Deutschland im Nachhall

Ein Gastbeitrag von Klaus.

Anlass der Reise war Heimweh, ganz klar. Und jetzt? Ist es gestillt? Geblieben sind eher Fragen, unter anderem die berühmte: „Was ist Heimat?“. Eine ebenso berühmte Antwort lautet: „Heimat ist dort, wo deine Freunde sind.“ Diese Antwort stammt aus einer Email-losen Zeit, in der Twitter, Facebook und WhatsApp Science Fiction waren. Jetzt sind die Freunde doch allzeit präsent. Oder? Naja, ich erinnere mich zweier wundervoller Dokumente, dass die physische Anwesenheit der Freunde unersetzbar ist. Einmal ist das Urs Widmers Erzählung „Liebesnacht“ und zum anderen Louis Malles köstlicher Streifen „My Dinner with Andre“ („Mein Essen mit André“).

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Wallace Shawn (links) als Wally und Andre Gregory als André

(Beide Hinweise sind übrigens als Empfehlungen zu verstehen.) Trotz aller Bedeutung des unmittelbaren Kontakts glaube ich, dass Heimat so nicht (mehr) definierbar ist. Außerdem ist zu bedenken, dass diese Heimatdefinition als Trost gedacht war für jene, die ihrem Kulturkreis entrissen sind und woanders Freunde gefunden haben. Deutschland als „Kulturkreis“ und England als ebensolcher, aber anderer? Okay, die Currywurst am Bonner Markt und der Haribo-Fabrikverkauf in Godesberg: unkopierbar! Zweifelhafter wurde es da schon mit der Münchner Weißwurst aus einem Gourmet-Tempel in Düsseldorf. Im Vergleich mit ihrem Verzehr in einem Münchner Biergarten war das Heimatlosigkeit pur.

Im Nachhall fiel mir ein anderer Allgemeinplatz ein. Er betrifft das Reisen (nicht nur in die alte Heimat). „Überall hin nimmt man sich selbst mit.“ Wie wahr! … einerseits. Andererseits: Kompliziert wird diese scheinbar einfache Sache dadurch, dass man ja nach einer Reise als ein anderer Mensch zurückkommt, als der man losgefahren ist. Wenn also die Heimat in einem Menschen innen drin ist, ist sie also sowieso nicht ein für alle Mal beschreibbar.

Mein Resümee für heute ist eines, das Sie, liebe Leserin, lieber Leser, von mir, der sein universitäres Philosophie-Studium mit Note Eins abgeschlossen hat, vielleicht nicht erwarten: Heimat iss, wenn’s Wetter schön iss. So – nun geh’ ich raus in die Sonne. Sie scheint. In Tattenhall. Yes.

Nachtrag zum Nachhall
(drei Stunden später)

… hab’ Motorroller und Auto stehen lassen und bin auf dem Fahrrad unter der Sommersonne an zwei Pubs vorbeigekommen, schon mal Getränke vorgekostet fürs Abendessen morgen. Das Foto ist von einem der Pubs aus gemacht und gemahnt mich an eine fällige Erweiterung der Heimatdefinition: Mehr Heimat iss, wenn außerdem das Bier schmeckt und die Aussichten gut sind.

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