Aus-zeit(en)

Diese freundliche Keramikkrabbe ist nicht modern, sondern stammt aus dem 19. Jahrhundert. Zu Victorias Zeiten mochte man das Skurrile.

Vor der Pandemie hätten vielleicht viele Menschen auf die Frage: Was möchten Sie lieber, ein modernes Museum besuchen oder Urlaub auf den Bahamas? geantwortet: Bahamas!!!! Und zwar dringend.

Da das gerade unpraktisch ist, ist eine Auszeit im Museum eine gute zweitbeste Lösung;-)

Jeder Ort hat ein Stadtmuseum, auch Plymouth, allerdings war dieses die vergangenen Jahre über aufgrund von Renovierung, Umbau und Erweiterung geschlossen. Nach der von Mai nach September verschobenen Wiedereröffnung wurde es gleich ein Hit: die zahlenmäßig begrenzten Eintrittskarten (kostenfrei) sind ständig vergriffen. Museum ist wieder hipp, wenn die Optionen weniger werden.

Wobei gesagt werden darf, es ist ein wunderbares Museum geworden. Kunst, Naturgeschichte, Stadtgeschichte, alles vorhanden und auf kesse Art präsentiert. Echte Exponate wechseln sich virtuellen Spielereien ab.

Das Mammut ist ein Nachbau von den Machern der Star Wars Filme.

Endlich

Erstaunlich: diese verzierten Becher sind die mit die ersten echten Porzellankeramiken, die auf britischem Boden und zwar in Plymouth hergestellt wurden.

Der Eröffnung des Museums fieberte ich entgegen, denn ich wusste, es gibt hier ganz besondere Stücke in der Sammlung. Ist Plymouth doch die Stadt, in der ein findiger Apotheker herausfand, dass sich Lehm aus Cornwall zur Herstellung von echtem Porzellan eignet. Seine Werkstatt bestand nur für zwei Jahre, zwischen 1768 und 1770, dann wanderte sie mit einem Mitarbeiter nach Bristol hoch und später kaufte Josiah Wedgwood, der klevere Kaufmann aus Stoke (Mittelengland) die Rechte an der ersten cornischen Porzellanerdegrube. Meißen fing 1710 an zu produzieren. D.h. die sächsische Herstellung hatte einen Vorsprung von fast über 50 Jahren, denn auch Frankreich mit Limoges und Sèvres begannen erst ab 1760, weißes Gold zu produzieren. Die wirtschaftliche Bedeutung war hoch, die europäische Welt hatte einen wahren Heißhunger auf Porzellan. Jeder und jede, die es sich irgendwie leisten konnten, kauften “China” (Tscheina), wie Porzellan noch heute auf Englisch heißt. Auch wenn es nun aus Europa kam.

Das Museum hat einige ausgesucht schöne Stücke dieser frühen britischen Zeit, die zeigen, die Plymouther Werkstätte fing nicht zögerlich mit einfachen Tassen an, sondern stieg sofort bei komplizierter Dekoration ein.

Aus für Infekt

Corona kommt näher. Oder doch nicht? Meine Freude ist groß, als ich eingeladen werde, bei einer dieser Studien teilzunehmen, die die “Durchseuchung” der Gesellschaft ermitteln sollen. Habe ich Antikörper? Mit der Post kommt ein Umschlag mit einem Pickser, einer Katalysatorlösung, einem Pflaster und einem Teststreifen, in dem man sein Blut tropfen lassen soll. Ich gehe ans Werk. Der Pickser tut nicht mal weh, das habe ich aus der Vergangenheit anders in Erinnerung, als bei Blutabnahme an der Fingerbeere mit einer Art Mini Skalpell – aber immer noch groß im Vergleich mit der Fingerkuppe – tief reingehackt wurde. Man hatte das Gefühl, bis auf den Knochen. Dies war anders, das Blut kam in die vorgesehene Öffnung, die Lösung wurde zugefügt, die Flüssgkeit zog sich den eingebauten Teststreifen hoch: och, negativ. Erwartbar, doch wieder nichts mit einem Minischutz. Wie lange ein Schutz anhält, ist zwar unbekannt, aber gefahrloses Training (da man ja nichts bemerkt hat) für das Immunsystem wäre auch gut gewesen.

Auszeit in alter Kirche

Diese ehemalige Kirche gehört mit zum Museum, das die portugiesische Künstlerin Leonor Antunes gebeten hat, den Raum für den Moment zu verändern, für lange Zeit jedoch auch ein Glasfenster zu gestalten.

