Von Hippies und Höhlenkäse

Ein Wochenende in Somerset

Wenn Deutsche Cheshire hören, denken sie oft an Käse – obwohl der Cheshire Käse ein verderblicher Halbweichkäse ist, der nicht oder kaum exportiert wird. Möglicherweise findet hier eine Verwechslung mit Cheddar statt, diesen Käse findet man massenweise – Gouda, Edamer und Emmentaler in einem Käse vereint, so allgegenwärtig ist er. Oft ist die Qualität entsprechend … bescheiden. Er kommt ursprünglich aus Cheddar in Somerset, wo es die Cheddarklamm und die Cheddarhöhlen gibt, in denen der Käse zum ersten Mal gereift ist. Man kann dort Tropfsteinhöhlen besichtigen (zu schönes Wetter für mich) und in einigen anderen Höhlen wird noch Käse hergestellt. Teurer Käse, doch lohnt: vielschichtiges Geschmackserlebnis, hat nichts mit dem Supermarktkäse zu tun. Man muss nicht immer nur über Weinnuancen reden … (eigentlich muss man überhaupt nicht über Wein reden, doch lassen wir dass dahingestellt; in Somerset kann man übrigens über Käse- oder Ciderfeinheiten reden. Cideräpfel werden in großem Stil angebaut und oft wird er zimmerwarm serviert). Den Käse habe ich vom ältesten Käsehändler der Cheddarklamm gekauft, seit 1870 verkauft man Käse.

Die Klamm ist ENORM populär. Sie ist nicht groß, an den Alpen gemessen, doch die größte ihrer Art in Großbritannien. Unten führt eine geringe Landstraße hindurch, voller Parkplätze. Doch oben entlang geht ein Weg, links hoch, dann hinunter, wieder hoch und auf der anderen Seite zurück. Auch kann man entlang der Parkplätze gut in die Schlucht hineingehen. Es herrscht Verkehr, doch es geht ganz gut. Die Sonne scheint, die Touris essen Eis, stehen für die Höhlen an, alles ist gut. Man merkt, dass einige der Autos nur wegen der Schlucht hier entlangfahren und nicht, weil sie von A nach B wollen. Und nach dem 10. Auto ist sogar mir aufgefallen, dass es zu laut röhrte: Porsche in allen Primärfarben sieht man im Rudel sicher nicht jeden Tag. Ein Porschetreffen in der Cheddarklamm … dann hat man alles gesehen.

Steil geht es nach oben.

Blick auf Cheddar und ein Wasserreservoir.

Warum war ich überhaupt dort? Klaus hat wieder Schach gespielt, in Frome (kam in seiner Kategorie von Platz 55 auf Platz 24, sehr respektabel). Frome ist ein sehr nettes Städtchen, ein bisschen künstlerisch, ein bisschen alternativ, ein bisschen bodenständig. Frome liegt in Somerset, nicht in den berühmten Cotswolds, die sind aber nicht weit. Wie dort dominiert hier der wunderbare gelbe Kalkstein. Wir besuchen Somerset bei perfektem Maiwetter, da sieht es überall erfreulich aus. Man kann sich die Gegend jedoch auch bei Regen und Kälte angenehm vorstellen.

Ein Vintageladen (Ware Zweiter Hand aus den 50ern, 60ern und Neuware im alten Stil). Man beachte das leuchtend rosa Kleid in der Ecke und die schönen Türgriffe aus den 60ern.

Im zweiten Bild unser B&B – sehr stilvoll in einer kleinen Gasse gelegen. Den Mini davor zeigt an, man ist eher in England, nicht in Italien, wo ein Fiat wahrscheinlicher wäre.


Die Hippies aus dem Titel finden sich in Glastonbury, dem Städtchen mit dem weltberühmten Musikfestival. Ganzjährig gibt es den Tor zu besuchen, einen Hügel in flacher Landschaft, der Alternative magisch anzieht. Die Innenstadt von Glastonbury sieht aus wie eine Zeitblase aus den 60ern. Nichts als bunte Kleidung, Rastalocken, Kristallläden. In wie vielen Orten auf der Welt spielen Straßenmusiker Harfe!

Der Tor, der Hügel, beherbergte früher ein Kloster, ein Turm ist noch erhalten.

Netterweise hat man an Radfahrende gedacht, in der Schafweide, am Weg.

Glastonbury zieht Reisende seit langer Zeit an – auf dem Brunnenbogen aus dem 19. Jahrhundert steht ‘To the Tor’ (Zum Tor) und eine Hand deutet in die richtige Richtung.


Bristol haben wir auch besucht, mit dem Zug. Tolle Stadt, tolle Essmöglichkeiten. Viele Studies, locker, modern. Zu Fuß zur und auf die berühmteste Attraktion der Stadt: die Clifton Kettenbrücke über den Fluß Avon. Das UK hatte viele berühmte Ingenieure, doch der berühmteste ist wohl Isambard Kingdom Brunel. Von dem ist diese Brücke.

Brückenhängung auf der Brücke – Detail.


Supertoll auch Wells, eine kleine Stadt mit Kathedrale. Ich fahre hin, sehe eine Kirche, denke, ja, klar, kleine Stadt, kleine Kathedrale und gehe darauf zu. Drehe mich zufällig um, und da ist sie, die wirkliche Kathedrale: gar nicht so klein.

Ich komme gerade recht zum nachmittäglichen Evensong (Gottesdienst mit viel Gesang). Die Chorknaben und -männer singen von traditionell bis ultramodern, die Predigt dreht sich um Hegels Weltgeist. Ein unerwartetes intellektuelles Vergnügen.