Bevor es Scherben gibt …

sind Keramiken gewissermaßen Einstückscherben, die man Teller, Krüge, Figuren oder Abflussrohre nennt. Großbritannien blickt, wie schön öfters berichtet, auf eine umfangreiche Tongeschichte zurück. Hier soll es um ein paar internationale Stücke aus meiner Sammlung, äh, meinem Geschirrschrank, gehen.

Tonerden sind dieser ganz besondere Stoff, weich und hart, wasserdicht wenn glasiert, mit fast unendlichen Formmöglichkeiten. Nur wenn das gebrannte Erzeugnis runterfällt, dann ist es kaputt.

Ein Miniabriss zur Geschichte

Seit Zehntausenden von Jahren werden Keramiken von Menschen hergestellt.

Die UK haben, wie der Rest der Welt, neidisch nach China geschaut, denn von dort kam das feine Porzellan, ein sorgsam gehütetes Geheimnis, das dem Land der Mitte einen Riesenumsatz bescherte. In Deutschland, genauer gesagt, im damaligen Königreich Sachsen, wurde das Porzellan 1708 nochmals „entdeckt“, und hat sich von dort weiterverbreitet, das fernöstliche Monopol war gebrochen. Deutschland, Frankreich, die Niederlande etc. brannten die neue Technologie, was das Zeug hielt. Meist natürlich für gehobene Schichten, denn die Produkte waren sehr teuer. Für das normale Volk gab es weiterhin Steingut und andere Keramiken, doch auch für dieses kamen frische Farben, neue Dekors und Formen dazu.

Ein gewisser Josiah Spode hat im England zu Ende des 18. Jahrhunderts das Knochenporzellan erfunden, bei dem ein hoher Prozentsatz Knochenasche dem Kaolin und den anderen Keramikzutaten beigemischt wird. Da Porzellan auf Englisch China heißt (gesprochen Tschaina), heißt das Knochenporzellan Bone China. Die Firma Spode gibt es bis zum heutigen Tag, sie stellen Gebrauchskeramik her. Überhaupt, Gebrauchskeramik, das UK übernahm schnell die Rolle des neuen Weltlieferanten und Erneuerers.

Die beginnende Industrialisierung benötigte neue Werkstoffe, Firmen, die heute für feine Suppenteller bekannt sind, machten ihr Geld z.B. mit x-tausenden von Meilen an Tonrohren, die für Abflusssysteme, später für Kabel gebraucht wurden. Das saarländische Villeroy und Boch lebt heute noch großteils von der sehr wichtigen Sanitärkeramiksparte.

Die Brennindustrie war extrem bedeutend im Königreich, bis zu dem Punkt, dass die ersten der vielen Kanäle, die Cheshire im Osten durchziehen, vor allem auch für die Töpfereien gebaut wurden. Der Transport auf Lasttieren mit mit Stroh gefütterten Körben war derart ineffektiv mit Bruchraten bis zu 90%, dass es sich lohnte, für diesen wichtigen Wirtschaftszweig die Schaufel in die Hand zu nehmen. Oder 100 Schaufeln. Oder 100.000. Alle in Handarbeit gegraben. Die Kanäle, auf denen man heute gemütlich im Urlaub schippern kann, dienten also nicht nur dem Schüttguttransport.

Zur Vorbereitung

Tonstücke sind oft praktisch und auch schön, es ist ein Material, das die Kreativität herausfordert und Geschmäckern unterliegt. Wenn man ein besonderes Stück besitzt, weiß man oft auch, welche Ausrede man beim Kauf hatte. Meist die, dass das betreffende Stück nicht nur schön, sondern auch nützlich ist. In Kürze weiß man, welche Geschichte dahinter steckt.

Es heißt, man brauche so eine Lichtbox, damit man anständig fotografieren kann. Also habe ich mir aus einem Karton und einem Molltontuch geschwind eine als Hintergrund gebastelt, um ein bisschen zu knipsen. Hochprofessionell, das alles!

Die Milch ist schuld!

Unsere Milch wird leicht schlecht, schon vor dem Verfallsdatum, doch bessere Qualität ist bei unserem Kramer nicht zu kriegen. Wir glauben, wenn kleinere Reste aus der Plastikflasche herauskommen, halten sie im Kühlschrank länger. Am besten in einem handlichen Krügerl.

Seit über 30 Jahren besitze ich dieses kleine Ziegenmilchkännchen (rechts vorne) aus der Schweiz. Fast der Rest eines kleinen Services, den mir meine Schwester geschenkt hatte. Das Kännchen wurde selten benutzt, bis wir in das UK kamen, deshalb habe ich es noch nicht zerdöppert.

