Die geduldige Pflanze

Sieht man nicht alle Tage, selbst wenn man eines dieser Pflänzchen hochgezogen hat: Furcraea longaeva ist ein Agavengewächs, aber was für eines: 3-4 m hoch und sieht aus wie ein filigraner Springbrunnen mit Hularöckchen.
Die riesigen Blütenstände enwickeln sich nur einmal, am Ende des Lebens einer Pflanze und das dauert 10 Jahre oder länger, deshalb ist eine blühende Furcraea longaeva nur selten zu betrachten und eine kleine Sensation. Furcraea kommt von einem Botanikernamen, longaeva heißt langlebig.

Die Furcraeas stehen in Overbecks Garten, einem kleinen, aber superfeinen subtropischen Kleinod an der süddevonischen Küste bei Salcombe. Salcombe ist berühmt-berüchtigt, weil es fast ausschließlich aus Zweitwohnungen besteht. Wobei Zweitwohnungen irreführend ist, Zweitvillas ist der richtigere Ausdruck.

An den kleinen Strand dürfen aber alle hin und ins Wasser ist sowieso kostenlos.

Overbecks Garten, benannt nach einem der Eigentümer, Otto Overbeck, besteht seit über 100 Jahren und wurde von allen Eigentümern mit Blick auf die Gartengestaltung bewirtschaftet. Da das Klima hier besonders mild ist und die Lage sehr geschützt, können Bananenstauden wachsen, Palmen, Orangen, Oliven … alles möglich ohne Gewächshaus.

Wassertaxi ahoi

Von Salcombe Südstrand nach Salcombe Innen’stadt’, beides auf derselben Seite des Ästuars gelegen, kann man mit Hilfe einer Fähre gelangen. Das coolste Ding überhaupt. Man klettert auf das überdachte Vehikel, das aussieht wie ein Partybollerwagen, wie man ihn manchmal mit bierlustigen Leuten besetzt auf Landstraßen in Deutschland antrifft. Dieses fährt mit Hilfe eines kleinen Motors ins flache Wasser und wartet dort auf eine kleine Fähre, die die Passagiere übernimmt. Ein Salcombe üblicher Preis: 4,75 Pfund einfach! Die Fahrt kann nicht lange dauern und man erreicht nicht einmal die einladenden Strände am anderen Ufer. Die Fähre ist populär, wegen des Preises steigen wir aber nicht ein. Mit Blick auf die Details: Die linke Fahne ist die von Devon, Hunde dürfen umsonst mit.

Nochmals die Furcraea, die hat uns in dieses Paradies gelockt.
Blick zurück vom Küstenwanderweg

Zu Besuch bei Franz Kafka

Eine Waschmaschinensaga

Welche zivilisatorische Errungenschaft hat das Leben der Menschen am meisten erleichtert? Selbstverständlich lautet die Antwort: die Waschmaschine. Waschtage, ganze TAGE haben die Wochen von Frauen versaut! Weniger Technik und nicht pflegeleichte Textilien machten die Arbeit zur zeitraubenden Schwerstarbeit.

Als wir kürzlich innerhalb Plymouth umziehen mussten (Haus wurde verkauft), benötigten wir zum ersten Mal in den UK eine eigene Waschmaschine. In den beiden Vorgängerhäusern war der Bedarf gedeckt. Im dritten Haus war der Platz neben der Spüle leer.

Was treibt den modernen Waschmaschinenmarkt an? Energieklassen, Schleuderzahlen, Füllmengen, alles wie gehabt. Das Neueste sind WLAN fähige Maschinen, die man von überall in der Welt anschalten kann, solange die Trommel vorher geschlossen wurde. Für uns wichtiger: leise soll sie sein, Energieklasse A haben und Schleudern bei 1600, damit nicht ewig feuchte Wäsche im Haus steht, wenn man draußen nicht trocknen kann. Es gibt jetzt sogar verschiedene Farben … okay, vielleicht nicht das Wichtigste, aber man sieht die Maschine jeden Tag.

