Mach dich locker. Oder lieber doch nicht?

Das Thema Pandemie geht allen auf die Nerven, aber auf geht’s, nicht auf den letzten Kilometern schlapp machen, Corona ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
Nun könnte man sagen, wir befinden uns auf der Insel in einer komfortablen Situation, mit 30% der Erwachsenen bereits einmal geimpft.
Dazu ein ganz klares Jein. Wir sind immer noch das Land mit den vielen Toten (130.000 bei 66 Millionen Einwohnenden) und der chaotischen Regierung, zu späten Lockdowns, einem über die ganze Zeit nutzlosen Nachverfolgesystem, Kehrtwenden und ein Sich-Winden noch und nöcher. Nun kam wenigstens Impfstoff als Kavallerie über den Hügel geritten, in letzter Minute. Wie man zu den nötigen Mengen für die Impferei gekommen ist, und das ist ein Wermutstropfen, hat sicher auch mit der britischen Rücksichtslosigkeit zu tun. Als AstraZeneca/Oxford seine Mengen einseitig gekürzt hat – für alle Länder außer Großbritannien – wurde erstmal gelogen über den Zeitpunkt des Vertrags, es sei April gewesen. Da gab es massive Unterstützung und Absichtserklärungen, doch der Vertrag, der wurde Ende August unterzeichnet, kurz nach dem Vertrag mit der EU. Garantiert wurde gemauschelt, gemaggelt, einen auf Amigos gemacht, damit man nicht nur die ersten, sondern auch alle Folgelieferungen vollständig bekam.

Was für Deutschland offenbar gleichgültig ist, denn was man so liest, wenden sich einige Menschen vom Astra Impfstoff ab, weil er ihnen angeblich nicht genügend schützt, weil die ersten Tage öfters mehr Nebenwirkungen auftreten als bei anderen Impfstoffen und vielleicht ältere Menschen weniger geschützt sind als jüngere. Über diese Arroganz kann ich nur staunen: Lockerungen wollen und sich dann zurücklehnen und sagen: ne, ach, ich warte lieber doch, für meinen Luxuskörper nur Biontech oder Moderna. Möglicherweise dieselben Leute, die früher gesagt haben, sie wollten einen konventionellen Impfstoff, wie es der Astra ist, also einen, der ähnlich hergestellt wurde wie viele Impfstoffe, die wir schon erhalten haben, z.B. Grippeimpfstoffe. Ja, ich will auch mal meckern, dann, wenn’s um etwas Wichtiges geht!

Exkurs: Was für ein Fortschritt. Dauerte es bis vor kurzem Jahre, meist Jahrzehnte, bis ein Impfstoff erarbeitet, geprüft und zugänglich gemacht wurde (ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der gegen Ebola), war es 2020 weniger als ein Jahr. Die Technik ist offenbar da, man muss nur Geld in die Labore werfen und schon produzieren sich Impfstoffe wie von selbst (fast).
Erinnert mich an meine Lieblingsserien aus dem Raumschiff Enterprise Universum, in denen es oft vorkommt, dass Besatzungsmitglieder durch wirklich krasse Krankheiten des Weltraums arg mitgenommen werden. Folgende Dialoge zwischen Brücke und medizinischem Personal bekommt man dann regelmäßig zu hören: “Wie lange brauchen Sie für ein Gegenmittel?” “Mindestens 24 Stunden.” “Sie haben 8 Stunden, sonst sind alle tot.” “Kriegen wir hin”. So schnell kriegen wir es noch nicht hin, doch die Zukunft hat längst begonnen. Ein sinnvoller, heilender Einsatz der Gentechnik, im Gegensatz zur Vernichtung von überlebenswichtigen Ökosystemen, damit Monsanto und Co. Geschäfte machen können.

Auch wenn es immer Risiken gibt. Leben ist nun mal komplexer als ein Brocken Granit. Womit wir wieder bei den eindimensionalen Monsantos wären …


Die rasche Verteilung der Impfstoffe in den UK fußt auf dem, wie im Vorblog erwähnten, zentral aufgestellten Gesundheitssystem: die ganze Bevölkerung kann nach Alter oder vorliegender Grunderkrankung nacheinander geordnet erreicht und geimpft werden. Ich kenne niemanden, der/die nicht mit Erleichterung zum Termin gegangen wäre. Natürlich ist diese nicht die alleine seligmachende Reihenfolge, Stimmen riefen nach Bevorzugung weiterer Berufsgruppen – neben dem ohnehin bevorzugten Gesundheitspersonal – wie Lehrenden oder der Polizei. Sicher eine gute Idee, doch das wäre ein Bruch, der das fließende Verfahren durcheinander bringen könnte und dieses Risiko scheut man. Erstaunlicherweise deuten die Zahlen ohnehin darauf hin, dass eher unverdächtige Berufe gefährdeter sind: es ist wohl gefährlich, Restaurantmanager zu sein, oder in der Restaurantküche zu arbeiten. Ebenso Maschinen zu bedienen (drinnen) oder allgemein in Fabriken der Lebensmittelindustrie zu arbeiten. Oder, nicht so überraschend, Taxi zu fahren.

Fahrplan aus dem ganzen Mist


Am vergangenen Montag, 22.2, die große Pressekonferenz des Mannes mit der Fönfrisur. Man erwartete Großes. Und es kam auch, aber vielleicht anders als erwartet. Der Ausstieg aus Restriktionen findet sehr langsam statt. Man will es nicht noch einmal falsch machen. Es fällt schwer, die Ungeduld zu bezähmen, doch der Kopf sagt: richtig so. Es soll vier Etappen geben, jede Etappe nicht vor einem bestimmten Datum, vielleicht sogar danach. Man lässt sich dabei von verschiedenen Parametern leiten.
Einziges Haar in der Suppe: ab 8. März öffnen die Schulen, was fraglos enorm wichtig ist, doch genau die Bevölkerungsgruppen betrifft, die noch nicht geimpft sind oder als Kinder nicht geimpft werden können. Wie sich das auswirkt, wird sich weisen. Ende März dann: Organisierter Sport kann draußen wieder ausgeübt werden. FriseurInnen öffnen erst ab 12 April! Klaus erhielt bereits einen Anruf seiner Friseurin mit einem Terminvorschlag. Frühestens ab dann kann innerhalb Englands wieder eine Ferienwohnung vermietet werden, B&Bs erst später. Ab Mitte Mai öffnen Theater und Museen. Und vermutlich darf man dann wieder ins Ausland reisen.
Die ersehnte Etappe 4 wird nicht früher als Mitte Juni starten: keine weiteren Einschränkungen und Nachtclubs werden ihren Betrieb wieder aufnehmen. Ein Fahrplan von vier Monaten Minimum. Lang oder kurz? Bis dahin wird auch halb Europa geimpft sein, es wird sich einiges angleichen.


Bereits am Abend der Pressekonferenz ächzten die Reisewebseiten unter den Buchungen fürs In- und Ausland. Dies als Zeichen, dass die Menschen eine Perspektive sehen.