Das Fenster sieht absichtlich aus wie die Muster auf traditionell gestalteten Buchinnenseiten. Es steht für Entdeckungen und zwar beispielhaft am Werk von Maria Sybilla Merian, die Flora und Fauna Surinams in der neuen Welt zeichnete und diese Bilder zurück nach Europa brachte, wo wir sie noch heute bewundern.

Schnipsel 4

Erst einmal die gute Nachricht. Auf der Seite der BBC gibt es einen Cake Calculator. Das ist eine Seite für den Zeitpunkt in der Zukunft, zu dem man wieder viele Leute einladen kann. Dann nämlich gibt man auf dem Kalkulator ein, was für einen dekorativen Kuchen man machen möchte und für wie viele Menschen. Der Kuchenberechner spuckt die Mengen für z.B. den Rührkuchen mit Buttercremefüllung und Zuckerguss aus. So praktisch.

Tier heißt Stufe

Seit dieser Woche gibt es 3 Infektionsstufen (Tiers) für das Land. Plymouth, Devon und Cornwall liegen bei Stufe 1, mittleres Risiko. Kleines Risiko gibt es nirgends, eine Stufe 0 ist gerade illusorisch.
Die zweite Stufe beginnt bei mehr als 100 Infektionen je 100.000 Einwohnenden. Das erscheint realistisch, da die jüngeren Infizierten kaum Symptome aufweisen und das Gesundheitssystem nicht belasten. Cheshire, unsere alte Heimat, liegt in diesem Tier 2, man darf sich z.B. nicht mehr mit fremden Haushalten drinnen treffen. Unsere FreundInnen im Norden, die ohnehin sehr zurückhaltend mit ihren Aktivitäten sind, sind nicht begeistert. Cheshire liegt im Nordwesten, dort breitet sich sogar Stufe 3 aus, Liverpool hat bereits volle Krankenhäuser, Manchester folgt mit der Ansteckungsrate nicht weit dahinter. Wales geht ab Freitag gar in einen Mini-Lockdown.
Trotz dieser Gefahren wehren sich die Kommunen gegen von London verhängte Zwangsschließungen, wollen mehr Mitspracherecht und vor allem mehr Geld, um bedrohte Mitarbeitende von etwa Gastwirtschaften, die zukunftsträchtig sind, jedoch notorisch geringe Löhne zahlen, zu schützen. Geringverdiendenschutz und andere wirtschaftliche Maßnahmen werden immer wichtiger. Es ist schwierig, die treffenden Entscheidungen zu treffen, aber man möchte es lieber selbst tun und nicht von London patronisiert werden.
Diese Art Kampf zwischen Zentralregierung und Regionen lässt sich in vielen Ländern beobachten, Frankreich, Italien, USA. Vermutlich überall.
Von außen betrachtet, sind die Diskussionen und Verhandlungen in Deutschland natürlich nicht immer ideal und sofort mit einem bestmöglichen Ergebnis behaftet, aber weiterhin konstruktiv und angemessen.

Der Lockdown, der seit heute 2 Wochen lang im Berchtesgadener Land gilt und meine halbe Familie betrifft, soll eine Warnung sein: es kann alle treffen. Auch dort – wie in Plymouth – gab es nie auffällig hohe Ansteckungsraten. Immer im grünen Bereich. Nun ist die Infiziertenstatistik innerhalb weniger Wochen explodiert. Und das ohne Fleischfabrik!

Zwei Wochen sind der Zeitraum, den man hierzulande einen Circuit Breaker Lockdown nennt, einen kreisdurchbrechenden Lockdown. Man ist in guter Gesellschaft, Irland hat ihn verhängt und, wie erwähnt, Wales. Er möge nützen!

