Die erste Fotowand

Beauregard liegt am Weg zwischen Cour-Cheverny und Mosnes – für die Conoisseur:innen der Gegend – ein wenig einsam und nicht der ganz große Magnet der Gruppenreisenden. Doch zu Unrecht, der Garten und die 300 Jahre alte “Fototapete” der Herrschenden sind charmant und ein Traum. Malschüler haben seinerzeit im Auftrag der Eigentümer bekannte Porträts kopiert und diese wurden in einer Galerie zusammengestellt. Lapislazuli-Farb-Malereien an die Decke und Delfter Kacheln mit einer Armee auf den Boden verlegen und fertig ist eine Galerie der frühen Neuzeit. Diese Art von Raumgestaltung soll nicht unüblich gewesen sein, die meisten Galerien sind jedoch nicht mehr erhalten.

Chateau Beauregard

Nach drei Tagen Reise sind wir so voll der Eindrücke, wir wundern uns, dass noch einige Tage vor uns liegen und der Urlaub noch nicht vorbei ist. Visuelle Überladung. Aber bald packen wir Amboise an, wo Leonardo da Vinci die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte. Man lernt nie aus, vielleicht sollte man mal ein Buch über ihn lesen. Seine Zeit ist mir entrückter als manche andere, die Römer z.B. kommen mir wie alte Kumpels vor. Man stolpert ja auch überall über ihre Reste. Das Wohnschloss, das da Vinci zur Verfügung gestellt wurde, und der Garten sind wirklich interessant. Im Garten finden sich Modelle seiner Erfindungen oder Weiterentwicklungen von Erfindungen anderer Leute, oder seine Brücken, die er für alle Gelegenheiten entworfen hat, alles sehr lehrreich. In einer Art Renaissancecafé schmeckt dann der gewürzte Wein nach altem Rezept, eine Art kühler Glühwein, um das alles zu verdauen.

Amboise ist ganz schön rummelig. Es gibt auch drei Schlösser dort, die zum Betreten einladen. Die beiden anderen sparen wir uns aber. Die Loire derweil, die fließt unbekümmert dahin.

Verdächtig prächtig

Wir radeln durch das helle Frühlingsgrün. Das Laub im Wald leuchtet mit den Rapsfeldern um die Wette. Inmitten der Landschaft stehen Schlösser. Manche recht gut besucht, manche schön ruhig.

Der erste Höhepunkt hinter Blois ist Chambord. Es wurde als Jagdschloss errichtet, für wenige Wochen im Jahr nur, in einem Sumpf, der im Sommer mückengeplagt war und im Winter fies kalt. Aber egal, Hauptsache, man sah gut aus dabei. So alle 100 Jahre wurde umgebaut, neu möbliert oder renoviert. Im Zuge der Gemütlichmachung wurde auch der Sumpf trocken gelegt.

Wenn man diese Pracht sieht, wundert man sich weniger, warum die französische Revolution so überhand nahm. Der Kontrast zwischen denen, die dachten, ihnen stünde alles zu, und den vielen anderen ist hier noch mehr auf die Spitze getrieben als in den UK. Von Deutschland ganz zu schweigen. Es ist obszön, dieses Anspruchsdenken. Die Zurschaustellung der Macht wirkt leicht paranoid, als hätte man seinem Glück doch nicht so recht getraut. Ich verstehe alle, die fleißig mit dem Giftfläschchen unterwegs waren, um ein Stück des kleinen Kuchen abzukriegen. Hat aber Hunderte von Jahren funktioniert, kurze Zäsur der Revolution und schon ging’s weiter. Bis 2010 wurden hier noch, wie in anderen Schlössern Frankreichs, präsidentiale repräsentative Jagden abgehalten. Pompidou hat Dutzende Wildschweine mit Jagdfreunden aus aller Welt im Dienst der Republik erlegt. Erst Sarkozy hat diesen Pomp, zugleich mit anderen Privilegien, als unzeitgemäß abgeschafft. Jetzt geht es ja vielen, darunter auch uns, viel besser, und das ist die richtige Richtung. Packen wir das Gift wieder ein.

Große Wendeltreppe
Blick vom 2. Stock
Das ist auf dem Dach. Wie Klein-Venedig. Schon toll.
Das Schloss ist längst unmöbliert. Aber die Decken sind noch da mit dem Salamander von Franz I. Salamander galten als feuerfest = unzerstörbar. Biologisch ist das übrigens eine Fehlbeobachtung.
Fernsehaufnahmen von Pompidous Jagd.
Wie Gott in Frankreich

Ich esse Sachen wie kleingehackte Gans und Gänseklein? und warme geschmorte Radieschen. Unbekannte Worte. Wir sind ja nicht hergekommen, um nichts Neues zu erleben. Schmeckt auch.

