Ohne E-Rad in die Bretagne

Man kann nicht sagen, ich wäre gegen Radfahren. Seit 50 Jahren, oder sind es schon 51?, düse ich ohne Parkplatzsorgen durch die Gegend und keine Baustelle kann mich abhalten: schiebend geht immer was.

Am Strand von Pors-Meur, Bretagne

Die Erinnerung an das erste Rad mit Stützrädern ist noch vorhanden, es war graublau und ein Familienrad: wir alle 3 Kinder lernten, soweit ich weiß, darauf das Radeln. Es war sehr aufregend. Ich erinnere mich an meine Sorge, wie ich ohne die Stützen auskommen sollte. Ein elterlicher Arm war zur Stelle, der kam aber nur von einer Seite, dann die wackelige erste Alleinfahrt auf der Hauseinfahrt. Nach dem ersten Zaudern wurde Radeln dann schnell Routine.

Die letzten Stürze ohne Fremdeinwirkung hatte ich an der Ecke zur Ladenbergstraße, da war ich weit über 10 Jahre alt und später dann, so mit 14, eines Winters auf einer von der Streumaschine übersehenen Eisplatte. Das rechte Knie hat lange weh getan, Schlimmes passiert ist nicht.

Viel später wurde ich 2x von Autos vom Rad geholt, mit, trotz in der Bevölkerung verbreiteten Vorurteilen gegen Radelnde, 0% eigenem Verschulden, Fahrerin und Fahrer, respektive, hatten geschlafen.
Das kann man nicht voraussehen, weil man meist nur das Nichtschlafen der anderen spürt, die Aufgeregtheit, die Aggression, auch die Unsicherheit. Das findet sich nur vereinzelt, natürlich läuft das Miteinander im Verkehr meistens reibungslos bis freundlich und respektvoll. Umso mehr wird man sensibilisiert für unsichtbare Blicke hinter Glasscheiben, die einen als Hindernis sehen. „Ich bin wichtig, ich bin richtig auf der Straße, warum radelt da jemand? Unverschämtheit.“ Ich bin schon richtig übel beschimpft worden, weil ich mir ganz normale Rechte als Verkehrsteilnehmerin auch genommen habe. Sehr unangenehm, doch dies ist in den UK und in D die Ausnahme.

Oder die unwissenden Autos, die „rücksichtsvoll“ sein wollen mittels sehr schnellen Überholens. Meist, ohne die 1,5 Meter Mindestabstand einzuhalten. Diese Leute haben nie erfahren, dass das Geräusch eines sich beschleunigenden Motors einer radelnden Person KEIN Vertrauen einflößt.

Natürlich treffe ich manchmal selbst Fehleinschätzungen, z.B. beim Abbiegen. Man lernt, es nicht zu knapp zu nehmen, lieber großzügig zu schätzen.

Vor Ort

Plymouth ist steil, Radelnde in der Minderzahl, eine gewisse Fitness kann nicht schaden, oder, der neueste Trend, ein E-Rad. Ein solches habe ich nicht, ich versuche es nach wie vor mit Fitness. Seit einem halben Jahr gibt es E-Leihräder, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Immer wenn ich an den Andockstellen vorbeikomme, hat sich das Bild verändert: es sind mehr oder weniger Fahrräder in den Aufladestationen. Ein Rowdieproblem gibt es auch nicht: die Räder sind klein, eignen sich nicht für waghalsige Manöver und wer das Rad woanders stehen lassen würde, dessen Gelduhr würde einfach weiterlaufen und das will auch niemand. Bisher sehe ich nur Männer auf den Rädern. Zufall?

Leider kann man von Autos nicht immer behaupten, da gäbe es keine Rowdies. Wenn Fahrende sich aggressiv oder merkwürdig verhalten, dann sind es in der forschen Gruppe klischeemäßig überproportional die üblichen Verdächtigen: BMW und Audis. Und sehr junge Männer in Autos, die ihnen bestimmt nicht selbst gehören. Dagegen bei den Autos, die sich schlingernd durch die Straßen bewegen, abbremsen, wenn es nichts zu bremsen gibt, überholen, zurückfallen, merkwürdige Ausfahrten nehmen, die sie später (leider) wieder auf meinen Weg zurückbringen, handelt es sich zwar manchmal, aber nicht unbedingt, um betagte Fahrer mit Hut, sondern häufig um junge Frauen in Kleinstautos. Die stören sich nicht an Rädern, die sind einfach allgemein nicht verkehrstüchtig, haben den Führerschein vielleicht in einer Modezeitschrift gemacht? Das ist böse, ich weiß, aber sie verunsichern durch ihr Verhalten. Man ist froh, wenn sie endlich wissen, wo sie hinwollen und dies ist in eine andere Richtung als man selbst.

