Letzte Ruhe

Nicht für uns, doch unser letztes Gebäude ist die Klosteranlage von Fontevraud, in der ein Männer- und Frauenkloster miteinander existierten, unter der Leitung von Äbtissinnen. Dieses “Experiment” zog viel Missgunst und üble Nachrede auf sich, wegen der Frauenpower natürlich, doch hat 700 Jahre gehalten. Da sollte die experimentale Phase vorbei sein. Erst die Auflösung der Klöster im Zuge der Französischen Revolution machte dem Arrangement ein Ende.

Napoleon baute danach den Komplex zu einem schnell berühmt berüchtigten Gefängnis um und das blieb Fontevraud bis in die 1960er. Von der Inneneinrichtung gibt es nur noch Reste der Malereien, doch die Struktur, das Hohe und Schlichte der Räume ist erlebbar.
Die wichtigste “Bewohnerin” ab 1204 wurde in all den Jahrhunderten nicht verschleppt, sie und drei weitere königliche Sarkophage ruhen noch / wieder in der Kirche. Entworfen wurden sie von dieser Verstorbenen, Eleanor von Aquitanien, die ihre letzten Lebensjahre hier verbrachte. Einer ihrer Ehemänner, Henry II., ihr Lieblingssohn Richard Löwenherz und dessen Frau Isabella von Angouleme liegen bei ihr. Zwei Könige von England. Richard ist der, der in der Robin Hood Geschichte immer gut wegkommt, leider zu Unrecht, ihm fiel auch nichts Besseres als teures Kriegsführen ein, er ist nicht der strahlende Retter.

Eleonore ist eine treibende Kraft ihrer ganzen Epoche gewesen, ein Leben wie im Film, das erst mit 82 Jahren zu Ende ging. Nur Königin von Frankreich konnte sie nicht werden, da Frauen dort fast in fanatischer Weise von der Thronfolge ausgeschlossen waren. Als Begründung diente altes salisches (fränkisches) Recht, das Frauen Grundbesitz untersagte, und die Salbung der Könige, die automatisch damit Kirchenaufgaben übernahmen, fast Priester waren. Da konnte man dem Pakt zwischen Vatikan und Königshäusern nicht dazwischenfunken. Frauen galten bis zu einem Konzil im 16. Jahrhundert nicht einmal als Menschen, geschweige denn als salbbar, sondern als Ding mit Gebärmutter (so die offizielle Definition!), hatten folglich wenig Chancen auf der Leitungsebene. Nicht nur, aber auf jeden Fall in der französischen Welt. Es gibt viele Länder, in denen das immer noch so ist und das ist das eigentlich traurige daran.


Eleonore stellte sich mit Buch dar. Sie wollte tatsächlich ihre Bildung zeigen.
Kreuzgang der Frauen.
Alte Küchengebäude.
Durchfahrt

Jeden Tag Kuckucksrufe, Grillenzirpen und Fröschegeschrei, Schwalben fliegen sehen, einem Käuzchen lauschen und die ersten großen Glockenblumen. Wer sich Zeit nimmt, kann viel erleben.

Auf den letzten Metern vor unserem Zielpunkt Saumur dann noch ein völlig unerwartetes Schmankerl: ein mittelalterlicher Markt in den Fels gehauen (nicht mehr aktiv). Der Radweg führt einfach hindurch, das war eine Überraschung, mitten hinein in die Sehenswürdigkeit.

Später sürzte manches Dach ein, wie ein Karstloch.
Sogar auf zwei Ebenen.

Wir haben auf unseren Wegen wenig Pedelecs gesehen, doch es gibt Infrastruktur. Die Gemeinde mit dem Höhlenmarkt hat z.B. Schließfächer aufgestellt, in denen man seine Batterie einschließt. In den Fächern befinden sich Steckdosen zum Aufladen. Kostet nicht mal was. Clever.

