die Optionen weniger werden.

Wobei gesagt werden darf, es ist ein wunderbares Museum geworden. Kunst, Naturgeschichte, Stadtgeschichte, alles vorhanden und auf kesse Art präsentiert. Echte Exponate wechseln sich virtuellen Spielereien ab.

Das Mammut ist ein Nachbau von den Machern der Star Wars Filme.

Endlich

Erstaunlich: diese verzierten Becher sind die mit die ersten echten Porzellankeramiken, die auf britischem Boden und zwar in Plymouth hergestellt wurden.

Der Eröffnung des Museums fieberte ich entgegen, denn ich wusste, es gibt hier ganz besondere Stücke in der Sammlung. Ist Plymouth doch die Stadt, in der ein findiger Apotheker herausfand, dass sich Lehm aus Cornwall zur Herstellung von echtem Porzellan eignet. Seine Werkstatt bestand nur für zwei Jahre, zwischen 1768 und 1770, dann wanderte sie mit einem Mitarbeiter nach Bristol hoch und später kaufte Josiah Wedgwood, der klevere Kaufmann aus Stoke (Mittelengland) die Rechte an der ersten cornischen Porzellanerdegrube. Meißen fing 1710 an zu produzieren. D.h. die sächsische Herstellung hatte einen Vorsprung von fast über 50 Jahren, denn auch Frankreich mit Limoges und Sèvres begannen erst ab 1760, weißes Gold zu produzieren. Die wirtschaftliche Bedeutung war hoch, die europäische Welt hatte einen wahren Heißhunger auf Porzellan. Jeder und jede, die es sich irgendwie leisten konnten, kauften “China” (Tscheina), wie Porzellan noch heute auf Englisch heißt. Auch wenn es nun aus Europa kam.

Das Museum hat einige ausgesucht schöne Stücke dieser frühen britischen Zeit, die zeigen, die Plymouther Werkstätte fing nicht zögerlich mit einfachen Tassen an, sondern stieg sofort bei komplizierter Dekoration ein.

Aus für Infekt

Corona kommt näher. Oder doch nicht? Meine Freude ist groß, als ich eingeladen werde, bei einer dieser Studien teilzunehmen, die die “Durchseuchung” der Gesellschaft ermitteln sollen. Habe ich Antikörper? Mit der Post kommt ein Umschlag mit einem Pickser, einer Katalysatorlösung, einem Pflaster und einem Teststreifen, in dem man sein Blut tropfen lassen soll. Ich gehe ans Werk. Der Pickser tut nicht mal weh, das habe ich aus der Vergangenheit anders in Erinnerung, als bei Blutabnahme an der Fingerbeere mit einer Art Mini Skalpell – aber immer noch groß im Vergleich mit der Fingerkuppe – tief reingehackt wurde. Man hatte das Gefühl, bis auf den Knochen. Dies war anders, das Blut kam in die vorgesehene Öffnung, die Lösung wurde zugefügt, die Flüssgkeit zog sich den eingebauten Teststreifen hoch: och, negativ. Erwartbar, doch wieder nichts mit einem Minischutz. Wie lange ein Schutz anhält, ist zwar unbekannt, aber gefahrloses Training (da man ja nichts bemerkt hat) für das Immunsystem wäre auch gut gewesen.

Auszeit in alter Kirche

Diese ehemalige Kirche gehört mit zum Museum, das die portugiesische Künstlerin Leonor Antunes gebeten hat, den Raum für den Moment zu verändern, für lange Zeit jedoch auch ein Glasfenster zu gestalten.

Das Fenster sieht absichtlich aus wie die Muster auf traditionell gestalteten Buchinnenseiten. Es steht für Entdeckungen und zwar beispielhaft am Werk von Maria Sybilla Merian, die Flora und Fauna Surinams in der neuen Welt zeichnete und diese Bilder zurück nach Europa brachte, wo wir sie noch heute bewundern.