“Brücken”

Eine Brücke über den Severn

Das sind viele Brückenbilder. Ich mag es einfach, auf eine Hängebrücke zuzufahren. Diese Art Brücken sind besonders elegant und erscheinen schwerelos.

Brücken zwischen heute und gestern

England ist nur zu etwa 10 Prozent bewaldet (Deutschland etwa 30 Prozent, viel davon besteht allerdings immer noch aus Fichtenforsten). Deswegen ist eine Wanderung in einem älteren und vorsichtig bewirtschafteten Mischwald ein Ereignis. Der Forest of Dean (Herkunft des Namens unbekannt) bietet alles von Maronen, Eichen, Buchen, Lärchen, Hasel usw. Auch Fichten. Es gibt einen Skulpturenweg, auf dem sich die Künstler:innen sehr mit der Geschichte des Ortes befasst haben (Bergbau, Holzkohle, Holzbau, Jagd). Und mit dem Spannungsfeld zwischen Natur und Künstlichkeit.

Das lauteste Kunstwerk ist gewiss der Hain der Stille. Ein kleiner Pfad führt in den Wald hinein und dann? Nicht alle werden die drei waldfarbenen Schilder gefunden haben, die hoch auf drei Nadelbäumen sehr diskret in drei Sprachen zum Schweigen einladen. Das Erkunden des Wäldchen erfordert jede Menge lautstarker Kommunikation. Dann kann man immer noch leise sein. Sehr pfiffig. Genau wie einige der unten abgebildeten Werke.

Ruinen sind schön

Schon mal gehört? Ein deutscher Bekannter sagte, er sei nie in der Kathedrale von Coventry gewesen, obwohl er öfters in der Nähe war. Habe man eine Kathedrale gesehen, habe man alle gesehen. Echt jetzt? Ohne ein moralisch-kulturelles Urteil über den Mann zu fällen: Können wir nicht bestätigen. Man muss sicher nicht im 123. Schloss in jede kleinste Ecke luren, aber hingehen: auf jeden Fall. Alle Burgen, Häuser, Gärten haben ihre eigene Atmosphäre, Geschichte, Ästhetik. Wir bleiben neugierig.

Fluss Wye. Jenseits liegt England. Rechts im Bild die Burgruine von Chepstow. Der große Tidenhub der Bristol Bay ist spürbar, deshalb schwankt der Flusspegel und die schlammigen Ufer sind die halbe Zeit über sichtbar. Bild von K.

Wir sind in Chepstow am Fluss Wye, gerade hinüber in Wales. Wales hat sich während der Pandemie teilweise komplett von außen abgeschottet, selbst unsere Freund:innen aus Cheshire, die keine zehn Kilometer von der “Grenze” entfernt wohnen, durften wiederholt diese Grenze nicht überschreiten. Vor den Impfungen gab es massive Fallzahlen. Es wurde hart kontrolliert, Pendler:innen mussten eine Bescheinigung vorweisen, Tourismus war verboten. Der bestand in der Zeit aus unvernünftigen, meist englischen Scharen, die meinten, die Pandemie zur Ersteigung des Snowdon, des höchsten Berges von Wales, nutzen zu müssen. Es ging dort wohl zu wie auf dem Oktoberfest.

Es gibt zwar keine Grenzbäume, auf Hauptstraßen taucht vielleicht ein Schild “Willkommen in Wales – Croeso i Gymru” auf, aber was wirklich auffällt, sind die zweisprachigen Ortsschilder und das allgegenwärtige “araf” “langsam”, das auf die Straßen gepinselt ist. Dann ist man mit Sicherheit im schönen Wales.

Bin etwas überrascht, dass trotz der unterschiedlichen Politik auch hier Maskentragen meist freiwillig ist und von den Betreibenden abhängt (anders in Schottland, wo man in Innenräumen noch generell von Staats wegen dazu verpflichtet ist).

Nichts geht über eine Abteiruine

Obwohl es, dank Heinrich VIII und seiner Einkassierung und Zerstörung der kirchlichen Pfründe, Hunderte davon gibt, finden sich Abstufungen in den Klosterruinen. Von etwa drei sichtbaren Steinchen bis zu hoch aufragenden Mauern gibt es alles dazwischen zu sehen.

Chepstow liegt am Wye und dort verortet man auch Tintern Abbey, sehr berühmt, eine der großen Überbleibsel. Das ganze Wye-Tal ist eine Area of outstanding national beauty – ein besonders schönes Gebiet, das unter einem bestimmten Schutz steht. Eine Art Landschaftsschutzgebiet. Das war nicht immer so, jahrhundertelang wurde Eisen geschmiedet und andere Industrie siedelte sich an. Nicht zur Unfreude der Touris, die schon im 18. Jahrhundert die Abteiruine besuchten: für diese Menschen waren der Qualm und Lärm und die Geschäftigkeit ein Zeichen von etwas Großem, Wichtigem und so interessant wie die romantischen Überreste des Mittelalters.

Das Wye-Tal ist wandertechnisch gut erschlossen. Auch wenn es ohne Steigungen nicht geht, so gibt es wenigstens Aussicht.