Wellengang

Selbst Baden würde in einer risikoreicheren Einordnung kaum verboten werden, langsam werden die Schwimmendenzahlen ohnehin abnehmen, es wird kälter. Nächste Woche, gerade sind wir in einer Phase, die ich fast als Fön bezeichnen würde. Es herrschen angenehme Temperaturen, doch ein stürmischer mit Wind weht aus Süden, drückt also das Wasser auf die Küste. Leichte Bedenken tragend nähere ich mich dem Meer. Ich bin unerfahren, weiß noch nicht, was “normal” ist. Glücklicherweise treffe ich einen alten Herrn an, der gerade im Begriff ist, mit Nasstaucheranzug und einem der bunten Schwimmbojen ins Wasser zu steigen. Wir lächeln uns zu und er verschwindet fröhlich kraulend in den Wellen. Ich folge (nicht kraulend, kann ich ja nicht) und tanze mit den geschätzt bis zu 2 Meter hohen Wellen auch fröhlich vor mich hin. Die heben einen schon mit, und in den Wellentälern ein bisschen rumpaddeln. Ich erreiche das Ufer sogar noch mit ein paar trockenen Haaren auf dem Kopf.
Schwerer als der Wellengang ist das Treibholz, das sich selbst in den geschützten Sound verirren kann. Der eine oder andere Baumstamm gesellt sich zu den losgerissenen Seetangmatten, die sich in den Buchten sammeln. Leider mit ein paar Safttüten, die daran erinnern, dass Corona nicht das einzige Problem bleibt.

Mit der App in den Zoo

wir sind drin: im Zoo

Vögel überall!!!

Nandus (oder Rheas) sind flugunfähige Vögel aus Südamerika. Fußnote dazu: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es seit dem Jahr 2000 eine aus einer Farm entwichene und verwilderte Population, die nicht nur zu aller Erstaunen überlebt hat (Stichwort Winter), sondern derartig angewachsen ist, dass sie bejagt werden dürfen, obwohl die Vögel in ihrer Heimat als potenziell gefährdet (also als gerade noch nicht gefährdet) eingestuft sind.

Strauße sind flugunfähige Vögel aus Afrika.

Emus sind flugunfähige Vögel aus Australien. Das sind die mit dem perfekten Feder-Mittelscheitel über ihren langgetreckten Körper.

Kasuare sind laufunfähige Vögel aus Neuguinea und Nordaustralien.

Kasuar in Paignton Zoo.

Alle diese Vögel finden sich in Paignton Zoo. Die ganze Welt der riesigen flugunfähigen Vögel auf einem Fleck. Ziemlich gigantisch, oder?
Paignton ist dieser schon oft erwähnte Ferienort an der Englischen Riviera (am Ortseingang steht wirklich: “Welcome to the English Riviera”), ein familienurlaubsfreundliches Städtchen mit Sandstränden und einem milden Klima. Kein Wunder, dass es dort einen Zoo gibt. Für schlechtes Wetter und Kinderbespaßung. Es ist allerdings nicht nur ein netter Zoo, es ist ein extrem netter Zoo. Wir verbrachten vier Stunden mit, ja, Betrachten und Staunen. Wann ist man schon mal vier Stunden in einem Tiergarten?

Und noch mehr Vögel. Flamingos am Eingang, Papageienartige in Volieren oder Ibisse in der Durchgangsvoliere. Das ganze Gelände besteht aus altem Baumbestand und üppiger Bepflanzung, könnte mit erklärenden Schildern problemlos als botanischer Garten durchgehen. Die Besuchendenfreundlichkeit muss man hervorheben. Es gibt nicht nur viele Bänke, sondern diese stehen auch so, dass man beim Ausruhen Tiere beobachten kann. Das ist nicht in allen Zoos so, der berühmte Zoo von Chester hat die Bänke genau da stehen, wo man nichts sieht.

Der Zoo kommt auf die immer länger werdende Liste der Dinge, die wir gerne Reisenden zeigen würden, wenn diese Reisenden denn kämen (dürften, könnten) … Nächstes Jahr dann!

und die App

Die Coronaapp sollte im Mai das Herzstück der Infektionsverfolgung werden. Natürlich die weltbeste, darunter machen wir es hier nicht. (Politische sagen hier ständig wirklich Dinge wie: weltführend, weltbeste, mit das Beste … ist nur so dahingesagt.)
Dann wurde es ruhig um die App.
Sehr ruhig.
Totenstille.
Mitte September ist sie dann sehr überraschend auferstanden.
Bringt sie was? Hat sie vernünftigen Datenschutz? Ich höre nichts Gegenteiliges, zögere dennoch: ich bin mehr als selten länger als 15 Minuten in der Nähe von überhaupt irgendjemandem. Das ist die Zeit, in der die App dann melden könnte: auf in die Quarantäne.
In der Zeit von 15 Minuten kann man einen Großeinkauf machen und ist selbst an der Kasse in 5 Minuten durch. Dazu kann man mit einem Einkaufswagen die Mitmenschen endlich zu mehr Distanz zwingen.
Doch man will ja mitmachen. Überzeugt hat mich ein schlaues Merkmal der App: alle Orte, an denen man sich länger aufhalten könnte wie Restaurants, Cafés, Büchereien, Kirchen haben eine QR Code erhalten. Das ist dieses quadratische schwarz-weiße Muster. Den Code kann man mit der App scannen, dann ist man dort offiziell angekommen. Es entfällt das lästige Ausfüllen von Zetteln und ist anonymer als diese offenen Listen, auf die man manchmal noch trifft. Das ist klever, damit überzeugt man mehr Leute, die App zu benutzen. (Leider ist Ks Betriebssystem auf dem Wischkastl zu alt, die App ist dafür nicht programmiert und das ist schade.)
Für den Zoo in Paignton konnte ich mich also problemlos “einloggen”.

