Das große Streichen II

Renovieren dringend erwünscht

Im Turm von St. Alban’s haben wir vier Glocken aus dem 17. Jahrhundert und zwei vom Beginn des 20sten. Die alle halten noch ein Weilchen, sie sind aus Bronze, sie müssen nur alle Jubeljahre gedreht werden, damit der Klöppel nicht immer an dieselbe Stelle schlägt.

Seinerzeit, bei der Aufstockung von 4 auf 6 Glocken, um 1904, wurde der vermutliche hölzerne Glockenstuhl durch einen eisernen ersetzt. Inzwischen ist nicht viel passiert und die fünfjährigen architektonischen Inspektionen wiesen immer drängender darauf hin, dass der ganze Aufbau rostiger und rostiger wurde.
Dieses Jahr haben sich sechs Leute, einer davon besonders lobend zu erwähnen, da ein unbeteiligter Nichtläuter, aufgerafft, endlich das Gestühl zu streichen. Wir wussten nicht so Recht, worauf wir uns da eingelassen hatten …

Alleine das Grundreinigen der Kammer dauerte 9 Personenstunden. Zu Tage kamen dabei u.a. Zigarettenschachteln aus den 50igern (Senior Service) und den frühen 70igern (No. 6). Meine Mitstreichenden sind allesamt älter als ich, und britisch, sie erinnerten sich an die Marken, und das Internet bestätigte die Daten. Um fair zu sein, die Schachteln befanden sich an schwer zugänglichen Stellen hinter den Holzladen, man kann davon ausgehen, dass der Boden öfters geputzt wurde, aber dennoch, das Ganze glich mehr einer archäologischen Ausgrabung denn einem schnellen Durchfeudeln.

ZigarettenschachtelnArtefakte aus der Glockenkammer

Im folgenden Schritt mussten wir den Rahmen mit Hilfe von Bürsten und Spachteln entrosten. Alles T-Träger mit jeder Menge von Schrauben und Muttern. Dazwischen gingen die Glocken und die Räder im Weg um. Da man um die Konstruktion nicht herumgehen kann, sie ist in den Wänden verankert, muss man drüberklettern bzw. drunterherrobben. Nach der Arbeit hätten wir uns bei jedem Lambadawettbewerb anmelden können.

Rost1 Rost2 Rost3

V.o.n.u.: Die Räder ohne Seile, da sie aus Schmutzschutzgründen entfernt wurden. Unsere Glocken wurden wochenlang Geisterglocken - die alten Bettlaken spiegeln das gut wieder. Der Rahmen mit den hölzernen Schutzstangen: wenn eine Glocke zu heftig geläutet wird, bricht im Zweifelsfalls der Stecken und nichts weiter passiert.

Spezialgebiete

Nächste Hürde war die Farbe: Profis hatten uns eine Zweikomponentenfarbe aus dem marinen Bereich empfohlen, sehr rost- und schlagfest, ein Mix aus 50 zu 50 Farbe und Härter, der aussieht wie etwas aus einem Hexenkessel: grüner Schleim, bestimmt mit Unkenhaut drin. Die Aushärtezeit im Eimer beträgt 2 Stunden. Flottes Arbeiten war angesagt. Nach 2 Stunden wandelte sich die Farbe tatsächlich von zäh zu gummiartig. Sie hat herbe Korrosivwarnungen auf dem Behälter. Da wir alle Spritzer abbekamen, stellten wir fest, wir bekamen nicht sofort ein Loch in der Haut, sondern Verdünner und sogar der gute alte Nagellackentferner waren ausreichend zur Reinigung. Wir strichen 2x  Hellgrau.

IMG_4162.JPG undercoatDie Arbeit nimmt Form an.
under the frameIst aber anstrengend. Unser Turm Captain Carolyn ganz unten.

Fehlte nur noch der Hochglanzlack. Wieder eine andere Art von Farbe, dieses Mal 10 zu 1. Als wir den Farbton sahen, bekamen wir erst einmal einen Schock: frischestes Grün, der Art, wie man vielleicht die Mützen von Gartenzwergen anmalt. Naja, die Auswahl in der Profifärberei ist nicht groß. Also Grün. Diese Farbe hält sich zwar 6 Stunden im Eimer, dafür ist sie tropfiger und deutlich speziell: mühelos durchdrang sie doppelte Schichten von Kleidung. Mit so etwas möchte man nicht jeden Tag arbeiten müssen.

Als wir die Arbeit erledigt hatten, hatten wir noch Farbe übrig und wurden übermütig: wir entrosteten und dreistrichen gleich noch die direkte Aufhängung der Glocken, den Glockenkopf, dann ist auch das für die nächsten 50-100 Jahre erledigt.

Streichen1 Streichen2 Streichen3

IMG_4164.JPG headstockFast fertig: noch ein letzter Guss auf die Glockenköpfe.

Dann zum wiederholten Male putzen und die Seile wieder aufgespannt: nach 5 Wochen, etlichen Tassen Tees und 160 reinen Arbeitsstunden hatten wir endlich unseren Turm wieder. Beim ersten Läuten gab es entsprechend strahlende Gesichter.

P.S.: Okay, die Räder sehen jetzt etwas schäbig aus, es wird bald ein Nachspiel, äh einen Nachstrich in Holzfarbe geben.

ready to ringAlle wieder an Bord: die Seile (man sieht in dieser Stellung nur unten links im Bild die Verschnürung) sind wieder dran und die Glocken in Arbeitsstellung gezogen - nach oben.