Press-Luft im Hinterhof

Zwei Tage Sturmböen aus dem Osten lassen kein Blatt ungebeugt im engen Hinterhof. Wie eine Faust drückt sich der Wind auf die Dahlien, Phloxe und Minirittersporne. Die Verbenen haben eine schlechte Fönfrisur, die Duftsteinriche verkahlen und die Monarden wehts gleich ganz vom Ecktisch. Da muss hurtig gebunden, gestützt und in den Windschatten versetzt werden, denn es hilft ja nichts, man kann nicht zwei Tage lang Stengelchen die Triebe halten.

Denn uns zieht es hinaus in andere Windschatten, in eine Bergfalte an der Küste: Coleton/Fishacre Haus in Devon.

Könnte auch Italien sein. Comersee und so.

 

Rittersporne in allen Schattierungen, Bachflora, Palmfarne mit Bambus in eigenen Wäldchen, dieses Haus von 1925 (art und crafts, eine Art Jugendstil für Heimwerker, eine wichtige Gegenbewegung zur gesichtslosen industriellen Massenfertigung) hat sie alle im Garten.

Und Meerblick:

Innen die meist nicht originale doch liebevoll bis ins Detail zusammengetragene stimmige Einrichtung aus den 30er Jahren (Stilrichtung Art Deco).

Wenn der geschätzte Gast vom, natürlich hauseigenen, Tennisplatz (heute die Glashäuser) zurückkam und er sich zur Cocktailstunde frisch machen wollte, fand er im Zimmer möglicherweise ein Waschbecken vor. Badewannen gab es in dem riesigen Haus nur zwei. Beide Badezimmer mit Hand gemalten, vage Sport betreffenen Fliesen geschmückt:


Der Heimweg geht gewissermaßen über See, nicht über Land. In Dartmouth muss, ja, wer wohl, die Dart überwunden werden. Der Einstieg zur Fähre sollte nicht schmäler sein, diese Stelle ist für Ein- und Ausfahrt.

Der Preis sind stolze 6 Pfund für ein Auto, im Gegenzug erhält man nicht nur Zugang zu diesem Ort – Dartmouth – ,

sondern hat auch diesen Blick:

Dartmouth hat die einzige brit. Offiziersakademie (Marine), ansonsten gibt es viele Jachten und alte Häuser. Feriengefühl macht sich breit. Man ist nicht umsonst an der englischen Riviera.

Diese Kirche macht auch einen guten Eindruck (Christ Erlöser):

Vor allem innen:

Mittelalterlicher Lettner (Trennung von LaiInnen zu Chorgestühl)

Und diese schönen Holzdecken hat sie auch:


Zu guter Letzt noch die wahnsinnigste Blüte der Welt (subjektiv, ja, aber mit Grund).

Oben bei Haus Coleton sieht man die früher gezeigte südafrikanische Delosperma in blinzeln-machender rosa Pracht. Doch der Garten hat noch ein Schmankerl aus Chile zu bieten, eine biedere Bromelie (nein, keine Blumelie, eine  Bromelie). Mit dunkelgrünen Blüten:

Die Blüten sind nur 2-4 cm im Durchmesser, die Farbe scheint Kobibris anzulocken. Dennoch bin ich froh, dass „Adele schon zu Abend gegessen hat“.

Erklärung zum Film.

Diese Schönheit ist eine Puya Beteroniana.

Frische Luft

Wir haben bereits gelernt, keinen zu großen Wert auf die Wettervorhersage zu legen. Die Abweichungen Regen oder kein Regen welcher prognostizierten Wahrscheinlichkeit auch immer sind über einen ganzen Tag verteilt riesig.

Besser aus dem Fenster zu sehen und dann, egal was man sieht, für alles gerüstet aus dem Haus zu gehen.

Die letzten beiden Tagen waren endlich eine Ausnahme: die bis zu 20 Grad und trocken lautende Prognose klang irgendwie wahr. Und schon ließen wir alles stehen und liegen und verbrachten einen Nachmittag in Devon  (nach Westen) und einen Tag in Cornwall (nach Osten). Beides einen Steinwurf von Plymouth entfernt.


Devon: Newton Ferrers und Noss Mayo

In dem Doppelort habe ich schon geläutet, nun sollte er erwandert werden.