Rücksturz in den Sommer

Während der erste Herbststurm um die Hafenkante braust (ein Stürmchen, aber irgendwo muss man ja anfangen), und wir auf einen Winter mit Einschränkungen zugehen, eine Rolle rückwärts in die letzten Sommertage:

Das sind Bilder! Und der Tag hätte so perfekt sein können. Die Wanderung an Meer und Fluss entlang, Limonadeneinkehr in einem Dorfpub … Sonnenschein.

Noch einmal Wanderzeit, Mitte September, in Cornwall. Vom Wanderparkplatz am Meer entlang nach Polruan, dann den Fluss Fowey hoch, bis zu einer Minibrücke, flussabwärts nach Bodinnick mit Pubpause und zurück zur Brücke. Unser neuer Wanderführer bewährt sich. Dieser Führer ist aus einer anderen Serie als der Devonführer, den wir gerne benutzen. Jene Serie beinhaltet eine Cornwallausgabe, wir hätten sie gerne erworben, doch sie ist ausverkauft. Vorbestellen, wie sonst üblich? Nicht einmal im Internet war das möglich. Denn in den UK gibt keine Buch-Farbdruckereien mehr. Da Lieferketten brüchiger geworden sind, kann weniger geplant werden.

Also Wanderung gut, wo liegt dann das Problem? Am Parkplatz. Wanderparkplätze existieren in halbwegs ausreichender Menge, doch weiß man im Voraus selten, wer sie bewirtschaftet und ob sie etwas kosten. Das ist anstrengend. Am Geld soll es zwar nicht scheitern, wir horten Münzen für Parkplätze und am guten Willen schon gar nicht. Wir haben schon mal über Telefonnummern bezahlt und mit Karte. In Ferienorten gibt es auch mal ein Häuschen mit einem Menschen drin. Doch neuerdings, durch Corona beschleunigt, schleicht sich eine unheilvolle Neuerung ein: das ausschließliche Bezahlen per App. Auch mitten in der Pampa, wo man kaum Verbindung für ein Telefonat bekommt, geschweige denn um eine App runterzuladen oder zu benutzen.

Auf unserem Wanderparkplatz steht noch was von Münzen, doch man kann keine mehr einwerfen. Im dritten Versuch erreiche ich auf dem Handy eine Maschinenstimme, die mir (mittlerweile stehen wir schon eine Viertelstunde auf dem Parkplatz) mitteilt, “am schnellsten geht das Bezahlen, wenn Sie die App herunterladen”. Meine Stimmung ist am Nullpunkt bzw. eigentlich bin ich auf 180, sind wir doch über eine Stunde hergefahren und nun das? Irgendwann ist Schluss, wir parken dann eben ohne zu bezahlen. Wenn wir einen Strafzettel bekommen, kann man ihn überweisen oder in einem Schriftverkehr argumentieren, kein Grund, den Kopf zu verlieren.
Der Kopf macht aber nicht mit: dieses in die Illegalität gedrängt worden sein, setzt das Hamsterrad in Bewegung und es rattert und rattert. Als wäre man zu geizig oder assozial, fürs Parken zu bezahlen. Es ist ungerecht.

Wir haben übrigens keinen Strafzettel bekommen und die Landschaft war wirklich schön.
Die App habe ich nun, bislang war sie nicht vonnöten. Der nächste Wanderparkplatz war mit Karte zu bezahlen, der übernächste war umsonst. Den haben wir allerdings fast nicht gefunden. Auch so ein Thema …. vielleicht wird das mit dem gesunden Wandern doch überschätzt, wenn es so viel Nerven kostet;-)

Zum Ausklang Pubessen in Hessenford – toller Name.