Wir haben uns für eine Hoover entschieden, gute Bewertungen, gute Bauteile, jedenfalls in ihrer 500er Klasse. Billiger als Miele und doch immer noch eine Stange Geld. Soll ja lange halten. Unsere Mietwohnungseinbauküche ist so ein trauriges braunes Modell, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Papier gekauft hatte, um die Schränke auszulegen, damit man wenigstens innen ein bisschen Fröhlichkeit sieht. Die Spritzschutzfliesen dagegen sind schwarz gesprenkelt und von guter Qualität. Eine schwarze oder graue Maschine würde den Raum aufwerten, die Modelle sind aber teurer als die weißen. Erst mal abwarten. Als es ernst wird, gibt es die graphitgraue im Angebot, was für ein Glück. Bestellen, Liefertermin ausmachen und DAS ENDE.
Ja, fast, denn nun erleben wir eine dieser Geschichten, von denen man hofft, sie passierten nur anderen:

Der Liefertermin ist ein Tag vor meinen großen Chorwochenende. Ich freute mich seit Wochen darauf, ein kleiner Urlaub nach der ganzen Umzieherei, perfekt. Am Nachmittag kommt dann ein Anruf: Laster ist verreckt, kommen morgen vor 10 Uhr. Da bin ich längst auf der Autobahn, K muss ran. Ich sitze im Reisebus, frage nach: schon jemand da? Um fünf vor 10 ist noch niemand zu sehen und ich finde es nicht in Ordnung, dass die Lieferer im System hinterlegt haben: am Vortag ausgeliefert! Noch kein Grund zu Panik, aber lieber aktiv werden.
Ich gehe mit dem Handy, bei schlechter Internetverbindung, einen Textchat mit der Firma an. Bis ich durch die Identifizierung durch bin, wer bin ich, Bestellnummer, was will ich, vergeht fast eine Stunde, denn auf dem Handy muss ich dauernd Informationen suchen, ohne aus dem Textchat rauszufliegen. Als sie dann einen Fall für mich eröffnen, werden wir getrennt und nun meldet sich K, um 11 sind doch noch zwei Leute angedackelt gekommen, recht leger, die haben die Maschine installiert. Doch die Maschine hat einen Schönheitsschaden, rechts und links im Deckel Macken, die die Funktion nicht beeinträchtigen würden. Wurde uns versichert. Nicht wirklich sichtbar von vorne, sagt Klaus, die Männer wären bereits mit dem Angebot hereingekommen, die Maschine wieder mitzunehmen oder 20 Prozent Rabatt zu geben. Wir beschließen, das Angebot anzunehmen. Nach dem Umzug sind wir froh, etwas sparen zu können und was passiert mit einer unschönen Maschine? Die wird verschrottet, das ist unökologisch.

Nach der Heimkehr wird gewaschen. Die Maschine sieht cool aus und läuft schön leise. Bis sie zum Schleudern kommt. Da klingeln die Gläser, da wandert das Sonnenblumenöl und das Olivenöl in der Glasflasche bekommt Beine. Wasche mit weniger Umdrehungen, das ist besser, aber immer noch vibrationsreich. Ich lege eine Wasserwaage auf die Maschine, ist halbwegs gut kalibriert. Schraube ein wenig an den Standfüßen herum und suche im Internet nach „Waschmaschine vibriert zu viel“. Antivibrierfüße und Dämmmatten werden allerorten angepriesen. Also doch normal? Ich lebe mein ganzes Leben lang, ich Glückliche, mit Waschmaschinen und habe schon viel erlebt mit Billigheimern und Top-Modellen, und noch nie war Vibration ein Problem gewesen. Bei einer Premiummaschine sollte das nicht vorkommen. Zufällig haben wir einen dieser Handwerker im Haus, die von alles eine Ahnung haben, ich lasse ihn kucken. Wir kippen die Maschine, damit er nach den eingebauten Dämpfern sehen kann. Da rollt etwas in der Maschine! Klingt nicht bedrohlich, doch mindestens nach Schlamperei und jetzt wird es mir langsam zu viel. Ungern, aber wiederwillig, begebe ich mich auf den Beschwerdeweg, obwohl ich weiß, wie es enden wird: Die Verkäufer werden alle Probleme auf Hoover schieben, Hoover auf die Verkäufer.