Kein Fazit

Was man in Frankreich tun sollte: Zug fahren. Pünktlich, sauber und Eins A gepflegte Gleisanlagen. Selbst der letzte Bummelzug fährt butterweich über jede Weiche. Mein Test dazu: vor dem Halt, wenn man schon an der Tür steht, ohne sich festzuhalten, stehen. Ich habe eine gute Balance, doch das geht weder in Deutschland noch in den UK so richtig gut. In Frankreich war es kein Problem. Da es ein Angebot gab, eine Strecke für buchstäblich 2 Euro mehr in der Ersten Klasse zu fahren, haben wir auch das ausprobiert – anstatt 4 Sitzen drei in der Reihe, wie ein Sessel, das tut dem Hintern, der vom harten Sattel nicht verwöhnt ist, richtig gut.

Das Land war auch so schön sauber … Frankreich und Deutschland sind ja sehr unterschiedlich, Mentalität, Lebensgefühl, Kultur, schon sehr anders. Aber Müll auf den Straßen? Nein danke. Leider anders in England, da wird öffentlicher Raum von zu wenigen Menschen geschätzt. Wir kennen aber nur die Leute, die den Müll aufheben bzw. erst gar nicht wegwerfen. Viele Leute kümmert es nicht, wenn die Mülltonnen mal wieder vom Wind umgeweht werden. Man könnte sie ja festketten …

Was man nicht machen sollte: sich auf Öffnungszeiten von Geschäften verlassen und auf Restaurants. Das liegt nicht unbedingt nur an einer gallischen laissez-faire Mentalität, wir haben gelernt, dass es auch, wie in England, seit Covid einen Personalmangel in der Gastronomie und Serviceindustrie gibt. Also immer eine Packung Nüsse dabei haben und bei jedem Bäcker auftanken, das Restaurant könnte auch beim besten Willen der Betreibenden geschlossen bleiben! Es ist uns nur einmal passiert, aber genau zum unrechten Zeitpunkt. Unsere Taschen waren gerade leer gefuttert.

Was will man mehr als Wiesen voller Butterblumen?

Komplizierte Verhältnisse

Die vielen Schlösser der Renaissance im Loiretal dienten oft mehr zur Zierde und als Extraresidenz oder als Königssitz in Zeiten, in denen man sich in seinem Kernland sicher fühlen konnte. Jedenfalls vor feindlichen Armeen. In der Festung von Chinon dagegen entschieden sich die Schicksale ganzer Reiche.

Doch zuerst: wir haben es geschafft und etwas nicht Schlössisches besucht.

Höhlenleben

Die weichen Kalksteinfelsen der Region dienen seit langer Zeit den Winzern als Weinlager. Überall sieht man die Tore in die Felswände hinein.

Weingut in Chinon.

Doch diese Tradition des Unterschlupfs geht weiter zurück. Nahe Azay-le-Rideau wurden in den 90ern vergessene Wohnhöhlen wiederentdeckt, die immerhin bis weit ins 19. Jahrhundert eintausend Jahre lang Menschen als Bauernhaus dienten. Leider mussten die Menschen, die bestimmt nicht zu den Reichsten zählten, zusätzlich Schutzhöhlen anlegen, da man immer wieder Verstecke vor z.B. Söldnerhorden benötigte, die jahrhundertelang ihr Unwesen trieben. Wie erfolgreich man damit war, ist nicht bekannt. Ein Besuch in einem etwas anderen Bauernhofmuseum.

Typische Einraumbauernhöhle
Das eigene Getreide wurde verbacken.

Heute ist das Museum ein idyllisches Plätzchen, das den Einfallsreichtum und die Überlebensfähigkeit der Landwirte feiert. Mit Esel, Schwein und grauen Tourrainehasen (lokale Rasse). Und natürlich Gänsen.

Chinon

Auch in den Stein gehauen ist die Festung von Chinon, einem lieblichen Städtchen am Ufer der Vienne, eines Loirezuflusses. Die Gewerbegebiete liegen über der Talanhöhe, auf deren Kante die Festung von Chinon thront, im Flusstal die Innenstadt. Die Vienne fließt still vor sich hin, doch an dem Wintertreibholz an den Brückenpfeilern kann man sehen, wie reißend sie werden kann. Ganze Baumstämme haben sich verkeilt.