Vor kurzem kam das Tittmoninger* Stücke dazu, links im Bild, gekreuztes Muster auf Grau, da für größere Milchreste die Ziegen zu klein sind. Mit dem rechten Krug unbekannter Herkunft eine Spende aus der Krugmenge meiner Mutter.
*Erna Leitner hieß die Töpferin, die 1959 die Töpferei des dann verstorbenen Karl Hentschel übernahm und in ähnlichem Stil weiterführte. Beide Krüge werden benutzt, doch für die Milch hat das eine Krüglein eine zu weite Öffnung, das andere ist zu eng, zu unpraktisch zum spülen jede Woche. Mehr ein Sirupkrug.
Auf dem Töpfermarkt in Traunstein 2017 habe ich dann den dunkelblauen Krug mit der lebendig wirkenden Glasur entdeckt und gekauft. Größe, Form: Der ideale Milchkrug.

Was mir dabei auffiel: ohne es zu planen, besitze ich nun eine Sammlung von blauen Krügen!

Doch halt, wer kommt da daher, dieser Krug ist nicht blau, der ist bräunlich, mit Stich ins Grüne. Der ist ein Geschenk fürs Katzen- und Hühnerhüten in der Gärtnerei und kommt aus Cornwall. Aus einer berühmten Töpferei mit Namen Leach. Bernard Leach war ein Produkt des Weltreiches. Aufgewachsen in Hongkong, Japan, China und England, studierte er Kunst und fing an sich mit Japan zu beschäftigen, lebte und arbeitete in Japan und Peking und gründete später eine Töpferei in St. Ives, Cornwall, die es heute noch gibt. Er hat japanische und englische Töpferei maßgeblich befruchtet. Der Krug ist von einer norddeutschen, dort arbeitenden Töpferin hergestellt worden.

Marke der Leach Pottery (Töpferei)

Der Krug steht auf einem einfachen bayrischen Teller, auch vom Töpfermarkt in Traunstein. Der musste her, denn die großen englischen Toastscheiben lappen immer über den Rand eines normalen Kuchentellers, vor allem, wenn man zwei davon isst. Er hat eine Größe zwischen Kuchen- und flachem Teller. Eine harmonische Wirkung, obwohl die betroffenen Töpfereien insgesamt sehr unterschiedliche Stile aufweisen.

Die Wedgwood Verbindung

Seit meinem Besuch des Wedgwood Museums esse ich meine Nudeln aus einem modernen Teller aus dem dortigen Fabrikverkauf. Kürzlich war ich nun in einem riesigen (6 Hallen) Antikcenter. Antikcenter sind Plätze, an denen Handelnde einen abgetrennten Bereich in einem Geschäft mieten können. Man findet dort, da im Land nichts weggeworfen wird (die Müllhalden sprechen eine andere Sprache, doch das ist die Moderne), alles von der wertvollen Antiquität bis zu Sammelndenstücke oder modernes Dekor. Ich schaue immer nach Keramik, das zieht mich an.
Ich finde einen Kuchenteller, der mir gefällt, schaue darunter: ah, Wedgwood, der wäre eine Möglichkeit. Einige Stände weiter stapelt sich fast ein Service. Ich hebe einen Teller hoch: schon wieder Wedgwood. Ich kombiniere: Scheint mein Geschmack zu sein. Ich kaufe für kleines Geld das Einzelstück und einen Teller des anderen Services. Ab jetzt wird mein eigenes Brot (kleinere Brotscheiben als englischer Toast) stilvoll verzehrt!

Das graue Motiv heißt Cornucopia und wird heute noch hergestellt. Ein Teller dieser Größe kostet neu 30 Pfund, ich habe 6 bezahlt. Zweiter Hand oder Zweite Wahl: egal, macht Freude. Das gold-petrolfarbene Teil ist aus der nicht mehr verfügbaren Serie Agincourt. Ob das englischer Humor ist, weiß ich nicht, die Geschichte ist nämlich Folgende: vor Agincourt haben die englischen Franzosen (Willi der Eroberer war schließlich Franzose und er hat die Geschichte der Insel entscheidend durcheinandergewirbelt, also sind es zu dem Zeitpunkt Halbfranzosen) 1415 die französischen Franzosen geschlagen. Eine Schlacht des 100jährigen Krieges. Man will es sich gar nicht vorstellen. Der Name des Porzellans soll wohl nur auf den schicken französischen Stil aufmerksam machen. Preis: 7 Pfund.

Es muss nicht immer kostbar sein

Dieses Trio gab es for 2,50 Pfund in einem Wohltätigkeitsladen: Modern, Massenware, wen kümmert’s, sie sind hübsch und vielseitig einsetzbar.

Original und Fälschung

Diese beiden Schüsseln sind identisch in Form, Gewicht und Größe, doch eines ist eine echte Portmeirion Schüssel (1962 gegründete Töpferei), die andere, aus einem anderen Antikcenter, trägt den Stempel Porthmeirion, Wales. Man beachte das h nach dem t in Porth. Also ein Imitat, eine Fälschung? Das Internet schweigt sich dazu aus, dabei ist es sonst so geschwätzig. Faszinierend. Ich mag beide, das elegantere Portmeirion und das wie eine frühe Version wirkende Beispiel in den blassen Farben.

Die unterschiedlichen Marken

Zum guten Schluss

Vom Erhabenen zum Komischen: dies ist Klaus’ Tasse. Beim Schranktür öffnen muss man dem „Oink“ einfach zulächeln.