Ring for the King

Für den König läuten – das ist nicht nur Dienst und Ehrensache, sondern auch für die letzten Monate ein Werbeslogan gewesen. Es ging darum, Rekrut:innen für die Glockentürme zu gewinnen, die für die Krönung von Charles III. läuten wollen und hoffentlich auch weiterhin kontrolliert am Seil ziehen wollen. Denn: viele Türme sind überaltert, neue Läutende sind hoch willkommen.

Es hat funktioniert, nicht nur wir im Südwesten haben Zuwachs bekommen. Etliche Menschen haben die Gelegenheit ergriffen, sich meist einen alten Traum zu erfüllen und tonnenweise Glockenerz zu bewegen.
Darüber hinaus wurde die Presse ein häufig gesehener Gast. Wir hatten diverse lokale Nachrichtensendungen, die Lokalzeitung, ein Boulevardblatt und den NDR. Der NDR macht ein Programm über Devon und nutzte die Gelegenheit, über diese aufregende Zeit zu berichten. Bzw. sie werden, das Magazin wird erst Ende des Jahres ausgestrahlt, ich melde mich mit dem Link.

Wir sind zu versierten Pressebetreuer:innen geworden und freuen uns am Enthusiasmus der Neulinge, die dieselbe Freude am Läuten empfinden wie wir.

Rechts Anstecker zum Begräbnis Elisabeths der Zweiten, links Anstecker für die Krönung von Charles dem Dritten. So geht das eine in das andere über.

In der erwähnten Boulevardpresse, da war ich tatsächlich selbst im Bild, weil ich der Journalistin (links im Bild rechts oben) und dem Fotografen anhand eines Modells erklärt habe, wie das so funktioniert mit der Läuterei. Schon war ich in der Sun, einem noch deutlich rechts der Bildzeitung angesiedeltem Blatt. Sie haben aber nichts Schreckliches aus dem Glockenläuten gemacht, nur in einfachen Worten erklärt, worum es sich hier handelt. Kein Klatsch und Tratsch kam zu Wort!

Der große Tag

Wir läuten das Jahr über und lassen keinen Anlass aus, Gottesdienste, Proben, Jugendtraining, Hochzeiten – wir sind dabei. Am Wochenende der Krönung zu läuten ist daher selbstverständlich. Egal, wie man zur Monarchie steht, Charles ist Oberhaupt der Anglikanischen Kirche und wir läuten für epochale Momente in ebendieser Kirche und deshalb sind wir Bestandteil der Rituale.

Ich bin seit kurzem Öffentlichkeits-Lady für unsere kleine Ecke hier und habe fleißig Gruppenfotos vom großen Tag von den verschiedenen Türmen angefordert. Die Resonanz war sehr gut!

Als persönliche Herausforderung habe ich mich zu einem Peal einteilen lassen. Peals sind lange “Stücke”, die ungefähr drei Stunden non-stopp Läuten erfordern. Das wissen die Hände, was sie getan haben und die Knie ebenso! Ein Dirigent oder besser gesagt, ein Anweiser, gibt die Kommandos innerhalb des Peals, damit die Erweiterungen eingebaut werden können, die den Peal so lang machen. Denn man möchte ja keine Runde wiederholen, man möchte Variationen haben. Ohne diese wäre man in etwa 10 Minuten mit der ganzen Geschichte fertig, doch diese Erweiterungen lassen das Geschehen auf 5040 “Runden” anschwellen und das dauert eben seine Zeit.
Bislang hatte ich nur Viertel-Peals geläutet, die dauern um die 45 Minuten. Ein Peal ist fast wie Marathon laufen. Ich war an der schwersten, der 6. Glocke gesetzt, das war jedoch einfacher: ich musste nur die ganze Zeit, in jeder Runde, an 6. Stelle, also zuletzt, läuten, und einfach das Geschehen unter mir, die Wechselspiele auf den Plätzen 1-5, beobachten. Wir waren alle froh, dass wir keine Uhr in der Läutekammer sichtbar hatten, beim Läuten will man nicht wirklich wissen, wie lange es noch dauern wird. Als der Dirigent das Kommando ‘this is all’ – “Das ist alles, wir sind durch” gab, waren wir positiv überrascht: wir hatten 2 Stunden und 50 Minuten ohne Pause geläutet und es war gar nicht so schlimm. Eine faszinierende Erfahrung! Für drei von uns sechsen war es das erste Mal und wir sind nicht gestrauchelt. Das lag auch am soliden Fundament der drei weiteren Läutern, die absolute Urgesteine auf dem Feld sind. Der Dirigent hat in seiner ca. 60 Jahre dauernden Läutekarriere schon um die 2500 dieser Peals hinter sich. Wahnsinn!!!!