Der erste Eindruck waren diese oben abgebildeten Blumen. Vor allem die linke sieht aus wie eine Faschingsdekoration. Unirdisches Magenta. Großartig, diese Strahlkraft. Mittlerweile habe ich festgestellt, es handelt sich um Varianten von Delosperma Cooperi, Coopers Eisblume, ein Mittagsblumengewächs aus Südafrika. Und nicht etwa um Hauswurzen (Sedum). Das südliche Afrika bildet ein besonderes Florenreich, eine Welt für sich, mit Tausenden von Arten und sogar Pflanzenfamilien, die es nur dort auf der Welt gibt (bis die GärtnerInnen kamen und die Pflanzen über die ganze Welt gepflanzt haben und das ist verständlich). Viele werden diese strahlende Eisblume schon gesehen haben, ich habe sie bisher offenbar übersehen, obwohl das fast nicht möglich erscheint.

Nach dieser Ablenkung konzentrierten wir uns aufs Gehen. Newton und Noss liegen an tidenbeeinflussten Flüssen. Will heißen: das Meer kommt bei Flut hoch, bei Ebbe sieht man nur kleine Flüsschen, von diesen aber zahlreiche. Deshalb darf man hier Moses spielen:

Auf diesem Betonpfad kann man bei Ebbe bequem nach Noss Mayo hinübergehen. Rechts und links der Schlick. Vor uns, nur einen dicken Hügel weiter und ca. 1,5 km Luftlinie, der Ärmelkanal.

Und gleich noch ein Flusspfad am nächsten Querstück/Zufluss.

Wir sind auf den Hügel rechts im Bild gestiegen und haben das Meer auf einer Gatterlatte stehend sehen können. Mehr war im Zeitrahmen nicht möglich.


Deshalb heute ganz anders. Meer von Anfang an.

Mit der Fähre 40 min von Plymouth nach Cornwall, Mount Edgcombe.

Blick zurück nach Plymouth. Rechts im Hintergrund sieht man gerade noch den Leuchtturm auf dem Hoe.

Wir wandern entlang des Südwest-Weitwanderpfads nach Kingsand, einem kleinen Dorf. Wir befinden uns hier immer noch innerhalb des Plymouth Sunds, kratzen aber schon am Rande des offenen Meeres bzw. Ärmelkanals.

Ein Vorteil von Südengland, man ist umständelos in einem Wald. Vielleicht braucht das die deutsche Seele: Waldstücke, es tut jedenfalls gut.

Kingsand beim Anwandern. Sieht ein bisschen abweisend aus.

Doch innerhalb ist das Dorf malerisch, mit netten kleinen Cafés und Pubs, nicht überlaufen und im Naherholungsbereich von Plymouth. Eine Entdeckung.


Was wir heute nicht gemacht haben: nach Exeter fahren. Dort fand das Finale des größten 12 Glockenturniers des Landes statt. d.h. die in Ausscheidungswettbewerben ermittelten 10 Teams müssen alle auf 12 Glocken dasselbe „Stück“ läuten. Wer es am gleichmäßigsten kann, hat gewonnen. Es ist ein Ereignis mit Bierzelt und allem drum und dran und findet jedes Jahr in einer anderen Stadt mit einem 12 Glockenturm statt. Da ich nicht dort war, höre ich mir die 8stündige Liveübertragung im Nachhinein (gerade jetzt) auf youtube an. Sehr unterhaltsame Übertragung, wenn Nichtläutende das auch bezweifeln könnten;-).

 

Der etwas andere Weinkeller

Vor dem Weinkeller ein Hinweis:

In der rechten Spalte befindet sich jetzt ein Sozialer Medien Knopf: dieses Waschmaschinenzeichen soll eine Kamera darstellen. Ich habe nie verstanden, wie sich dieses Symbol für Instagram, das Bildteilungsprogramm, durchgesetzt hat. Ich stutze jedes Mal erneut. Ärmlich, doch es glänzt nicht das Symbol, sondern einige der NutzerInnen, die mit ihren Bildern sehr inspirierend sein können. Ich selbst fotografiere, was mir so auffällt, meist botanischer Natur. Viele lassen ihre Bilder für sich sprechen, viele schreiben etwas Text dazu – in irgendeiner Sprache. Der Text ist nicht so wichtig.

Und nun zurück zum Alkohol.


