es regnet Kunst – und Wasser

Der Herbst bringt uns etwas, was die Statistik lange versprochen hat, im letzten halben Jahr aber kaum vorkam: es regnet. Ernsthaft und ausdauernd. Wechselweise Sintflut von oben oder flüssiger Nebel waagrecht. Beides tränkt in Minuten. Gerade rechtzeitig hatte ich eine Regenhose gekauft, eine Regenjacke alleine genügt nicht, das Wasser kommt aus allen Richtungen. Zwischendrin stürmt es. Das bläst das Gehirn durch.

Es fällt auf, dass die Temperaturen kaum gefallen sind. Ich laufe in Sandalen herum. Und bade ab und zu im Plymouth Sound. Am Ende der Saison, mit den perfekten Wassertemperaturen, komme nicht nur ich aus den Puschen und genieße den ANDEREN Blick. Die Welt sieht vom Wasser aus sofort anders aus. Da reichen 10, 20 m rausschwimmen.

Abgesehen vom Wetter ist die Stadt nach der Ferienpause aufgewacht. Die Studis sind zurück. Das ist das Auffälligste. Aus einer verschlafenen Sommerstadt mit ein paar Touris ist ein wuselndes Etwas geworden. Wenn man auf seinen und ihren Wegen den Uni-Bereich durchläuft, der bislang dösend in der Sonne lag, muss man nun Menschen ausweichen! In der Erstsemesterwoche gab es Dauer-Action. An T-Shirts erkennbare Studis aus höheren Semestern standen mit Wegweisern herum, Grüppchen bildeten sich und man hörte im Vorbeigehen Dialoge wie: ja, mein Name ist soundso und wie heißt du noch mal? Tut mir Leid, ich kann mir die vielen Namen noch gar nicht merken.

Die Erstsemesterwoche (Fresherweek, also Frischstudiswoche) ist ganz schön aufwendig. Es werden Poster in allen Größen verkauft – für die kahle Studibude – und sogar Topfpflanzen! Unigruppen wie Kletternde oder Kampfsportarten oder Musik veranstalten auf dem Gelände Demos, um InteressentInnen zu finden.
Derweil werden auf dem Hoe (die Landspitze vor dem Sund, die gute Stube von Plymouth) in einem riesigen Zelt die Altstudis gruppenweise verabschiedet. Mit Dr. Faust Mantel und Hut;-) Dieses schwarze Anziehzeug, das man eher aus amerikanischen Kleinstadtfilmen kennt.

Plymouth hat eine große und lebendige Kunstszene. Das Kunstcollege, gerade in den Rang einer Uni erhoben, spuckt jedes Jahr Hunderte von AbsolventInnen aus und zugezogene Kunstschaffende gibt es natürlich auch. Der ganze Südwesten, man denke an Cornwall, wimmelt natürlich von KünstlerInnen. Da ist alles dabei, von PensionärInnen, die ihren Traum, Seestücke zu malen -und gar nicht schlechte-, erfüllen, Töpfereien, Wolldesign, Glaskunst. Und so weiter. In der Stadt sammeln sich eher interaktive Kunstschaffende wie Stückeschreiber, Kunst im Öffentlichen Raum, Rückeroberung desselben, Stadtviertel wieder Aufpolierer, Comicmachende. Bei den wiedersprüchlichen Botschaften aus der Politik wegen der Finanzierung öffentlicher Projekte, inklusive sozialer Projekte, damit Viertel wieder lebenswert werden, ganz schön mutig und innovativ, sich darauf einzulassen. Die Qualität scheint sehr hoch zu sein.
Dieses Wochenende war z.B. der Plymouth Art Weekender (d.h. Plymouth Kunst Wochenende mit einem Wortspiel am Ende). Weekend verwandelt sich durch das “er” am Ende in Weekender, das ist jemand, der das Wochenende zum Ferienmachen nutzt; oder eine Anspielung auf “bender”, das wäre, wenn jemand zu viel Alkohol konsumiert. Das macht man, wenn man auf einen bender geht, was in Britannien schon mal vorkommen soll.
Hier ist gemeint, Kunst im Übermaß zu konsumieren, was natürlich eine gute Sache ist;-) Und macht keinen dicken Schädel.
Obwohl, Kunst kann gefährlich sein, sie könnte ja zum Denken anregen.

Ich habe zwei Veranstaltungen besucht. Wenn die anderen genauso gut waren, ist es fürwahr ein ausgezeichnetes Kunstfestival.

Playground at sunrise

Ich bin früh aufgestanden, das ist nichts Neues, doch ich bin auf einen Spielplatz gegangen, das ist neu. Dort hat Elena Brake uns zur Morgendämmerung um 6.42 Uhr eingeladen. “Spielplatz bei Sonnenaufgang” eben. Eine einfache Idee. Wir warten mit ihr auf den Sonnenaufgang um 7.20 Uhr. Derweil können wir den Ort, kinderleer um die Zeit, nach Lust und Laune erkunden. Was man als Erwachsene ja nicht unbedingt tut. Jetzt kann man endlich mal einen modernen Spielplatz ausprobieren. Die Zeiten, wo Spielplätze ein Schild hatten: über 14 Jahre verboten, scheinen auch vorbei zu sein. Diese Spielgeräte halten locker mehrere 100 Kilo aus …

Zur Orientierung: im Hintergrund, in der Mitte der ganz kleine Turm, das ist der Leuchtturm am Hoe.

Die Aktion war einfach und bestechend: man konnte seinen spielplatzbezogenen Erinnerungen nachhängen und spielen. Das hat Freude gemacht.
Auf der regennassen Rutsche, die kaum länger als ich war, war Bremsen unmöglich. Die Rutschen sind auf leichtere Körper ausgelegt. Habe ich mir gleich die Daumen geprellt. Wird aber schon wieder. Ich sags doch, Kunst ist gefährlich – sie regt zum Denken an und man kann sich den Daumen prellen.

Die Künstlerin Elena Brake kenne ich vom Läuten. Zu solchen Aktionen findet man oft nur, wenn man jemanden kennt. Man sollte sich aber einfach trauen, mal so etwas Neues auszuprobieren.

Fish in Blender

Klassischer war das 20 Minuten Stück: Fisch im Mixer. Von liveanimals theatre.

Vor dem Spielort draußen (das Bild oben ist von einer Pressevorschau) stand ein Mann mit einem Fischkopf und dem zweiseitigen Plakat, das man im Hintergrund auf dem Foto sieht. Auf der einen Seite steht Fish in Blender, auf der anderen Seite jedoch: not about Brexit. Es geht nicht um Brexit. Da wusste man, dass es genau darum gehen würde. Natürlich nicht direkt. Es ging um den Fisch auf dem Tisch in dem Mixer. Die beiden Schauspieler waren pro und contra, den Fisch im Mixer zu pürieren oder eben nicht. Haben sich Argumente, Scheinargumente, Gefühle, Musik um die Ohren geworfen. Politisches Theater vom feinsten, witzig und nachdenklich machend.
Zum Schluss durften wir, das Publikum, entscheiden. Nachdem wir mit allem Möglichen geködert worden waren, uns für eine Seite zu entscheiden. Kurz gesagt: der (Plastik-) Fisch überlebte. Was das für Brexit heißen würde, wird dadurch nicht klarer;-) wie im richtigen Leben.