Sponsorengelder II

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Ist sie nicht schön? Meine Wohlfahrtsradelei zu Gunsten der Kirchbauten des Landes bringt mich an die Grenzen Cheshires in einen nahe einer Bundesstraße befindlichen Winkel. Dies ist Neuland und hat, obwohl nicht weit von Tattenhall entfernt, einen anderen Charakter. Die Streifen von ärmeren Böden mit Mooren und Heiden gehören nicht mehr zur Cheshire-Ebene. Hinter der letzten Kurve (ein Haus, Hunde bellen, ein Bächlein plätschert) wäre es keine Überraschung, ein Wallfahrts-Barockkircherl zu erblicken. Wo es sich dazu um eine Marienkirche handelt. Doch nichts Barockes wird hier erblickt, Großbritannien und Skandinavien sind im Wesentlichen zwiebelturmfrei. St. Mary’s ist noch Pfarrkirche, sehr untypisch mit dem weißen Anstrich, und leider bin ich zu früh dran, ich finde die Tür verschlossen.

Von der Idylle in eine andere Wirklichkeit: für die nächsten Kirchen kann die Bundesstraße nicht vermieden werden, auf der die meisten Autos ihren Unmut, einer Radfahrerin ausweichen zu müssen, dadurch Luft machen, dass sie ungebremst vorbeidüsen. Doch die beiden St. Chad’s (alt und neu) sind es wert.

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Die eine liegt mitten im Feld, nur über Grasfurchen zu erreichen, nennt weder Heizung noch Elektrizität ihr eigen, und wird für besondere Gottesdienste im Sommer genutzt (Kirchenbänke aus dem 17. Jahrhundert, ich habe mir sagen lassen, extra unbequem). Die neue Kirche liegt genau an der Bundesstraße, etwas laut, doch bis zur nächsten Nebenstraßenabzweigung ist glücklicherweise eine Gehsteig vorhanden, die A41 kann sicher verlassen werden.

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Brindley liegt nicht nur angenehm ruhig, sondern hat auch ein paar Grabengel. (vor dem Tor steht mein Fahrrad)

Bislang ist die ganze Tour solo abgelaufen, keine Kirche offen (zu früh), keine Menschen getroffen. Das ändert sich in Marbury:

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St. Michael’s in Marbury liegt im Ort, am Rand eines Meres. Mere hat denselben Stamm wie Maar oder Mare und an diesen Beispielen sieht man die unterschiedliche Nutzung desselben indogermanischen Wortstammes. Im Englischen ist Mere weder ein Vulkansee noch das Meer schlechthin, sondern ein flacher See oder sogar ein sehr nasser Sumpf. Vermutlich hat das Mere in Marbury zur Sackung des Turmes im 20. Jahrhundert beigetragen. In dem Moment stand er bereits seit dem 15. Jahrhundert gerade, also mehrere 100 Jahre, das kann Pisa nicht von sich behaupten. Man beachte auf dem Foto die zusätzlich eingefügten keilförmigen Hölzer auf der rechten Seite, die verbrämen den Schiefstand geschickt.

In St. Michael werde ich quasi erwartet, denn Ride und Stride Reisende werden heute mit Informationen, Keksen und Getränken versorgt. Es ist 11 Uhr.

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In Wrenbury ist die Kirche leer, aber offen. Man beachte die geschlossenen Kirchenbänke, eine alte Sache: früher gehörten sie Familien und in manchen Kirchen waren sie sogar abgeschlossen, so dass garantiert niemand Fremdes das sprichwörtliche Handtuch von der Badeliege am Hotelpool nehmen und sich einfach reinsetzen konnte. Es gab mancherorts sogar den Job des Bank-Öffners, jemand (vermutlich eine arme Person aus Pfarrei) öffnete die Banktür gegen ein Trinkgeld.

Bevor es an Kirchen auf dem Rückweg ausdünnt, noch ein Höhepunkt: die nur über eine lange Sackgasse erreichbare Michaelskirche in Baddiley. Man beachte die Zwischenwand in der Kirche. Das ist der alter Lettner (Trennung zwischen Chor und Gemeinde), der in den meisten Kirchen nach der Reformation unter Heinrich VIII entfernt wurde. Hier wurde er belassen, man nimmt jedoch an, dass bildliche Darstellungen durch die vorhandenen mehr nüchternen Texttafeln ersetzt wurden. Baddiley lohnt den Umweg.