Um eine deutliche Fährte meiner Taten zu legen, beginne ich mit der großen und bekannten Verkäuferfirma und trete in meinen, nach der Lieferverzögerungskommunikation, zweiten Textchat ein. Als ich endlich den richtigen gefunden habe. Zuerst muss man an einem Zerberus vorbei, dem automatischen Chat, also der künstlichen Intelligenz. Mit der KI habe ich gute Erfahrungen bei Routineanfragen diverser Firmen gemacht, doch dies ist keine Routineanfrage. Man muss die KI nerven, indem man mehrmals eintippt: ich will mit einem Mitarbeitenden verbunden werden. Dann kriegt man einen Menschen, in meinem Fall waren es meist freundliche Mitarbeitende in Asien, das ist mir egal, wo die Leute sitzen, ich will Kontakt.
Ich ackere mich wieder durch die Identifikation durch, lasse mich nicht abwimmeln und schlussendlich bekomme ich eine Telefonnummer für den Reparaturservice. Option 2 oder 3. Mhm. Ich wurschtele mich durch ewige Alternativen durch. Nein, ich habe kein Gasleck, also die 2 drücken, ja, das Gerät ist groß, wieder die 2, ist es eine Waschmaschine? Ich erreiche eine englische Dame (Akzent und Name sind hier meine Ratgeber, ich kann auch völlig falsch liegen). Sie entscheidet, meine Geschichte klingt wie ein Fall für den Hersteller. Ich nehme es ihr nicht übel, könnte ja korrekt sein.

Ich mache mich auf die Suche nach dessen Servicenummer, also von Hoover. Zuerst das Gerät dort registrieren. Dachte ich, war dann gar nicht nötig, die glauben einem, dass man noch Garantie hat. Ich erreiche eine Dame mit einem schönen schottischen Akzent, die mich warnt, falls es am Verkäufer liege, könne ich auf einer Rechnung von Hoover sitzen bleiben. Immerhin wurden uns die Transportbolzen !!!????!!! nicht ausgehändigt, das klänge doch schon merkwürdig. Gefällt mir nicht, die Sache mit dem Bezahlen, doch ich bestehe auf einem Handwerkerbesuch. Ich habe ja schon mindestens eine Stunde Recherche und Kontakte investiert, vermutlich länger.
Der Termin findet in 10 Tagen statt, geht das vorwärts hier!

Handwerker kommt, sieht aus, als könne er unter jeden Arm eine Maschine klemmen und damit gemütlich die Straße runtergehen. Das flößt Vertrauen ein. Er hat auch Ahnung, noch mehr Vertrauen. Er öffnet die Maschine, findet einen Plastikbolzen, das war das Geräusch, das wir gehört hatten. Harmlos, aber verdächtig. Der optische Schaden am Deckel hat diesen verzogen, er kann nicht mehr fest angezogen werden. Vermutlich der Grund für das laute Schleudern und die allgemeine Unwucht. Ich frage, ob das so etwas wie ein Unfallwagen sei. Er meint, der Vergleich sei stimmig. Und seine Diagnose lautet: diese Maschine ist eindeutig mal gefallen / runtergefallen, wurde fallen gelassen. Wie es für mich weiter geht, weiß er nicht, er schreibt nur einen Bericht.
Da ich Hoover nichts bezahlen will und wir eine Waschmaschine brauchen und mir die Maschine grundsätzlich zusagt, entscheide ich mich für den Angriff und nicht einfach eine Rückgabe oder das Stillhalten, ich will einen Umtausch.

Ich warte bis zum nächsten Tag, um Energie zu sammeln, um wieder mit dem Verkäufer Kontakt aufzunehmen. Ich gehe in den Chat und mache deutlich, dass unsere Entscheidung, die Maschine mit Schönheitsfehlern zu behalten, aufgrund unzureichender Informationen getroffen wurde, die Maschine hat einen Schaden, ich fühle mich ausgetrickst. Werde auf die Servicenummer verwiesen, dieses Mal soll ich mich anders durchwählen. Ich klicke mich durch den Apparat wie angewiesen, und lande nach Angabe (alles Maschinenstimme), dass ich eine Hoover habe, zu meiner Überraschung beim Hooverservice. Ich erkenne sogar das typische Hintergrundgeräusch dessen Callcenters. Dieses Mal ist es eine andere Dame, die mit mir spricht. Nach wenigen Worten sage ich ihr, ich sei verwirrt, bei Hoover sei ich schon mal gewesen, ich wollte doch beim Verkäufer bleiben. Sie fragt, bei wem ich die Maschine gekauft habe. Als ich antworte, sagt sie, aha, der Trick bei diesem Verkäufer sei, keine Auswahl zu treffen, sondern so lange durchläuten zu lassen, bis jemand rangeht. Ich bin offenbar nicht die erste Person, die erstaunt bei ihnen aufschlägt.