Ufer der Vienne
Chinon

Die heutige Festung rührt aus dem 10. Jahrhundert und wurde auf römischen Vorgängeranlagen errichtet. Im 11. Jahrhundert war sie Teil der englischen Besitzungen auf französischem Boden. Das waren alles sehr komplizierte Verhältnisse. Die Normannen hatten England erobert, aber ihr Geschlecht starb bald aus. Durch Heirat waren sie längst mit anderen Herrschergeschlechtern des heutigen Frankreich verwandt. So entstand die Situation, dass Johann Ohneland, der jüngste Sohn, deshalb ohne Land, durch Tod seines Bruders Richard Löwenherz nun doch Land hatte und zwar als König von England souverän, als Herrscher von Aquitanien als Vasall des französischen Königs so halb souverän. Johann Ohneland ist der, der in der Robin Hood Geschichte immer so schlecht wegkommt und nicht zu Unrecht. Er schaffte es, es sich mit allen zu verderben ( das ist die Kurzversion ) und verlor 1205 nach monatelanger und erfolgreicher Belagerung Chinons durch den französischen König, der direkt König nur um die Pariser Gegend war, letztendlich alle Besitzungen auf dem Kontinent. Damit war die Doppelbeherrschung Englands und Frankreichs durch ein Haus praktisch gestorben, auch wenn noch jahrhundertelang, z.B. im 100jährigen Krieg, zwischen Adelshäusern dies- und jenseits des Kanals gekämpft wurde.

Burg von der Altstadt aus gesehen.

John Ohneland wird in England auch der schlechte König genannt ( bad John ) und alsbald gezwungen, die Magna Carta zu unterschreiben, die er zwar nicht einhalten wollte, doch die wie ein Schwelbrand weitreichende Folgen für die gesellschaftliche Entwicklung Englands haben sollte.

Im 15. Jahrhundert traf Johanna von Orléans in Chinon auf Karl den VII. und überzeugte ihn, ihr die Heeresführung anzuvertrauen.

Man weiß auch, wo sie bei ihrem Aufenthalt gewohnt hat und kann hinein. Heute sind alle erhaltenen Räume kahl, doch mit Hilfe eines Tablets, das man am Eingang erhält, kann man, im Raum stehend, jeden auch möbliert und bewohnt erleben. Für einen Eindruck ist so eine virtuelle Realität gar nicht schlecht.

Einer der Wehrtürme. Man kann in alle Türme hinein. Geschätzte Zahl aller erklommenen Stufen: 250 einfach.

Blick auf das Tal.

In Chinon wurden auch wichtige Tempelritter eingekerkert. Der Papst wollte eine Wiedereingliederung in die Kirche, doch der französische König, der die Verfolgung aus Gewinnsucht quasi angefangen hatte, wollte ihre Schätze und Ländereien doch lieber behalten und ließ sie hinrichten. Johann Ohneland war nicht der einzige schlechte König, die Liste ist endlos.

Tour nach Tours

Ich weiß, was für ein schlechter Titel, doch was für eine schöne Stadt. Wir erreichen sie direkt entlang der Loire, wo die mittlere Brücke Leuten zu Fuß oder mit dem Rad vorbehalten ist. Wir finden auch gleich ein Radgeschäft, das ein Problem mit dem Mechanismus von Ks Lenkerwinkeleinstellung behebt und uns erklärt, wie das System zusammenhängt. Es scheint zu sein, dass noch nie jemand den Lenker verstellen wollte, denn eine Verbindung ist falsch zusammengefügt, wir hatten keine Chance, das stabil hinzubekommen.

Dann noch das Hotel mit Schwimmbad gefunden, dieses Mal sogar ein 4 Sterne, läuft gut für Tours.

Hotelfoyer
Wunderschöne Kathedrale.

