Der große Umzug

260 Meilen südwestlich von Tattenhall liegt die Hafenstadt Plymouth. Anderes Klima, andere Mentalität und Tidenhub haben sie hier auch.

Es gibt eine Bucht (Bay) von Plymouth, doch das ist das Plymouth in Amerika. Die geologische Formation in unserer neuen Heimat heißt Sound (Sund, Meerenge). Das ist eher technisch, für die Laiin sieht es wirklich wie eine Bucht aus:

Blick aus dem Stadtzentrum hinaus auf den Ärmelkanal.


Ein paar Notizen aus der Umzugszeit

Dankbar für

– sechs Jahre Tattenhall. Wir haben die Fremde gewagt, versucht, die Gemeinsamkeiten zu finden und die kulturellen Unterschiede entweder zu verstehen oder wenigstens zu tolerieren. Wir durften viel lernen. Und viele Menschen kennen lernen, einige näher, im Laufe der Zeit sind Freundschaften entstanden. Das hat sich im Abschied gezeigt (schnüff).

Harte Schule

– die „Geeignetheitsprüfung“ als Mietende in Plymouth. Finanzen, Vermieterreferenzen, richtig viel Papierzeugs, man springt durch brennende Reifen. Unschön.

Schaum

– geschlagen: um das Haus in gutem Zustand zurückzulassen, leihe ich von einer Chorfreundin einen Staubsauger aus, der auch Lumas aufblasen kann und Teppiche shamponieren. Ich glaube ernsthaft, ich habe auch ein Zusatzteil gesehen, mit dem man was für die Haare machen kann.
Die Luma für die letzte Nacht im alten Haus habe ich mit der Fußpumpe aufgepumpt, doch die Teppiche wurden mit dem Multi-Monster gereinigt und das geht so: Der Sauger ist ein Stabsauger, so ein senkrechter, den man nicht hinter sich herzieht, sondern der kompakt vom Boden aufragt mit sichtbarem Staubsack. Den Staubsack abbauen und durch Wasserkanister mit Spezialspüli ersetzen. Saugbürste durch eine Art Tablett mit Unterbürste ersetzen, das mit dem Kanister mittels eines Schlauchs verbunden wird. Die nötigen Handgriffe wurden in einer Bildanleitung erklärt. Irgendwann habe ich es auch kapiert und angewandt.

Den Boden vorher gründlich auf normale Art absaugen. Dann das Gerät anschalten und – gut, dass ich vorgewarnt wurde – alles voller Schaum, sofort, wie eines dieser alten Schaumbäder. Beim Bewegen des Saugers zieht man eine breite Spur des Schaumes hinter sich her. Phantastisch und sehr ungewohnt. Wer meint, der Teppich sei nun triefend nass, irrt, nur leicht feucht ist er. Den Schaum kann man nun noch einbürsten und etwas später absaugen. Ein frischer? Duft schwebt über den Fasern, ein Gefühl der Reinheit und Gepflegtheit stellt sich ein.

Leider kein Wundermittel, Möbelabdrücke, wirkliche Flecken etc. bleiben meist bestehen, doch man hat das gute Gefühl, etwas geschafft zu haben.

Stolz auf

– um die 15 Umzugskisten weniger als vor sechs Jahren. Bevor die Korken knallen: es waren immer noch um die 100, nicht gerade wenig. Was nimmt den meisten Platz ein? Kultur – Bücher, viel Geschirr, Schachspielsammlung.

Modern

– geworden: um alle und jede in deren jeweiligen bevorzugten Modus erreichen zu können, wurde ein gebrauchtes Smarty erworben. Im edlen Goldton, richtig schick. Damit macht es Spaß, zu appen und wie man das sonst so nennt. Was kommt als Nächstes, kann man fragen. Eine Rakete für den nächsten Urlaub auf die Bahamas? Antwort: erst mal sacken lassen.

Knifflig

Vom Land mit Garage und Garten in die Stadt mit kleinem Hof und ohne Garage. Es hilft nicht, die Kisten zu nummerieren und alles einfach genauso wieder einzuräumen wie zuvor, das klappt nicht. z.B. verlieren wir den wertvollen großen Einbauschrank aus dem Schlafzimmer. Wir gewinnen einige kleinere Schränke. Die Küche ist kleiner, doch es werden nicht mehr so viele Backsachen benötigt, meine Marktzeit ist größtenteils dabei. Alles neu denken, nichts ausschließen.

Erste

Begegnungen. Nicht überraschend, dass ich mich zuerst in Glockentürmen umschaue. So ein Turm (tower) bietet überall ein Stückchen Heimat. Meine erste Probe war ein Erfolg: sofort wohlgefühlt.

Großkopferd

… sind nicht nur die Politischen in London, die – doch darüber wollen wir gar nicht reden -, sondern auch diese Tiere:

Ist er zu sehen, der Kopf der Kegelrobbe? Wie ein großer Hundekopf oder eben wie ein Kegel erscheinend, tauchen die Tiere auf, um Luft zu holen. Sie drehen sich im Kreis, inspizieren die Umgebung und was sonst noch so los ist, und dann tauchen sie wieder unter. Es muss faszinierend sein, sich im Medium Wasser wohlzufühlen, und über Wasser ebenso. Sehr beeindruckend. Sowohl die Größe der Tiere als auch die Lebensweise.

Als ob wir Menschen, sagen wir, 20 Minuten locker und unbeschwert an Land was tun würden, danach aber unbedingt für ein paar Sekunden unsere Nasen oder Kiemen oder Schleimhäute in eine Schüssel mit Wasser tauchen müssten. Schwer vorzustellen, eine derartige Trennung von Lebenswelten. Doch für die Robben klappt es. Sie sind in Deutschland, vielleicht auch in den UK, die größten Raubtiere (damit sind Säuger gemeint). Bis zu 300 kg und 2,5 m Länge. Dieses Exemplar war mit ein paar FreundInnen hier zu finden:

Das sind die Hilbre-Inseln in der Deemündung. Um das geografisch aufzuschlüsseln: zuerst kommt Wales, nördlich dann der Dee, darauffolgend die Halbinsel Wirral (welche sich südlich von Liverpool, von dort getrennt durch den Mersey, befindet). An der Wirralspitze befinden sich die drei Inselchen, die man bei Ebbe bequem zu Fuß erreichen kann, keine zwei km sind es. Auf der Spitze der äußersten Insel, Hilbre, weht der Wind stärker, man bekommt das Gefühl, mitten in einer anderen Welt zu sein, fast schon hoch zur See, wenn man auch überall Land sieht – und dann bestimmt man die Tiere, die man hier so vorfindet. Vor allem Vögel. Wobei, bestimmen ist zu hoch gegriffen. Ich war mit einer kundigen Freundin da, die die englischen Namen wusste. Auf ihrem Wischkastl hat sie die wissenschaftlichen Namen nachgeschlagen, ich habe die in meinem deutschen Vogelbuch gesucht, und schwupp, schon habe ich die Namen Ringelgans, Austernfischer, Eiderente (wunderschön), großer Brachvogel und noch ein paar andere erkannt oder auch mal nicht. Die Robbe im Bild war eigentlich die Erste meines Lebens und als wir dann noch einen Delphin (großer Tümmler) vorbeischwimmen sahen, war der Tag endgültig ein toller Tag.

Und so sieht’s auf dem Wirral aus (jenseitig sieht man Wales).

Ein Miniwatt eben, nur eine Stunde von uns entfernt.