Köpfe zählen in Liverpool

Zu Besuch bei zwei Skulpturenprojekten.

Die vielen

Das erste Projekt findet sich am Übergang Merseyufer zu Meer, Liverpoolseite.

Auf der einen Seite Hafenkräne, auf der anderen ein Naherholungsgebiet mit den Gästen, die diesen Strand international bekannt gemacht haben:

In Crosby bei Liverpool (einmal umsteigen mit dem Zug von Chester) weht zwar heute eine eisige Brise, doch dorthin muss man, will man die 100 lebensgroßen Eisenfiguren von Anthony Gormley, genannt Another Place (ein anderer Ort) besuchen. Bei Flut umspült, bei Ebbe aus dem Sand aufragend, schauen alle Figuren in dieselbe Richtung, weg vom Land auf das Wasser hinaus. Sie bleiben unbeweglich. Ein oder zwei kippen, wie im Hintergrund zu sehen. Man denkt: stütz dich doch ab, doch sie fallen nicht organisch, sie bleiben steif.

Die Jahre am Meer haben den einfach gegossenen Figuren zugesetzt, das Eisen korrodiert, löst sich auf, wird im Laufe von Jahrzehnten? Jahrhunderten? mit dem Sand verschmelzen, in die Luft getragen, vom Wasser weggewischt werden.

Manchmal kommt jemand vorbei und spendiert einen Janker.

Kaum zu erkennen, wer von den streichholzgroßen Figuren im Hintergrund hat Blut in den Adern und wer friert niemals.


Von den vielen zu dem einen

Derweil in Liverpool vor der Anglikanischen Kathedrale eine besondere Leihgabe, der Knife Angel (Messerengel). Bedauerlicherweise haben im schusswaffenarmen Großbritannien die Gewaltverbrechen mit spitzen Gegenständen zugenommen. Nimmt das verletzte Ego halt Messer für Banden-Stecherei, das häusliche Zerwürfnis, die betrunkene Auseinandersetzung am Wochenende zur Hand. Ob Hackebeil oder 50 Pence Küchenmesser, Hauptsache scharf und jemandem eine Lehre erteilt!

Der Künstler Alfie Bradley wollte diese zerstörerische Energie in etwas anderes verwandeln und hat von der Polizei konfiszierte und durch Amnestien eingebrachte Messer erhalten, gereinigt und ent-schärft. In zwei Jahren Arbeit hat er über einem Stahlskelett 100.000 (in Worten: einhunderttausend) Messer in einen über 7m hohen Engel verwandelt.

Vor der enormen Wand der Kathedrale steht ein kleines Männchen; eigentlich.

Näherkommend, da steht er, mit ernsthaftem Blick, und zeigt seine leeren Hände.

Die bunten Plastikgriffe der Messer sind zu sehen, die verschiedenen Größen; die Flügel sind nur aus Klingen gefertigt. Einige tragen Inschriften, die auf Wunsch von Operfamilien oder auch Tätern eingraviert wurden.

Fast wie ein Gekreuzigter steht / hängt er an seinem Stahlkorsett.

Es gibt sie noch …

… die Dinge, die verschwunden oder verborgen scheinen; oder deren Existenz angezweifelt werden:

NICHT verschwunden:

Der intellektuelle Reisende in seiner arttypischen Tracht, dem schweren Stoffmantel, der einem Politiker aus den 50iger Jahren auch gut zu Gesicht gestanden hätte. Auf dem Tisch in der üblichen Anmutung von Sportzeitschriften doch die Edelste unter diesen: die Schachzeitschrift. Der Mantelträger ist nicht sichtbar, als Verbeugung in Richtung Moderne wird eine Cola gekauft (Flughafen München, MUC).

Impression vom Rollfeld (was soll man auch sonst machen)

NICHT (mehr) verborgen:

Der Mond ist wieder da. Herbe Enttäuschung am Montag um 5 Uhr früh, als sich die angekündigte Mondfinsternis hinter unbewegtem Hochnebel versteckte. Eine Finsternis hätte es nicht nötig gehabt, sich zu verstecken, doch – da machste nix. Seitdem sieht man wie spottend den schwächer werdenden Mond jeden Morgen bei klarstem Himmel in den Tag hineinscheinen (6.30 GMT).

 

NIE wieder anzweifeln:

Schnee in Tattenhall. Selbst das ist möglich. Hoffentlich ist er bis zum Abend wieder verschwunden. Ohne Winterreifen, die es hier nicht gibt und schon gar nicht vorgeschrieben sind, kann und will nicht zur Glockenprobe in umliegenden Kirchen angetreten werden. Aus dem ersten Stock auf die Choisya (Orangenblumenstrauch) im Vorgarten.