Insgesamt: die Teilnehmenden am Verkehr sind nicht so übel, die Verkehrsplanung ist es. Keine Fahrradwege oder Fahrradwege im Dauerholperzustand neben frisch geteerten Autofahrbahnen, Schilder, die ins Nichts führen, ungeschnittene Hecken. Solche kopflosen Sachen.

Die Zahl der privaten E-Bikes aller Stärken hat seit der Pandemie stark zugenommen. Es sind dunkel gekleidete Männer, die Essen ausfahren. Sie flitzen herum, doch darüber kann sich nun niemand beschweren, da ein hoher Anteil der Bevölkerung ihre Dienste in Anspruch nimmt, ein weitaus höherer als z.B. die der klassischen Fahrradkuriere, die Dokumente von Anwalt zu Klientin chauffieren. Die Essenskuriere könnten die Toleranz gegenüber Radelnden erhöhen, denn sie etablieren Räder im Straßenbild.

E-Bike gegen Normalrad

Ich habe einen Probeausflug mit K. gemacht. Ich auf Rad, er auf E-Rad. Erst über Hauptstraßen, für mich eine Routine, schnell durch, nicht drüber nachdenken müssen, aber halt nicht szenisch aufregend. Für K: langsam angehen lassen. Sobald es landschaftlich schön wurde, kam die Steigung. Nur eine geringe, aber Meilen lang. Anstatt die Szenerie zu genießen, schaltete ich auf den inneren „mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“ Modus. K dagegen fuhr (natürlich) im gleichen Tempo wie vorher weiter und verschwand hinter den nächsten Hecken.

Am Ziel war er frisch und ich erschöpft. Verständlich, aber unbefriedigend für beide Seiten.

Kein guter Testlauf, doch wie sieht es mit Radeln in der Bretagne aus, das war unser nächstes Ziel und radelnde Freunde erwarteten uns dort auch? Keine langen Touren waren geplant, doch ich habe erst mal abgewunken. Dort hätte ich es mit bis zu 3 Männern auf E-Rädern zu tun gehabt. Doch auch hier ein Testlauf: 2 E-Räder und ich fuhren 20 km in eine Stadt. Das ging sehr gut, weil nach den 20 km kam eine große Rast. Fast alles Nebenstraßen, Radeln nebeneinander, Quatschen, ich habe den Unterschied gar nicht bemerkt.

Das hat mich motiviert, eine größere Tour anzupacken mit nun 3 Männern. Es war der heißeste Tag des Aufenthalts, ich war fitter als mindestens zwei von ihnen und letztendlich wurden es nur 60 km. Eine Riesentour ist das nicht und sie war schön. Dennoch musste ich mich nachher eine Stunde regenerieren, um wieder wie neu zu sein, die anderen mussten das nicht.

Fazit: woran lag das? An eben dem, was mit K passiert war: E-Radeln geht, wenn man das möchte, in gleichmäßigem Tempo bergauf- bergab, auf der Ebene. Klassisches Radeln ist organisch, mal langsam, mal schnell, irgendwas dazwischen. Wind und Wetter spielen eine größere Rolle. Auch bei Rücksichtnahme der E-Radelnden hat man einen anderen Rhythmus.

Bretagne

Enttäuscht nie.

Ein entspanntes Bier, noch während der Hafen von Plymouth vorbeizieht = 5 Minuten nach der Abfahrt. Die Radelnden sind immer die ersten an der Bar, denn die werden als ziemlich erste aufs Schiff gelassen.
Karibikgefühl an der Côte des Légendes, der Küste der Geschichten
Weg zum morgendlichen Bad.
Im Hintergrund schieben sie Plymouth Sund vorbei, der Hafen ist nicht weit, doch die kurze Einfahrt über markierte Bahnen ist langsam und dauert noch mindestens eine halbe Stunde.