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Für den Weg nach Bunbury, meiner vorletzten Station, muss ich mich mit eingepacktem Kuchen stärken, die Beine werden doch etwas schwerer. Am Wegesrand “nur” zwei methodistische Kirchen in typischer Schlichtheit, die zählen natürlich auch, erstens, weil Kirchen grundsätzlich zählen, zumindest für mich, und zweitens, weil die Stiftung ökumenisch ist.

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Im wohlhabenden Bunbury (hier der Turm von St. Boniface) sind alle Kneipen voll und in der Kirche bereitet man sich auf eine Hochzeit vor.

Zwischen den heimatlich vertrauten Burgruinen Beeston und Peckforton finde ich heim nach Tattenhall, wo mich in St. Alban’s Tee und Kuchen erwarten.


Um Viertel vor 8 bin ich los, nach halb 3 war ich in St. Alban’s, habe 15 Kirchen passiert/ besucht und, laut Internetkarten, 51 Meilen, das sind 82 km, zurückgelegt. Als ich am Sonntag im Gottesdienst berichte, sehe ich zufriedene Gesichter;-).

Später erfahre ich, dass langjährige Bewohnende der Gegend viele dieser Kirchen noch nie gesehen haben.

 

 

 

 

 

 

Sponsorengelder I

Warum man 15 Kirchen an einem Tag besuchen sollte

Wie geht man vor, wenn man Geld für eine gute Sache möchte? In Deutschland lässt man eine Büchse herumgehen, hält vielleicht einen Vortrag mit nachfolgender Spendenaufforderung oder hat einen Stand auf einem Markt. Das alles gibt es im UK auch, doch es endet längst nicht dort. Hier lautet eine mögliche Antwort: man strengt sich an. Diese Anstrengung muss nicht unbedingt etwas mit dem guten Zweck zu tun haben und man könnte sie auch so erbringen, z.B. auf einen hohen Berg steigen oder eine lange Radtour unternehmen, die einen an die Grenzen bringt. Man lässt sich halt zusätzlich sponsern, indem man seine Pläne öffentlich macht. Freunde und Bekannte, vielleicht auch Fremde, geben Geld für jede gewanderte Meile oder eine Gesamtsumme, die dann nicht in die Reisekasse einfließt, sondern an den guten Zweck geht.

Erstaunlich, doch üblich, schwitzen mit doppeltem Sinn: zur Selbsterfahrung und für andere. Als Klaus vor zwei Jahren nach Deutschland geradelt ist, fragten einige, wofür? Er hätte also en passant Geld für z.B. die Krebsforschung oder den Bienenschutz erschnaufen können. Es wären bestimmt ein paar Pfund zusammengekommen, denn die Leute erfuhren von seinem Ziel und haben sich am Kopf gekratzt: mit dem Rad? Nach Deutschland?

Diese Chance haben wir also nicht genutzt, jetzt bin ich dran und zwar mit Kirchen abradeln.

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St. John’s, Burwardsley, eine kleine, gemütliche Kirche, mein erster Stopp.

Da die Mitglieder unserer Kirchengemeinde in die Jahre gekommen sind, man aber nach längerer Pause wieder beim jährlichen Ride and Stride (ein alberner Reim, der Radeln und Schreiten bedeutet und einfach verschiedenste Arten der Fortbewegung abdecken soll) mitmachen möchte, melde ich mich freiwillig. Die veranstaltende Kirchbaustiftung kümmert sich um die Erhaltung von, nun ja, Kirchen. Gemeindemitglieder sponsern meine Radtour und ich freue mich darauf: mein Tempo, meine Route. Ich muss nichts Bestimmtes machen, nicht besonders viele Kirchen besuchen, denn ich werde nicht nach Meilen oder Anzahl der sakralen Gebäude „bezahlt“, sondern für’s Mitmachen. Das ist die sicherste Art, Ehrgeiz zu erwecken: Natürlich will ich für die gute Sache Ehre einlegen.

Das Schlimmste zuerst: den Hügel hinauf: St. John’s Burwardsley, eine unserer Filialkirchen. Dann hinüber nach Harthill geschwungen, es ist ein kühler, doch trockener Morgen, diesig, wie man auf dem Bild erkennen kann:

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Allerheiligen Harthill ist eine schöne, wenn auch nicht mehr genutzte Kirche am Ende des steilsten Anstieg des Tages. Das wäre also geschafft, ab jetzt werden die Steigungen flacher.