Jedes Frühstück besser als das vorige.

Hier wird angepriesen, es gebe ein Frühstücksbuffet süß und pikant. Fabelhaft! Man hat keine Angst vor Süßem.
Hier gab es 4 Nuss/Pistazien/Bitterkakaoaufstriche. Paradisische Zustände in 3 Sterne Hotels.

Doch Natur ist am besten. Mit unseren Leihrädern zuckeln wir von vorgebuchter Unterkunft zur nächsten. Unsere Radanbieterin hat uns Routenkarten, eine ausgedruckte Wegbeschreibung und eine App mit gps Verfolgung zur Verfügung gestellt. Die App spricht mit uns an Wegkreuzungen. Eine männliche Stimme, wir nennen sie Eric, ein internationaler Name. Sobald wir vom Weg abweichen, sagt er uns das. Und wieder. Und wieder. Ein treuer Kamerad. Sehr praktisch.

Booster genügt

Der Englandblog hat gerade eine gewisse Auslandslastigkeit. Zuerst die Post-Coronaflügel nach Spanien ausgestreckt, dann der andauernde Alptraum Ukrainekrieg, der den Blick auf den Osten lenkt. Und für dessen Unterstützung ich mich mit meinem Chor heiser gesungen habe, krank wurde ich durch den zugigen Singort auch, doch kein Corona. Nun wieder raus aus England. Dieses Mal versuchen wir Frankreich. In den UK ist sowieso nicht viel los, Johnson hat einen Lockdownbruchskandal (Parties in Downing Street) nach dem anderen an der Backe, weigert sich aber, zurückzutreten, und seine Reaktion auf die Energiekrise, die es schon vor dem Krieg gab, lautet: in 30 Jahren haben wir schöne neue Atomkraftwerke für euch fertig, meine lieben Fans, bis dahin ist es halt besser, reich zu sein. Also der übliche Wahnsinn.

Mal sehen, wie ein zwischen Mitte und extrem rechts gespaltenes Frankreich aussieht. Bis vor kurzem musste man bei der Einreise aus den UK eine so genannte Ehrenerklärung unterzeichnen, man habe in den letzten 2 Wochen weder Symptome gehabt noch Kontakt mit Infizierten. Bei Inzidenzen von bis zu jede 13. Person hat irgendwie Corona kann man das nicht versprechen. Aber nun fiel das weg, man musste nicht lügen und brauchte nur den Booster nachzuweisen. Nach 2 Jahren Zwangspause benutzen wir unsere Coronafährgutscheine und schiffen auf der Armorique ein. Die gehört zu Brittany Ferries, nicht zu P&O Ferries, die kürzlich alle ihre Leute entlassen haben, um sie mit Billigpersonal zu ersetzen. Ein Schritt, der sogar nach den lockeren brit. Arbeitsgesetzen illegal war, aber sie sind bereit, die Strafe zu zahlen, Hauptsache, das Eignerkonsortium ist zufrieden. Das empört sogar die Kapitalist:innen bis auf Regierungsebene und wir würden mit P&O jetzt nicht fahren. Brittany Ferries bringt uns über Nacht in der Kabine mit Stockbett ruhig nach Roscoff. Ein bisschen Zug-Liegewagen Nostalgie kommt durch das Stockbett auf. Die Liegewagen waren jedoch immer gefühlt leicht siffig. Auf dem Schiff ist es wie immer wie geleckt, Seeleute verstehen auf der Welt am besten, wie man sauber macht. Finde ich.

Mit Bus und Zug geht es nach Blois. Dazu wird über Paris Montparnasse gefahren. Ein Riesenumweg, und Montparnasse ist nicht der schönste Bahnhof, aber so laufen eben die Gleise.

Aus Sicherheitsgründen haben wir Zeit eingeplant, so sind wir nach 24 Stunden am Ziel. Knapper getaktet, ginge es in 20 Stunden. Die Wartezeiten ermöglichen es uns, in der Bretagne ein erstes Croissant zu uns zu nehmen. Bin kein Croissantfan, doch vom guten Bäcker ist es doch was ganz anderes.

Morlaix, der spektakuläre Eisenbahnviadukt.
Morlaix, Bretagne
die Loire bei Blois.
Eier zum Selberkochen beim Frühstück.