Bunte Autos und weiße Zähne

draußen vor der tür

Vom Goldenen Oktober ist noch nichts zu spüren, Himmel und Meer wechseln sich in Grautönen ab. Die durch Dürre im Frühling und Sommer gebeutelten Bäume zeigen weiterhin ihr schlappes grün-braunes Blätterkleid, es gibt wenig Anzeichen von Rot und Kupfer und Gelb.

Anders sieht es auf den Straßen aus. Letzthin lockten nur Cinquecentos mit ihren 50er Eiskrem-Pastellfarben ein Lächeln aus VerkehrsteilnehmerInnen heraus, doch jetzt:

Die Autofarbe ist zurück. Nach Jahrzehnten Weiß, Silber, Silber-Weiß, Hellgrau, Mittelgrau, Dunkelgrau, Schwarz und ein bisschen Teergrau, wagen sich Farbtupfer in größerer Zahl in die Öffentlichkeit. Leckeres Karamelocker, dunkles Toffeebraun, elegantes Steingrau (Loriot wäre begeistert), geheimnisvolles Dunkelgrau, erstaunliche Blautöne, Himbeerrot, Brombeerrot, Rubinrot, Russischgrün, dazu Farben, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt. Endlich hat die Industrie entdeckt, dass bunt auch nicht mehr kostet. Ist eh alles synthetisch.
Vauxhall benennt seine aktuelle Palette übrigens nach Edel- und Halbedelsteinen (Opalgrau, Amethystviolett).

In Deutschland, wie sieht es da aus? Laut Internetz wird der VW Golf weiterhin zu einem Drittel in der Farbe Reflexsilber metallic bestellt und ein weiteres Drittel in Schwarz. Immerhin darf das letzte Drittel Autos in Küstenblau oder Chilirot ausgeliefert werden.

Eine neue Zahnbürste

Die aus Deutschland mitgeführte elektrische Zahnbürste – ein Werbegeschenk – hat den Geist aufgegeben. Der Akku war mehr mit Aufladen als mit Putzen beschäftigt, so schwach war er geworden. Saubere Zähne sind ein Muss, eine elektrische Bürste bei vielen Füllungen kein Luxusgegenstand, also wird recherchiert. Wau, nach 15+ Jahren hat sich die Zahl der Modelle vervielfacht. Heute gibt es Zahnbürsten, die einem einen guten Morgen wünschen und einem einen finsteren Mund zeigen, wenn man keine 2 Minuten geputzt hat. Dazu haben sie lernfähige Programme und warnen, wenn zu viel Druck auf das Zahnfleisch aufgeübt wird.

Schlimm das, will keine Diktatur im Badezimmer und ein einfacheres Modell ist viel billiger. Gekauft, ausgepackt und – dumm geschaut. Der Ladestecker ist weder ein europäischer noch ein britischer. Er hat zwei Zähne, doch enger beieinander als in Deutschland. Ein Blick ins Netz erklärt, es handelt sich um einen Rasierbuchsentauglichen Stecker.
In den UK ist es verboten, eine 220 Volt Steckdose im Bad zu installieren, man kann sich dort also nicht föhnen usw. Vielleicht haben sie zu viele Filme gesehen … Oftmals gibt es jedoch eine 110 Volt Dose für Rasierapparate, unser Bad hat jedoch keine. Man erwartet offenbar nass rasierende Mietende.

Die gute Nachricht lautet, es hat doch noch geklappt, Adapter von 110 auf 220 V sind in jedem einschlägigen Laden billig zu bekommen. Da der neue Akku endlich wieder leistungsfähig ist, reicht es, die Zahnbürste alle 2 Wochen zur Buchse zu schleppen.

Im Nachschlag noch diesen kuriosen Fakt: keine Steckdose im Badezimmer, doch in jedem Hotel- oder Pensionszimmer steht ein Wasserkocher bereit mit Tassen und Beuteln für die Tasse Tee zwischendurch. Wegen Brandgefährdung würden Sicherheitsfachleute in Deutschland Schnappatmung vor Schreck bekommen. Fön im Bad dagegen: kein Problem. So schätzen beide Länder ihre Güter und Risiken gegensätzlich ein: Tee ist wichtig, trockenes Haar nicht so sehr.

Perspektivenwechsel II

In Cornwall und in Devon ist die Küste voller Buchten, sandig, kiesig oder felsig. Manche sind nur bei Ebbe ratsam zu besuchen, manche laden bei jeder Tidenlage zum Verweilen ein. Dort ist die See leerer als in der Stadt, weniger Boote, mehr Horizont.