Ein Abend in der freundlichen Altstadt und am Hauptplatz in einer Brasserie (Brauhaus) und auf den nächsten Tag, den 1. Maifeiertag, gewartet. Und richtig, hier wird der ernst genommen. Bestimmt über 1000 Menschen demonstrieren auf dem großen Boulevard, dies ist nur der Kopf der Bauernverbände, Gewerkschaften und anderer gesellschaftlicher Gruppen:

Über diesen Boulevard links verlassen wir auch die Stadt. Die Bus- und Radspur befindet sich auf der Mitte der Fahrbahn, die Autos fahren am Rand. Ein ganz ungewohntes Gefühl und fast unheimlich, dass man mal ernst genommen wird.

Den ganzen Tag bekommt man übrigens Maiglöckchenbüschel angeboten, das scheint typisch zu sein. Ist aber unpraktisch für uns. So radeln wir wieder mal im Sonnenschein, unverschämtes Glück mit dem Wetter, durch Naherholungsgebiete mit fitten Französ:innen ( schwimmen, joggen, Freiluftfitnessparcours, Golf ) an Loire und Cher entlang, lauschen den Kuckucken, sehen einen Buntspecht und verpassen fast aus Übersättigung eine nächste Sehenswürdigkeit, die seit 110 Jahren wiedererstandenen Renaissancegärten von Schloss Villandry.

Ein grünes Wunder

Das wäre wirklich schade gewesen. Alleine das Schattenspiel der gerade austreibenden Bäume ist sehenswert.

Blick mit Dorfkirche

Die Anlage besteht aus Etagen und einer Mischung aus Flaniermeilen, Zierbeeten mit z.B. Buchs in Herzformen und Nutzgärten, wo in Buxpaneele farbkoordiniert und mit Fruchtwechsel Salate und Gemüse angebaut werden. Im Ergebnis sind die Gemüsebeete genauso schön wie die Zierbereiche. 52 km lang wären alle Buxsträucher, wenn man sie nebeneinander reihen würde. Beachtlich.

Schloss, Land, Fluss

Schloss Chenonceau mit Katharina von Medici Garten
Diese bekannte Ansicht kann man ganz umsonst vom Radweg aus haben.

Schloss Chenonceau in der Gemeinde Chenonceaux, das unsere englisch sprechende Appstimme Eric zur großen Erheiterung Tschennensoak ausspricht ( franz. beide Namen identisch ungefähr Schönosó ausgesprochen ) erstand am Standort einer Mühle über den Cher, einem Nebenfluss der Loire. Die vorhandene Holzbrücke wurde später in eine Steinbrücke mit doppelter Galerie verwandelt, die einem reichen Partyleben dienten, während in anderen Räumen ein riesiges Land regiert wurde. Von Menschen wie Katherina von Medici, die niemand als Regentin für dreier ihrer Söhne auf dem Schirm hatte, sonst hätte man die Kaufmannstochter aus Italien nie mit dem jüngeren Bruder des Königs verheiratet. Dieser verstarb unerwartet und schon war sie Königin, nach einem schon vorher absurden Achterbahnleben als Spielball der Allianzen.

Eigentlich erstaunlich, die Menschen wussten, dass ihre Lebenserwartung gering war, jeder Husten tödlich sein konnte, und doch planten sie, als könnten sie alles im Griff haben. Sie sind uns damit doch nahe, selbst in ihrer unpraktischen Kleidung und mit ihren strengen Mienen.

Blick vom Schloss auf den Cher.

Es gibt große Schlösser, kleine Schlösser, gedrungene und feine Schlösser, Weingutanlagen und Sommerresidenzen, und alle könnten nirgendwo stehen als in Frankreich. Natürlich macht unser Tourplan auch andere Vorschläge, Weinproben -mit dem Rad ein bisschen kritisch – Pilzzüchtereien, Mühlen, Museen gibt es auch ( Wetter zu gut ), aber ein Schloss lockt halt doch und so bleiben sie unser Schwerpunkt. Neben km langen Fahrten durch Weinberge, Jagdwälder und an Flüssen entlang. Es gibt Orchideen in den naturbelassenen Wiesen und gepflanzte Iris an den Hecken, Hasen im Feld und einen eingezäunten Poitieresel. Das sind diese Riesenesel, die es mal im Münchener Zoo gab. Schlecht gelaunt, aber machen was her. Toll, so etwas in einem Dorf zu sehen. Am schönsten ist es, durch die Natur zu radeln, bei einer Bäckerei einen Eclair zu essen und den zahlreichen Kuckucken zu lauschen. Bis zum nächsten Schloss.