Kürzlich in einem dieser endlos vorhandenen Herrenhäuser:

(Cotehele in Cornwall, 15. Jahrhundert)

Ein besonders schöner Tantalus aus ? Walnussholz? Tantalusse werden die Karaffenbehälter genannt, wenn sie ein Schloss aufweisen – der Hausherr schloss ab, um die DienerInschaft am mittrinken zu hindern. So nah, und doch so fern … deshalb der Name des von den Göttern verurteilten Tantalus, der immer Durst leidet. Der Tantalus war ein unangenehmer König, doch ein erfundener: wenn es ihn gegeben hätte, wäre der Name ziemlich geschmacklos.
Dieses Exemplar bietet Platz für vier verschiedene Getränke, klassischerweise, Whisky, Portwein, Sherry und noch etwas anderes. Als besonders hübsche Note ist das im Deckel herausfallsicher angebrachte Trinkglas zu beachten. Es handelt sich um ein Einzelglas, der Eigentümer des Tantalus schien nicht auf Gesellschaft warten zu wollen.

Der Tantalus steht im Salon für den sofortigen Zugriff auf steife Drinks. Der Vorrat dafür findet sich in einem Raum, der in erster Linie an Katakomben erinnert. Dieser Wein „keller“ befindet sich im Erdgeschoss, die Nischen sind noch mit Etiketten für die ehemaligen Inhalte versehen.

Innenhof des Hauses:

Der nahe gelegene zugehörige Landungssteg am Fluss Tamar:

Die Wolkenwand zeigt an, was kurze Zeit später eintrat – wir wurden nach Hause geschwemmt. Allerdings in einer netten Lokalbahn.

 

Darf es ein bisschen Meer sein?

Eine Zugfahrt durch ein sehr grünes Tal nach Looe (ausgesprochen Lu). Das ist Cornwall – grün, grün, grün und dann, irgendwo und irgendwann, naht das Meer.

Und eine perfekte Bucht mit nicht perfektem Wetter: zu kühl zum Baden.

Aber schön bunt:

Blick vom Hügel:

Looe ist ein altes Fischerdorf und ehemaliger Güterhafen am Ärmelkanal. Siedlungen sind seit der Keltenzeit belegt. Der gleichnamige Fluss zerschneidet Looe in Ostlooe und Westlooe, verbunden durch eine Brücke. Für 50 Pence pro Mensch kann man sich flussabwärts der Brücke auch kleiner Fährboote bedienen. Reicht für 3 Minuten Seegefühl und ein kleines Einkommen für eine Gruppe von Fährleuten mit ihren eigenen Booten, die sich offenbar organisiert haben, wer wann wie viele Fahrten unternimmt. Denn als wir nach dem Aussteigen der Passagiere bei ihr einsteigen wollen, werden wir von der Kapitänin freundlich darauf hingewiesen, dass x mit seinem Boot die nächste Fahrt übernehmen wird. Sie parkt derweil mit ihrem Boot 2 m weiter.

Wir haben einen Grund, uns hier einzufinden: offene Atelierwoche eines Cornwall weiten KünstlerInnenverbunds. Die abstrakte Kunst eines Malers auf dieser Liste hat mich angesprochen, er teilt sein Atelier mit seiner Frau, die abstrakte Glasverschmelzung (Fusion Glass) betreibt. Man sieht Ähnlichkeiten in der Inspiration und doch sind die Medien so anders.

Glas
Malerei

Vor dem Atelier stehen zwei alte Mercedes-se aus den 80er Jahren, die Klaus interessieren. Die werden mit dem Maler, dem Eigentümer, besprochen, bis ich dazukomme und wir über Politik und die Welt reden. Ein sehr anregendes Gespräch an einem freien Nachmittag (dieser letzte Montag des Monats war in England der Maifeiertag). Gab diesem Ausflug die persönliche Note.


Und Glocken klingen überall:

Die Devon Ringer sind immer aktiv. Bei zwei Ausflügen war ich bereits dabei, doch es geht weiter und weiter. Gestern bei Bilderbuchwetter mittags Grillen, anschließend Läuten in dieser abseits gelegenen wunderschönen Kirche von Walkhampton im Dartmoorgebiet. Grund der kleinen Feier: der Jahrhunderte alte Turm wurde, wie so vieles in der Zeit, in den 70ern mit Betonmörtel verfugt. Seitdem hat der arme Kerl aus Granit dermaßen geschwitzt, dass sie innen an den Wänden Eimer aufstellen mussten, so lief das Wasser herunter. Schimmel ahoi! Es dauerte 18 Monate, den Fugenkitt wieder mit dem traditionellen, atmungsaktiven Kalkmörtel zu ersetzen. Jetzt hat der Turm Jahrzehnte Zeit, sich zu erholen. Die braucht er auch!


Ein paar Blumen von der Arbeit bei holly bee flowers: auch bei trübem Wetter Leuchtkraft in der Bude garantiert.