Ich mache mich ran. Ich wähle mich durch, bis keine Rede mehr von Gaslecks ist und probiere verschiedene Varianten aus. Ich erreiche Menschen, die jeweils ihr Bedauern ausdrücken, aber genau die Falschen sind. Sie reparieren Computer, kümmern sich um ältere Maschinen oder um das hauseigene Maschinenversicherungssystem. Ich werde durchgestellt, bis ich rausfliege. Ich wähle mich einmal, zweimal, dreimal ein, es wird sofort abgenommen oder es herrscht Wartemusik. Ich werde Expertin, so viel ist sicher. Jede nur mögliche Situation findet statt. Ich sitze mit den Telefon auf dem Sofa und hangele mich mit einer gewissen morbiden Faszination durch jede kafkaeske Situation, die sich mir bietet. Diese Absurdität hat etwas, was neugierig macht, welcher Schwachsinn da noch auf einen zukommt. Doch irgendwann ist Schluss. Als ich zum zweiten Mal bei derselben Dame herauskomme, die mir schon einmal mitteilen musste, sie kümmere sich um Maschinen, die man vor längerer Zeit erworben hat, zeige ich leichte Anzeichen von Hysterie. Sie versteht die Dringlichkeit und stellt mich irgendwohin durch. Wohin weiß ich nicht. Dieses Mal ist es ein Mann und zum ersten Mal ist die Verbindung für uns beide schlecht. Wir reden nur das Nötigste, er scheint aber Zugriff zum Fallverlauf zu haben. Er gibt mir eine Nummer, die ich bei allen weiteren Kontakten zum Verkäufer nennen solle. Wer ist das? Ich weiß es immer noch nicht. Ich wiederhole die Nummer und wir legen auf.

Zwei Stunden sind vergangen im Gefängnis der Chaträume und Call-Center, ich schwöre mir, nie wieder beim Verkäufer oder überhaupt bei einer Hotline anzurufen. Ich wünschte mir nur, Test-Käuferin zu sein und gut bezahlt zu werden für das hier, leider ist das nicht der Fall.

Ich finde zuallerletzt eine allgemeinste Service E-Mail des Verkäufers und schreibe meine Bestellnummer und die neue Nummer dazu und mache es dringlich. Ich will Lösungen sehen! Schluss für heute.

In der Nacht bekomme ich Antwort. Man bedaure sehr, man sei für IT zuständig, habe mir aber nun eine Fallnummer zugewiesen, damit käme ich weiter. Ich gebe nicht auf, chatte wieder mit ? Indien. Die freundliche Person schreibt mir, man sehe den Fall, doch um einen Umtausch zu erhalten, bräuchte ich von Hoover eine Uplift Nummer, das bedeutet die Bestätigung von Hoover, dass die Maschine schadhaft sei und dann könne im System das alles eingenordet werden. Schon wieder was Neues, aber ich bin ja schlauer geworden die letzten Wochen (oder dressierter, wie man es sehen will). Ich wähle mich wieder durch meine Optionen durch (so viel zum Thema, nie wieder eine Hotline anzurufen) und lande dieses Mal ABSICHTLICH bei Hoover. Die Dame (die dritte, die ich dort kennen lerne, wir sollten uns alle mal auf ein Bier treffen) kann mich anhand der Postleitzahl umstandslos zuordnen und nennt mir auf Nachfrage sofort eine Ziffernfolge. Ich bin erstaunt, aber es ist dieselbe, die mir der freundliche Herr gestern gegeben hatte! Langsam beginnen wenigstens einige Dinge Sinn zu ergeben. Ich gehe wieder in einen Chat, gebe meine mittlerweile aufgeblähte Anzahl an Nummern an, und … alles wird ganz einfach. Hat doch nur 45 Minuten gedauert heute, was will ich eigentlich?
Nach wenigen Tagen – wie angekündigt – erhalte ich eine halbautomatische E-Mail, dass etwas bei mir abgeholt wird und unabhängig dazu eine Textmessage, dass etwas geliefert wird. Am angekündigten Tag erscheinen gleich zu Beginn des angekündigten Zeitfensters zwei gut gelaunte Herren und tauschen die Maschinen aus.

Ich wasche erfolgreich und leise eine Ladung Wäsche – mit 800 Umdrehungen, denn an die 1600 traue ich mich noch nicht ran.