Da ist diese Bucht Broadsands (früher schon erwähnt) nahe Paignton (Stichwort: englische Riviera, Devon), sehr einladend, sehr nett von der Landseite.

Vom Wasser wird die Küste zum Panorama, in der eine Eisenbahn fährt. Es ist eine alte, nicht elektrifizierte Linie, die es eigentlich nicht mehr geben dürfte, da sie in den 60ern stillgelegt wurde. Privat-Öffentliche Vereinigungen haben dies nicht hingenommen, sondern die ganzen Jahrzehnte hindurch weiterhin eine Art Betrieb aufrecht erhalten. Die Verwaltung dieser Nebenlinie greift dafür nicht, wie oft bei den Museumsbahnen, auf Freiwillige zurück, sondern bezahlt die Mitarbeitenden, es ist Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Entstanden ist eine Mischung aus Touriattraktion und Personen- Gütertransport. Von der Wasserseite aus fügen sich die Bruchstücke der zerklüfteten Küste zusammen. Von rechts schnauft eine Dampflook mit anhängendem Zug heran. Fährt über eine Brücke und verschwindet hinter dem nächsten Hügel. Man hört sie immer noch, sieht vielleicht ein Rauchwölkchen und dann puff-pufft die Bahn über den schönen alten Viadukt. Als säße man mitten in einer Modelleisenbahnlandschaft. Lummerland ist nichts dagegen.

Da sich Meerwasser oder jedes Wasser schlecht mit Kameras verträgt, keine Seeseitenbilder, nur ein paar kopierte Werbebilder von Land aus.

400 Jahre Mayflower

2020 jährt sich die Reise des PilgerInschiffes Mayflower zum 400sten Mal, mit dem, historisch nicht korrekt, doch mythenwirksam, die Besiedelung des nordamerikanischen Kontinents durch Weiße begann. Als die Leute aufbrachen, dachten sie vermutlich nicht daran, diesen erstaunlichen Stellenwert in der Geschichte einzunehmen.

2020 sollte also ein Jahr der Erinnerung, der Feier werden. Entgegen vergangener Jubiläen auch mit der nötigen Feinfühligkeit, wer da wo was gemacht hat und welche Folgen es für wen und was hatte.
Durch Corona wurden die Pläne arg durcheinandergewirbelt. So findet im Stadtmuseum erst jetzt im Herbst eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit den einheimischen Stämmen statt, die damals an der Ostküste gelebt haben. Weitere Veranstaltungen wurden neu angesetzt und finden hoffentlich bis Mitte 2021 statt.

Mit der nötigen Distanz kann man mühelos jetzt schon die beiden Kunstwerke betrachten, die am Hafen aufgetaucht sind. Eines von lokalen Kunstschaffenden, eines von dem international bekannten Künstler Antony Gormley.

Zuerst Speedwell (gute Fahrt) von Still/Moving, einer Kunstgruppe. Lichtkunst auf dem Mount Batten Wellenbrecher (Osthafen), von der Stadt aus gut einsichtig. Das Werk aus LED Leuchten drängt sich nicht auf, sehr zurückgenommen, es sind schlichte weiße Leuchtkörper vor dem seegrauen Hintergrund. Es ist eine Art Wortspiel, das zum Nachdenken anregen soll. Die Leuchten bilden die Worte: NO NEW WORLDS (keine neuen Welten). Durch An- und Abschalten einzelner Buchstaben entstehen weitere Kombinationen, etwa NO, NO NEWS, NO WORLD, NEW WORLDS.


Das neueste Kunstwerk ist von Antony Gormley: LOOK II (Schau II), auf der Westseite.

Die vage menschliche Figur besteht aus rechteckigen Blöcken wie Container, die für den internationalen Warenverkehr benutzt werden. Von ferne sieht die massive Figur aus wie gepixelt, wie ein Wartender, ein Denkender, ein Schauender, ein Abreisender? Freie Assoziation ist erwünscht. Außerdem wird es eine Ausstellung dazu und zu anderem im Stadtmuseum geben.

Der Standort ist nicht zufällig ausgewählt. Die Mayflower legte zwar vom Osthafen ab, doch hier am Westpier legte Sir Francis Chichester, der Welt erster Weltumsegler als Einhandsegler (alleine auf dem Boot) nach seiner Weltumsegelung an. Chichester segelte nicht nur um die Welt, sondern sogar in unser Englischbuch im Deutschland der frühen 80er Jahre.