Ich stehe auf dem durch die aufkommende Flut sehr schmal gewordenen Strand in Lyme Regis und sehe die 30 Meter hohe Wand hoch. Instabil geschichtet über mir liegen weltbekannte Gesteinsablagerungen. Das Dunkle ist feinster Ton, gemischt mit mooriger Erde. Organisch. Ein Material, das schwer von den Händen abzuwaschen ist. Batz halt … Das helle ist Kalkstein, Lias genannt oder Schwarzer Jura. Nach jeder Flut gibt es bröselfrische Fossilien aus der abblätternden Wand. Gegraben darf nicht werden, was herunterfällt, darf jedoch untersucht werden. Wenn man nicht vorher einen Stein auf den Kopf bekommt. Einfacher geht das Finden im Rahmen einer Führung, doch dazu ist keine Zeit an diesem Wochenende (K Schach und Besichtigungen, ich nur Besichtigungen).
Hier in Lyme Regis befindet sich der Teil der Juraküste, the Jurassic Coast, die knapp 200 Millionen Jahre alt ist, doch die gesamte Küste umfängt noch ältere und auch neuere geologische Abschnitte. Kein Wunder, dass hier die Wiege der Paläontologie (Altkunde) zu finden ist, viel Information auf kleiner Fläche stehen zur Verfügung und starren einem ins Gesicht, bis man anfängt, die Puzzlesteine zusammenzufügen.
Lyme Regis wurde besonders durch Mary Anning, oben im Bild, bekannt, geboren 1799, die aus einem armen Haushalt kam, der sich mit Fossilienverkauf ein Zubrot verdiente. Sie begann als eine der ersten Menschen, diese Funde wissenschaftlich aufzuarbeiten, was offiziell nicht besonders anerkannt wurde, außer unter der Hand, denn sie war eine Frau und kam aus der falschen gesellschaftlichen Klasse. Heute gilt sie als eine Begründer:innen der modernen Paläontologie.
Fossilien kaufen wäre nicht teuer, für ein paar Pfund bekommt man einen kleinen Ammoniten (diese gekringelten Schalen).
Wir sind in Dorset, angrenzend an Ostdevon und verbringen das Wochenende in Weymouth. Hier gibt es weniger Fossilien als in Lyme Regis, doch ist der Sand geeignet zum Figurenschnitzen. Nur Sand und Wasser werden in Blöcke gepresst, aus denen später dann Skulpturen herausgeschnitten werden. Pur oder nur mit einem feinen Lack überzogen sollen die Figuren ein Jahr lang im Freien halten. Auch hier ist eine besondere Geologie im Spiel. Die Sandkörner von Weymouth fühlen sich puderzuckerfein an, sind aber kantig, im Gegensatz zu rund. Pressen mit Wasser “verbäckt” sie in Schichten, die Körner verhaken sich und bleiben relativ stabil.
In der Sandschutzmuschel kann man Prince King Charles bewundern. Leider werden im Moment um diese Muschel mit Baggern keine Sandberge für künftige Künstler:innen aufgetürmt, sondern Hindernisse für ein Motocross Treffen am Sonntag.
Es gibt noch mehr Könige her, zu nennen ist vor allem George III., der den Ort ab 1789 (ungefähr) urlaubstauglich gemacht hat, indem er zu Besuch gekommen ist. Zum Dank für die Stadtentwicklung gibt es eine kolossale Statue von ihm, nach dem der Busbahnhof benannt ist. Man findet schnell heraus, wo das ist: King’s Statue. Es ist die Endhaltestelle aller Buslinien, und wir nutzen den Öffi auch gerne.
Blau und Blau
Wir haben ein exzellentes B&B direkt dahinter.
Chesil Beach
Eine geologische Sensation jagt die nächste an dieser Küste. Finden wir. Ein kurzer künstlicher Damm führt nach Portland, einer nahe gelegenen Kalksteininsel, deren Steinbrüche halb London ihr charakteristisches Gesicht gegeben haben. St Paul’s Cathedral ist aus Portlandstein erbaut, genauso wie Buckingham Palace. Es gibt aber auch jüngere Beispiele, so die Vereinten Nationen in New York. Portlandstein wird bis heute abgebaut, ist aber teuer.
Portland, die Insel, ist auf natürliche Weise mit Dorset verbunden, aber eigentlich erst 29 km weiter westlich, über Chesil Beach. Dieser Kiesstrand bildet einen feinen Bogen vor diesem Küstenabschnitt. Wirkt so perfekt, als könne er nur künstlich sein, doch solche Kiesstrände gibt, wenn auch selten, auf der Welt, wenn auch die Ursachen für diese Ablagerungen noch nicht vollständig geklärt sind. Möglicherweise spielen schwankende Meeresspiegel in Eiszeiten eine Rolle.
Dorchester, Verwaltungssitz von Dorset
Tess von den d’Urbervilles, eine sozialkritische Tragödie, ein brillantes Buch, ist eines von Thomas Hardys bekanntesten Werken und hier war er daheim. Da er gelernter Architekt war, entwarf er sein eigenes Haus, Max Gate. Ein gemütliches Wohnhaus von 1874, umringt von Bäumen und einem großen Garten. Es kann erst seit wenigen Jahren besichtigt werden, da es bis vor kurzem laut Vertrag mittels Mieteinnahmen für die Nachwelt erhalten wurde. Seit 2011 sorgen Eintrittsgelder erfolgreich für die andauernde Konservierung. Hardy war ein Popstar seiner Zeit, vorbeikommende Menschen wollten einen Blick auf ihn erhaschen, Busse hielten extra dafür an. Hardy aber wollte nur mit angekündigten Gästen Zeit verbringen und pflanzte immer höhere Hecken. Heutzutage dürfen wir alle endlich ins Haus und stören ihn auch nicht mehr.
Neben Hardy gibt es in dem hübschen, wenn auch unscheinbaren Städtchen Dorchester ein Museum, das Land und Leute von heute bis in die Urzeit darstellt.
Scherz in Klaus Schachhotel: Warnung. Unbeaufsichtigte Kinder bekommen einen Espresso, eine Schüssel Zucker und einen niedlichen Hundewelpen geschenkt. (… Dann werden die aufgedrehten Kleinen den Eltern wieder übergeben. Damit wird gedroht.)