Ab dem 14. Jahrhundert im 100jährigen Krieg als Verteidigung gegen England errichtet, wurde das Loiretal schlossreich und Zentrum der Macht und höfischen Lebens der Renaissance. Auch nachdem die Regierung wieder nach Paris gezogen war, blieb man der Gegend für Jagd und Sommerfrische treu. Es sind etwa 220 km bis Paris, auch in alten Zeiten keine zu große Entfernung. Wie die Menschen früher eine Vorstellung ihres Anspruchsgebiet oder ihres Landes hatten, ist schwer nachzuvollziehen. Aber es hat seit Jahrtausenden gut funktioniert. Ab einem gewissen Organisationsgrad einer Gesellschaft kann man sich verwalten. Arbeitsteilung, Infrastruktur über Wasserwege, die See und einige Straßen, ausreichend ( oder auch nicht) Kommunikation. Und Armeen, denn Nachbarn waren grundsätzlich unfreundlich.

Iris werden überall gepflanzt, wie die Märzenbecher an Englands Straßen.
Sumpfknabenkraut ( Anacamptris )
Platanen und belgisches Bier

Endlich gibt es überall Platanenalleen, etwas was man vielleicht mehr mit Südfrankreich verbindet. Gastronomisch herrscht viel der Norden, belgische Biere sind an der Tagesordnung, die regionale Küche scheint herzhaft nördlich zu sein, weniger schon mediterran. Regionalen Wein muss man, denke ich, nicht extra erwähnen, in Frankreich wächst an jeder Ecke das eine oder andere Fläschchen heran.

Die erste Fotowand

Beauregard liegt am Weg zwischen Cour-Cheverny und Mosnes – für die Conoisseur:innen der Gegend – ein wenig einsam und nicht der ganz große Magnet der Gruppenreisenden. Doch zu Unrecht, der Garten und die 300 Jahre alte “Fototapete” der Herrschenden sind charmant und ein Traum. Malschüler haben seinerzeit im Auftrag der Eigentümer bekannte Porträts kopiert und diese wurden in einer Galerie zusammengestellt. Lapislazuli-Farb-Malereien an die Decke und Delfter Kacheln mit einer Armee auf den Boden verlegen und fertig ist eine Galerie der frühen Neuzeit. Diese Art von Raumgestaltung soll nicht unüblich gewesen sein, die meisten Galerien sind jedoch nicht mehr erhalten.

Chateau Beauregard

Nach drei Tagen Reise sind wir so voll der Eindrücke, wir wundern uns, dass noch einige Tage vor uns liegen und der Urlaub noch nicht vorbei ist. Visuelle Überladung. Aber bald packen wir Amboise an, wo Leonardo da Vinci die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte. Man lernt nie aus, vielleicht sollte man mal ein Buch über ihn lesen. Seine Zeit ist mir entrückter als manche andere, die Römer z.B. kommen mir wie alte Kumpels vor. Man stolpert ja auch überall über ihre Reste. Das Wohnschloss, das da Vinci zur Verfügung gestellt wurde, und der Garten sind wirklich interessant. Im Garten finden sich Modelle seiner Erfindungen oder Weiterentwicklungen von Erfindungen anderer Leute, oder seine Brücken, die er für alle Gelegenheiten entworfen hat, alles sehr lehrreich. In einer Art Renaissancecafé schmeckt dann der gewürzte Wein nach altem Rezept, eine Art kühler Glühwein, um das alles zu verdauen.

Amboise ist ganz schön rummelig. Es gibt auch drei Schlösser dort, die zum Betreten einladen. Die beiden anderen sparen wir uns aber. Die Loire derweil, die fließt unbekümmert dahin.