Süßwasser

Ein niederländischer Wassergarten, der wie aus der Zeit gerutscht im weiten Tal des Severn ruht. Das dazugehörige Haus ist längst durch – ebenso abgebrochene – Nachfolgebauten ersetzt worden und auf Photos der Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts sieht man nur noch etwas Wasser und ein paar zerrupfte Sträucher. Heute erstrahlt das Areal wieder wie ein holländischer formaler Garten des 16. / 17. Jahrhunderts mit Buchsbäumchen und niedrigen Eibenhecken. Dazwischen Stauden und ein paar Mehlbeeren, ein unaufgeregtes, friedliches Bild, das sich beim Durchwandeln (in einem solchen Garten muss man wandeln) erschließt oder beim Blick vom Gartenhäuschen herab.

Wiedersehen macht Freude

Nimmt man sich nicht immer vor, das eigene Umfeld zu erkunden? Und fährt dann doch nach x (x = bitte bevorzugtes Reiseland einfügen)? Lockdown 1, 2 oder auch 3 und die dazu gehörigen Reisebehinderungen haben uns diesen Sommer und Herbst einen weiten Bogen um Flug- und Fährhäfen machen lassen. Stattdessen haben wir einen Bogen um Plymouth herum geschlagen. Wir waren in Cornwall, Wiltshire, Isle of Wight, haben Somerset und Devon durchfahren. Endlich haben wir uns Zeit genommen. Unser vielleicht letzter größerer Ausflug dieses Jahr führte nach Gloucestershire und Monmouthshire (letzteres liegt in Wales).
Wir verbinden damit Alt und Neu. 2011, auf einer Englandreise, als von einem Umzug nach Großbritannien (der 2013 stattfand), noch keine Rede war, sah ich ein Faltblatt in einem Hotel. Von einem Arboretum (einem Baumgarten) war die Rede. Obwohl es ein eher kühler und wolkiger Tag Anfang August war, faszinierte uns der künstliche Wald und blieb in einem Winkel unseres Gehirns haften. Dank Internet und einem meiner allerersten Blogeinträge, denn mit Reiseblogs fing die Bloggerei an, haben wir Westonbirt schnell identifiziert.
Kurz vor jenem Urlaub hatte ich den Laptop angeschafft, auf dem ich nun, 10 Jahre später, auch diese Worte tippe.

Ich zitiere mich selbst, 2011:

Beeindruckend die Sammlungen von Ahorn, Birke, Magnolie, Rhododendron. Einiges blüht sogar, jetzt im August. Hin und wieder wandelt man noch in Lindenduft gehüllt. Eine einsame Orchidee (verblüht, vermutlich ein Waldvögelein) wird extra mittels blauen Bändern eingezäunt und dadurch gleichermaßen hervorgehoben. Auf gemähten Wiesenstreifen blühen Herbstzeitlosen. Wir lernen verschiedene Verwandte des Weißdorns kennen, unterscheiden Zedern, Halbzedern und Scheinzedern, es nimmt kein Ende. Eine 30 Meter hohe Marone sieht man auch nicht alle Tage. Oder eine Maronensorte, deren Blattzähnchen in spitze Fransen auslaufen. Also hätte jemand daran gezupfelt.

Besonders bemerkenswert: eine Lindenallee mit Rasen drum herum und kurz gehaltene Bäume, die wie Schleier, Schutzburgen oder Mauern wachsen, also allesamt das sind, was man „Trauer“- Ahorn, Zypresse, Sonstiges nennen kann. Witzig sind die „Smoke bushes“, Rauchsträucher, Cotinus, die Perückensträucher. Ihre Fruchtstände sind haarig und bilden lange verzweigte Bäumchen am Ende der Äste. Im Effekt sieht das aus wie Rauch, oder Watte, oder eine Tarnung, die sich die Büsche selbst geben. Die Sträucher gibt es auch in deutschen Gärten, aber hier haben sie ausgefuchste, besonders „rauchige“ Sorten. Ein kleines Lindenwäldchen, vielstämmig und zierlich, soll 2000 Jahre alt sein, sprich genetisch identisch. Das kommt von der Nutzung. Die Stämme wurden immer wieder kurz vor dem Boden abgesägt, man sieht die Knubbel, und schlugen immer wieder aus.

16.000 Bäume mit 3.000 Arten und Sorten sollen hier stehen, das Arboretum beruht auf einer Sammlung, die 1839 begonnen wurde. Der Haus- und Grunderbe war sehr reich und konnte dem viktorianischen Hobby „Sammeln“ frönen. Er sammelte Bäume aus aller Welt.

In 10 Jahren hat sich viel geändert: das Arboretum ist extrem populär geworden. Wo wir seinerzeit das große Gelände mit gefühlt 50 anderen Leuten teilten, gibt es seit 2014 (ein Schild verrät das) ein ausladendes Eingangsgebäude. Um die Baumfreund:innen von überall her und die Hundefreund:innen aus der Umgebung zu regulieren, muss sogar eine Ankunftszeit gebucht werden. Heute, an einem kalten, aber sonnigen Herbsttag, die Blätter werden farbig, ein attraktiver Monat für ein Arboretum, sind Hunderte Menschen da, wenn nicht Tausende. Es verläuft sich etwas, aber es ist gut voll.
Auch dieses Mal: vier Stunden. Die Zypressen und Scheinzypressen, die Zwerg- und Trauersträucher, die hohen Wipfel haben nichts von ihrer Faszination verloren.

Danach denkt man, genug der Bäume. Doch auf dem Rückweg könnte man noch bei einem kleinen Garten vorbeischauen … der folgt im nächsten Beitrag.