Noch 2 Kirchen, dann werde ich auf unbekanntes Terrain stoßen. Bickerton (Bild mit dem Schild) war unsere erste Gottesdiensterfahrung in West Cheshire, liegt am Fuße des Sandsteinrückens mit dem Sandsteinwanderweg und ist ziemlich zugewachsen.

St. Oswald, Malpas (der Turm) ist wie eine prächtige kleine Kathedrale, wenn es auch keine ist. Um 9 ist noch nicht geöffnet, also begnüge ich mich mit einem Foto vom ersten Punkt, von dem ich sie sehen kann.

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Fortsetzung folgt.

Der Mensch lebt …

… nicht von Kunst und Blümchen allein. Er isst und trinkt. (Ein Beitrag von Klaus.) Und weil er es gern tut, gibt es in der nahe gelegenen Kleinstadt Nantwich alljährlich die Food (& Drink) Show. Die Innenstadt wird zu einem Gourmet-Tempel, einige Wochen nachdem dort bereits die (angeblich) weltgrößte Käse-Schau mit 450 Ständen stattgefunden hat. Man lässt sich nicht lumpen. Dies sind beileibe nicht die einzigen Shows im Jahr, die die Stadt zu bieten hat. Es gibt ebenfalls ein Jazz- und Blues- sowie ein Literatur- und Musikfestival, natürlich einen Antiquitätenmarkt und schließlich das Nantwich Spooktacular, ein riesiges Halloween-Feuerwerk.

Nantwich hat knapp 15.000 Einwohner, eine Kleinstadt also. Ich habe mal im Deutschen Königswinter gelebt, rund 40.000 Einwohner. Es ist mir nicht aufgefallen, dass es dort etwas von ähnlichem Umfang und Aufwand gegeben hätte, obwohl Königswinter mit „Hollands höchstem Berg“, dem Drachenfels, und dem Rhein durchaus touristisch attraktiv ist. Vielleicht unternehmen die Kleinstädte um Tattenhall herum und das Dorf Tattenhall selbst so viel, weil es eine kurze Anbindung an eine Großstadt – vergleichbar der von Königswinter mit Bonn und Köln – nicht gibt. Hier ist’s halt wirklich ländlich. Vielleicht ist dies aber auch ein wirklicher Unterschied zwischen englischer und deutscher Kultur.

Anyway (= wie dem auch sei), mein Besuch auf der Nantwich Food Show war eine echte Charakterprobe. Sich mindestens vier Stunden nach dem Frühstück ohne weitere Mahlzeit auf ein solches Terrain zu begeben, ohne eines der unzähligen Angebote anzunehmen, darauf bin ich nicht wenig stolz. Alle drei Meter kommt jemand mit einem Tablett auf mich zu und bietet mir etwas zu essen an. Ich antworte beharrlich: „Wenn ich jetzt zulange, brechen alle Dämme. Also vielen Dank, ich verzichte.“

Auf dem Weg in die Innenstadt war ich an einem Pub vorbeigekommen, den von innen zu begutachten mir äußerst lehrreich erschien – architektonisch, versteht sich. Um hierfür dann doch eine „Unterlage“ zu haben, entschied ich mich schließlich zum Verzehr eines Hot Dogs aus Wildfleisch. Nachhause mitgenommen habe ich Brot, drei Salamis (Wildschwein, Ente und Kräuter) und Fudge für Barbara. Vom restlichen Geld dann ein Bier in besagtem Pub (was übrigens soviel heißt wie „Public House“ = „Haus für die Öffentlichkeit“, eine wunderschöne, wirklich britische Umschreibung für „Kneipe“).

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Eines der Fotos zeigt einen Stand für US-amerikanische „Street Food“. Natürlich gab es auch Stände mit indonesischer, mexikanischer, indischer usw. „Street Food“, also mit dem, was in Deutschland (ohne Süddeutschland?) durch die Pommes-Bude abgedeckt wird.

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Continental Food (deutsche Würste, siehe Foto) war zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht hoch frequentiert und gab dem Verkäufer Zeit zur Weiterbildung qua Buch.

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Schließlich das Foto der Gin-Flasche Marke „Death’s Door“ („Tür zum Tode“): Sollte der Gesetzgeber mal drüber nachdenken, ob die Zigarettenaufschrift „Smoking kills“ („Rauchen tötet“) wirklich abschreckend ist. Vielleicht sollte er die Marktforscher jenes Gin-Herstellers fragen.