Verdächtig prächtig

Wir radeln durch das helle Frühlingsgrün. Das Laub im Wald leuchtet mit den Rapsfeldern um die Wette. Inmitten der Landschaft stehen Schlösser. Manche recht gut besucht, manche schön ruhig.

Der erste Höhepunkt hinter Blois ist Chambord. Es wurde als Jagdschloss errichtet, für wenige Wochen im Jahr nur, in einem Sumpf, der im Sommer mückengeplagt war und im Winter fies kalt. Aber egal, Hauptsache, man sah gut aus dabei. So alle 100 Jahre wurde umgebaut, neu möbliert oder renoviert. Im Zuge der Gemütlichmachung wurde auch der Sumpf trocken gelegt.

Wenn man diese Pracht sieht, wundert man sich weniger, warum die französische Revolution so überhand nahm. Der Kontrast zwischen denen, die dachten, ihnen stünde alles zu, und den vielen anderen ist hier noch mehr auf die Spitze getrieben als in den UK. Von Deutschland ganz zu schweigen. Es ist obszön, dieses Anspruchsdenken. Die Zurschaustellung der Macht wirkt leicht paranoid, als hätte man seinem Glück doch nicht so recht getraut. Ich verstehe alle, die fleißig mit dem Giftfläschchen unterwegs waren, um ein Stück des kleinen Kuchen abzukriegen. Hat aber Hunderte von Jahren funktioniert, kurze Zäsur der Revolution und schon ging’s weiter. Bis 2010 wurden hier noch, wie in anderen Schlössern Frankreichs, präsidentiale repräsentative Jagden abgehalten. Pompidou hat Dutzende Wildschweine mit Jagdfreunden aus aller Welt im Dienst der Republik erlegt. Erst Sarkozy hat diesen Pomp, zugleich mit anderen Privilegien, als unzeitgemäß abgeschafft. Jetzt geht es ja vielen, darunter auch uns, viel besser, und das ist die richtige Richtung. Packen wir das Gift wieder ein.

Große Wendeltreppe
Blick vom 2. Stock
Das ist auf dem Dach. Wie Klein-Venedig. Schon toll.
Das Schloss ist längst unmöbliert. Aber die Decken sind noch da mit dem Salamander von Franz I. Salamander galten als feuerfest = unzerstörbar. Biologisch ist das übrigens eine Fehlbeobachtung.
Fernsehaufnahmen von Pompidous Jagd.
Wie Gott in Frankreich

Ich esse Sachen wie kleingehackte Gans und Gänseklein? und warme geschmorte Radieschen. Unbekannte Worte. Wir sind ja nicht hergekommen, um nichts Neues zu erleben. Schmeckt auch.

Jedes Frühstück besser als das vorige.

Hier wird angepriesen, es gebe ein Frühstücksbuffet süß und pikant. Fabelhaft! Man hat keine Angst vor Süßem.
Hier gab es 4 Nuss/Pistazien/Bitterkakaoaufstriche. Paradisische Zustände in 3 Sterne Hotels.

Doch Natur ist am besten. Mit unseren Leihrädern zuckeln wir von vorgebuchter Unterkunft zur nächsten. Unsere Radanbieterin hat uns Routenkarten, eine ausgedruckte Wegbeschreibung und eine App mit gps Verfolgung zur Verfügung gestellt. Die App spricht mit uns an Wegkreuzungen. Eine männliche Stimme, wir nennen sie Eric, ein internationaler Name. Sobald wir vom Weg abweichen, sagt er uns das. Und wieder. Und wieder. Ein treuer Kamerad. Sehr praktisch.

Booster genügt

Der Englandblog hat gerade eine gewisse Auslandslastigkeit. Zuerst die Post-Coronaflügel nach Spanien ausgestreckt, dann der andauernde Alptraum Ukrainekrieg, der den Blick auf den Osten lenkt. Und für dessen Unterstützung ich mich mit meinem Chor heiser gesungen habe, krank wurde ich durch den zugigen Singort auch, doch kein Corona. Nun wieder raus aus England. Dieses Mal versuchen wir Frankreich. In den UK ist sowieso nicht viel los, Johnson hat einen Lockdownbruchskandal (Parties in Downing Street) nach dem anderen an der Backe, weigert sich aber, zurückzutreten, und seine Reaktion auf die Energiekrise, die es schon vor dem Krieg gab, lautet: in 30 Jahren haben wir schöne neue Atomkraftwerke für euch fertig, meine lieben Fans, bis dahin ist es halt besser, reich zu sein. Also der übliche Wahnsinn.

