Von der Insel auf die Insel(n)

Die Scillies tauchen am Horizont auf.

In Plymouth gibt es genau zwei Arten von Leuten. Welche, die schon auf den Isles of Scilly gewesen sind und davon schwärmen. Und welche, die schon lange mal hinfahren wollten. Wir machen die Probe aufs Exempel und sehen sie uns an. Dazu müssen wir bis an die Spitze Cornwalls vordringen und anschließend irgendwie übers Wasser kommen. Wir gönnen uns einen 20-minütigen Hubschrauberflug. Bei gutem Wetter, wie wir es hatten, ist das wie Busfahren. Reibungslos. Schwerelos. Allerdings der lauteste und teuerste Bus, den ich je benutzt habe. Zu meinem Erstaunen lohnt sich das Erlebnis. Hubschrauber fliegen ist knorke!

Eine Sikorski, falls das jemand wissen will.

Wer sich die Karte ansieht, dem fallen die vielen Inseln auf, in die die Scillies zerfallen. Manche sind nur bei Flut getrennt, bei Ebbe gibt es also noch mehr davon. Es handelt sich bei der Gruppe um Granitmassive, deren geologische Stränge unterirdisch nach Osten weiterlaufen und z.B. als unser gutes altes Dartmoor nördlich von Plymouth wieder auftauchen.

Inselleben ist gemütlich. Es gibt Autos, aber viele fahren Rad oder Boot oder gehen zu Fuß oder es gibt elektrische Art Golf-Carts zu mieten. Die Scillies sind jedoch kein Ökoparadies, jede der vier bewohnten Inseln hat ein Ölkraftwerk, mit dem Elektrizität erzeugt wird, wenn nicht genügend über das Unterseekabel von Cornwall herüberkommt. Manchmal werden sie dann sogar angeworfen, um nach Cornwall zu exportieren.

Jede Insel ist anders, es lohnt, sie einzeln aufzusuchen. St. Mary’s, die Hauptinsel, hat Dorfcharme. St. Agnes hat echte Bauernhöfe und richtig gutes Milcheis. Tresco ist wie ein großer (und teurer) Park und hat konsequenterweise auch einen halb tropischen Garten zu besichtigen, die Abbey Gardens.

Furcraea parmenteri in Blüte. Moment! War da nicht was gewesen? Die ebenso wunderschöne Furcraea longaeva hatten wir früher kennen gelernt, die war nicht-blühend anwesend. Beide Pflanzen blühen nur alle 15-20 Jahre und sterben dann ab. Wir werden noch Furcraea-Spezis, ein besonderes Schmankerl für Grün-Freund:innen.

2200 Menschen leben auf den Scillies und die meisten vom Tourismus. Dieser Tourismus kommt zum großen Teil nicht von weither, sondern aus dem West Country. Das sind Cornwall und Devon. Dabei sieht es dort teilweise ähnlich aus. Aber die Scillies ziehen an und viele kommen seit Jahrzehnten, hatten vielleicht Familie hier. Man kann viel erfahren, wenn man auf Bootsfahrten einfach zuhört, was die Gäste mit den Bootsführern bereden und wie das alles zusammenhängt. Denn wenn man jemanden auf der Insel persönlich kennt, kennt man gleich fast alle. Die Scillies sind also ein lokaler Geheimtipp.

Ich kenne niemanden, aber durch meine Glockenläuterei erhalte ich immer Zugang zu Orten, wo nicht alle hinkommen. Die 8 Glocken von St. Mary’s the Virgin auf St. Mary’s sind sehr gut gepflegt und die Läutenden sind nicht Insulaner:innen gewohnt, die einfach vorbeischneien.

Man kann sagen, es ist sanfter Tourismus, viele Ferienwohnungen, keine Hotelburgen, Campingplätze in atemberaubenden Lagen. Es gibt Inselbier (schmeckt), Inselcider (schmeckt auch), Inselgin (schmeckt auch auch) und die Überbleibsel von Blumenzüchtern, vier sind noch übrig von 70 Betrieben. Das milde Klima erlaubt die Anzucht von hochwertigen Pflanzen, aber die Billigimporte über Holland machen die Arbeit nicht lohnend. Von Ständen am Wegesrand kann man Zwiebeln kaufen (und einiges andere kann man am Wegesrand kaufen). Natürlich musste ich zuschlagen. Man kann nie zu viele Narzissensorten haben und ein paar Amaryllis für das winterliche Fensterbrett klingt nach einem guten Projekt.

Im Hintergrund das helle Haus mit den drei Dachfenstern über dem Friedhofskreuz war unser B&B mit Café. Ein Familienunternehmen, 2 Generationen. Natürlich.
Auf diesem Friedhof liegt Harold Wilson begraben, ein ehemaliger Premierminister und Fan der Scillies.
Die Badebucht, 10 m vor dem B&B. Ein Traumleben.

Was noch? Ja, die Natur natürlich. Buchten mit Stränden von Felsbrockengröße bis Puderzuckerklasse-Sand und alle Grade dazwischen. Hoch- und Tiefmoore und Heidelandschaften. Nette Wanderwege überallhin und vor allem an den Küsten entlang. Dazu die Auswahl: auf die anderen bewohnten Inseln kann man täglich mit Booten fahren, die als Busse fungieren. Wieder mal Busse, die keine sind. Ein weiterer Unterschied zu Bussen ist, dass manche Anlegestellen bei Niedrigwasser getauscht werden müssen und nicht, weil die Gegenhaltestelle halt auf der anderen Straßenseite läge. Dann muss man woanders zusteigen als man ausgestiegen ist. Aber eben nur, wenn die Tide das erfordert. Die Rückfahrzeiten und -orte werden beim Aussteigen verkündet. Für Neulinge ist es besser, sich das zu notieren, es wird aber bald Routine.

Auffällig viele Männer in dunkler Kleidung sind zu sehen. Sie treten einzeln oder in Horden auf. An ihren Hälsen hängen meterlange Teleskoplinsen, manchmal in Tarnmustern. Sie nicht nicht besonders gesprächig und sehr konzentriert = wir haben noch nirgends so viele Vogelfreunde auf einem Haufen gesehen. Wir bleiben bei den Spatzen. Die Möwen fressen einem nicht die Fritten aus der Hand, aber die Scharen von Spatzen lauern nur darauf, bis man den Kuchenteller unbewacht lässt. Als wir den Teller mit Krümeln ihnen überlassen haben, waren die in Sekunden weg. Ein Schelm, wer nicht an Hitchcocks Die Vögel denkt!

Wanderbare Steinzeugen.

Die Scillies sind seit Jahrtausenden besiedelt. Nach allem, was die Archäologie herausgefunden hat, von gesunden, wohlhabenden (zu sehen an Handelswaren) Menschen. Ob sie zufrieden waren, weiß man natürlich nicht, aber ihre Voraussetzungen waren nicht schlecht.

Die frühesten Besiedler:innen haben Menhire (Obelixens Hinkelsteine) aufgestellt, wie in der Bretagne und im übrigen Cornwall. Sind wie eine Postkarte aus der Vergangenheit. Ohne Briefmarke, aber wasserfest.

Zurück ging es klassisch mit der Fähre Scillonian III. Ein 43 Jahre alter Seelenverkäufer, auf dem man am besten auf Deck mitfährt, damit einem eher nicht schlecht wird. So ein Insidertipp. Außerdem kann man dort die Delfine beobachten, die immer wieder mit der Bugwelle spielen. Die Fahrt war nicht so schlimm;-)

Wir sind jetzt in der Gruppe der Plymouthians, die auf den Scillies waren und es toll fanden.