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Kunst und Blümchen

Und wieder die Tattenhall Leistungsschau (der alte Blog berichtete mehrmals). Da Dabeisein fast alles ist, habe ich nicht nur wieder mitgeholfen, sondern auch Eigenes eingebracht.

Es ist eine lang dauernde Aufgabe, den Juroren zur Seite zu stehen (und bei der Gelegenheit wieder viel über Bewertungskriterien zu lernen), auf- und abzuräumen, zu beraten, mit Leuten zu reden und ein Auge auf die Dinge zu halten. Am Abend habe ich meine Füße deutlich gespürt und das Adrenalin sauste in den Keller.

Meine persönliche Ausbeute: ein dritter und ein erster Platz. Eigentlich wäre ein zweiter Platz auch noch für mich drin gewesen, doch der Gemüsebegutachter entschied dieses Jahr, dass “schwerste” Zucchini sich auf eben dies bezieht, schwerste. Er vergab keinen zweiten und dritten Preis wie bisher. Sehr merkwürdig. Ein bisschen was einstecken gehört schon auch mal dazu.

Ich habe mich zum ersten Mal ans Blumen arrangieren gemacht. Hier sind die Ergebnisse:

Die gelbe Karte signalisiert meinen dritten Platz mit dem Schnapsglas und das Sträußchen links davon in der elfenbeingelben Espressotasse ist auch von mir. Man darf nicht annehmen, dass dies eine leichte Kategorie ist, die Kriterien sind klar: little gem (kleiner Edelstein) bedeutet ein Blumenarrangement von 10x10x10 cm inkl. Gefäß und nicht einenm mm mehr, es wird mit

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Lineal gemessen. Deshalb sind die beiden Gestecke im Hintergrund disqualifiziert worden, sie liegen weit über 10 cm. Beide Beispiele sind von einer sehr erfolgreichen, jedoch auch extremst ehrgeizigen Teilnehmerin, da hat sie die Anleitung wohl nur flüchtig gelesen gehabt.

Ich hatte den Vorteil, dass ich in der Blumengärtnerei von Carol Blüten nach Lust schneiden konnte, Material war vorhanden. Dennoch, so eine Fieselei: man fängt an, misst nach, kommt gleich auf 15 cm, kürzt, fragt sich, was übrig bleiben soll und wie man das alles halten soll, kürzt wieder, verbindet, traut sich, alles wieder auseinander zu nehmen und arrangiert erneut – da geht die Zeit ins Land. Ich wusste nicht, wie ich die Arrangements lockerer hätte hinkriegen sollen, sie sind etwas dicht, bin dennoch stolz darauf, ohne diese grässliche grüne Steckmasse gearbeitet zu haben, das die beiden Siegenden genutzt hatten. Eine interessante Erfahrung, kann ich nur empfehlen.

Etwas größer fielen die Regenbogengestecke aus:

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In der Publikumskategorie: witziges Arrangement, das dieses Jahr das Thema: olympische Sportart hatte, gewann diese Interpretation des Synchronspringens haushoch:

Zwei Dahlien streichen sanft das seinerzeit Rätsel aufgebende

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brasilianische grüne Poolwasser, und Tom Dahlia ist eine Anspielung auf den britischen Olympioniken Tom Daley. – Laut Internet wurde das Wasser grün, weil jemand Wasserstoffperoxid ins bereits gechlorte Wasser gekippt hatte, was beide Mittel neutralisierte – statt Desinfektion erlebte die Algenwelt hervorragende Wachstumsbedingungen und nutzte sie fleißig.


Doch nun zur Kunst: zum zweiten Mal in Folge gewann die den ersten Preis in “irgendein Kunstwerk, solange es kein Gemälde ist”. Ich bin stolz auf meine Interpretation des Filmstreifens (Titel: Photo Strips), der aus alten Diarahmen besteht, die mit kleinen Gegenständen, Büroklammern und anderem gefüllt sind. Echte Kunst und viel, viel Prozessarbeit und Bastelei. Nachteil: dieses Jahr hat niemand sonst Kunst in dieser Kategorie abgeliefert, man kann nicht von einem Sieg über die Konkurrenz sprechen. Dennoch: die Preisrichtenden haben das Recht, bei minderwertigen Eingängen keine Preise zu vergeben und das geschah hier nicht.

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Zum Abschluss noch zwei besonders schöne Beiträge: ein modernes Stickmustertuch im alten Stil und einen von einem Kind gestalteten Minigarten.

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