Mal sehen, wie ein zwischen Mitte und extrem rechts gespaltenes Frankreich aussieht. Bis vor kurzem musste man bei der Einreise aus den UK eine so genannte Ehrenerklärung unterzeichnen, man habe in den letzten 2 Wochen weder Symptome gehabt noch Kontakt mit Infizierten. Bei Inzidenzen von bis zu jede 13. Person hat irgendwie Corona kann man das nicht versprechen. Aber nun fiel das weg, man musste nicht lügen und brauchte nur den Booster nachzuweisen. Nach 2 Jahren Zwangspause benutzen wir unsere Coronafährgutscheine und schiffen auf der Armorique ein. Die gehört zu Brittany Ferries, nicht zu P&O Ferries, die kürzlich alle ihre Leute entlassen haben, um sie mit Billigpersonal zu ersetzen. Ein Schritt, der sogar nach den lockeren brit. Arbeitsgesetzen illegal war, aber sie sind bereit, die Strafe zu zahlen, Hauptsache, das Eignerkonsortium ist zufrieden. Das empört sogar die Kapitalist:innen bis auf Regierungsebene und wir würden mit P&O jetzt nicht fahren. Brittany Ferries bringt uns über Nacht in der Kabine mit Stockbett ruhig nach Roscoff. Ein bisschen Zug-Liegewagen Nostalgie kommt durch das Stockbett auf. Die Liegewagen waren jedoch immer gefühlt leicht siffig. Auf dem Schiff ist es wie immer wie geleckt, Seeleute verstehen auf der Welt am besten, wie man sauber macht. Finde ich.

Mit Bus und Zug geht es nach Blois. Dazu wird über Paris Montparnasse gefahren. Ein Riesenumweg, und Montparnasse ist nicht der schönste Bahnhof, aber so laufen eben die Gleise.

Aus Sicherheitsgründen haben wir Zeit eingeplant, so sind wir nach 24 Stunden am Ziel. Knapper getaktet, ginge es in 20 Stunden. Die Wartezeiten ermöglichen es uns, in der Bretagne ein erstes Croissant zu uns zu nehmen. Bin kein Croissantfan, doch vom guten Bäcker ist es doch was ganz anderes.

Morlaix, der spektakuläre Eisenbahnviadukt.
Morlaix, Bretagne
die Loire bei Blois.
Eier zum Selberkochen beim Frühstück.

Mallorca – Land

Zum Abschluss des Abschlusses noch was Schönes.

La Foradada. Wanderung zum Nadelöhrfelsen zwischen Deía und Banyalbufar.
Jedem Olivenbaum sieht man an, dass er gelebt hat.
Am Cami de Coanegra, bei Santa Maria di Camí, im Inland, gibt es stolze Bauernhöfe mit entsprechenden Außenanlagen.
… und eine schöne Schlucht.
Die allerersten Mandelbäume zeigen ihre Blüten.
Exotische Gartenpflanze: die Hawaiianische Lilie oder der Goldene Wein, ein Nachtschattengewächs

Mallorca – Stadt

Ein paar letzte Fitzelchen Eindrücke aus der bemerkenswerten Stadt.

Viele Geschäfte haben Krippen in ihren Schaufenstern aufgebaut. Diese hier ist nach italienischer Art wie ein Ausschnitt aus dem richtigen Leben gestaltet. Sie beinhaltet moderne Botschaften. Die Schilder, die einige Figuren tragen, werben für den Erwerb lokaler Produkte und die Bewahrung des Planeten.
Die immer runden Scherenschnitte gehören auch zu einer guten Mallorquinischen Weihnachtsdeko.

Die Bucht von Palma ist groß, anders kann man das nicht sagen. Sie liegt nach Süden zu offen. Ungefähr in der Mitte befindet sich seit Römerzeiten (mindestens) eine Siedlung. Östlich davon liegen Badestrände, die im Kern in Balnearios – Badebereiche eingeteilt sind. Es gibt 15 davon. Aus Balneario 6 wurde auf Deutsch Ballermann 6, der besonders für seine Saufgelage und ausufernden Feiern berüchtigt wurde. Das besonders schlechte Benehmen ist bereits seit 20, 30 Jahren eingeschränkt und zivilisierter und findet mehr in Clubs statt. Der Ruf hängt der Strandkneipe trotzdem nach.
Auch heute hört man am Reden auf der Straße, es gibt besonders viele deutsche Urlaubende. Es gibt auch Currywurst. K. konnte nicht widerstehen und hat eine gegessen und sie war wohl nicht schlecht.

Auf der anderen, der westlichen Seite der Bucht von Palma liegen Orte wie Magaluf. Dort liegen berüchtigte britische Partymeilen, analog des Ballermanns.

Der Hafen von Palma mit der Kathedrale im Hintergrund.

Und der Hafen am frühen Morgen bei Nebel.

Best of Mallorca 4

Palma

Palma de Mallorca hat über 400.000 Einwohnende, das ist eine Menge für eine Insel, die nur eine knappe Million zählt. Größte Gruppe der Ausländischen mit Residenz sind tatsächlich die Deutschen mit über 30.000. Das dürften Rentner:innen und Geschäftsleute sein. Man sieht allüberall deutsche Makler:innen, Galerien, natürlich Restaurants an den touristischen Stränden, es gibt von deutschen geführte Bauernhöfe (Fincas). Insgesamt ist der Ausländer:innenanteil aber viel höher, über 20%. Das dürften Dutzende von Nationen sein, u. a. Brit:innen und Argentinier:innen.

Flusspark zum Hafen hin
Burg Bellver über Palma. Man sieht das Durchblicksfenster allüberall von der Stadt aus und im Gegenzug von der Festung gibt es einen tollen Blick über die Stadt.
Die Kathedrale

Die Kathedrale wird allenthalben zum Besuch empfohlen und natürlich wollen wir sie sehen. Da sie nur wenige Stunden am Tag geöffnet ist, dauert es ein Weilchen, bis wir dazu kommen. Es ist ein sehr blockhaftes Gebäude aus hellem Kalkstein, das wie ein gestrandetes Containerschiff am Ufer liegt. Oder es schwebt über den Wellen, jedenfalls lädt der Bau zu Vergleichen ein.

Die Girlanden sind Teil der Weihnachtsdekoration, findet sich auch in anderen Kirchen. Die Rosette soll die größte in einer gotischen Kirche sein.

Wenn man die Schatzkammer mit unglaublich großen und kunstvollen Gerätschaften und Monstranzen aus Gold und Silber durchlaufen hat (kein Hinweis darauf, ob das geraubtes Gold aus Südamerika ist, könnte man ja machen und ist wahrscheinlich), gelangt man in den Innenraum der Kathedrale. Was soll man sagen? Ich habe mehr Tausende als Hunderte Gotteshäuser gesehen. Von einem einfachen Raum, der als Gemeinde dient, irgendwo in der Vorstadt, bis zum Kölner Dom oder der Peterskirche. Barocke Kirchen sind mir wohlbekannt, genauso wie Kirchen von koptischen, griechisch-orthodoxen, lutheranischen, armenischen, anglikanischen Christ:innen, um nur einige zu nennen. Kirchen aus dem vierten Jahrhundert genauso wie Kirchen von 1960. Die Kathedrale von Palma fügt in dieses Mosaik wieder ein sehr eigenes Steinchen ein.

Und das nicht nur, weil Gaudí dort einen Seitenaltar gestaltet, sehr schöne Kronleuchter angebracht hat und (laut Beschreibung) verschiedene Möbel wie Chorgestühle umgeräumt hat. Und er hat, für die Zeit mehr als fortschrittlich, den Altar näher zum Volk gerückt.