Am Freiheitstag auf Reisen

Isle of wight 1

Am 19. Juli war der versprochene “Freedom Day”, der Tag der Freiheit. Der Tag, den die Regierung Mitte Juni um einen Monat nach hinten verschoben hatte, weil man noch nicht so weit sei mit der Coronaeindämmung. Seit 19. Juli waren und sind theoretisch keinerlei Einschränkungen wegen Corona mehr zu beachten. (Außer man will ins Ausland. Außer man kommt aus dem Ausland.)

Wenn man nun denkt, die Leute hätten Parties gefeiert, dann trifft das auf eine Minderheit sicher zu und natürlich ist es schön, die mündige Bürgerin auch sein zu dürfen, die man ohnehin die ganze Zeit schon war. Die meisten Menschen sind aber unzufrieden, dass die Regeln zu Abstandhalten, Maskentragen und Händewaschen jetzt wischiwaschi sind. Es ist so kaum möglich, sich gegen gefährliche Rüpel zu wehren. Die Verkehrsbetriebe und die Supermärkte waren gar nicht “amused”, dass sie ums Maskentragen jetzt betteln müssen. Je nach Hausrecht natürlich. Viele Räumlichkeiten, z.B. unser Fußballstadium, wo wir in den Rängen als Chor proben dürfen, verlangen weiterhin einen Schnelltest. Der wird nicht nachgeprüft, das geht auf Vertrauensbasis.

Bislang, nach fast zwei Wochen, verhalten sich die meisten Leute sinnvoll und mit Augenmaß. Wir haben alle etwas gelernt in den letzten eineinhalb Jahren, viele Menschen haben auch jemanden an Corona verloren oder kennen Menschen mit Long Covid, oder sind einfach froh, dass es sie bislang nicht erwischt hat und das soll auch so bleiben.

Zufällig war jener Freiheits-Montag unser erster Reisetag mit den Öffis – Zug und Fähre – auf die Isle of Wight. Bei Buchung war Züge nur bis zu einer 50% Auslastung buchbar und mit Reservierungspflicht, es war nicht einfach, überhaupt Fahrkahrten zu bekommen. Würden die Züge nun gleich überfüllt sein? Die Probe aufs Exempel machten wir mit einem ausgefallenen Anschlusszug. Die reguläre nächste Verbindung nach einer Stunde war auch nicht besonders voll und führte nicht zu unguten Reisegefühlen. Masken wurden von fast allen Menschen im Zug getragen, mindestens beim Gehen durch die Gänge. Ein guter Effekt der Masken könnte sein, dass man nicht so leicht Halsschmerzen von Klimaanlage oder offenen Fenstern erhält. Das lohnt sich für die Zukunft im Auge zu behalten!

Die Isle of Wight liegt vor der Südküste im Ärmelkanal gegenüber der Mündung des Test und Itchen, wo sich die Städte Southampton und Portsmouth befinden. Der Wasserstreifen zwischen Insel und Insel (Isle of Wight und Großbritannien) heißt Solent. Wir nehmen eine Schnellfähre in Southampton und gelangen in einer knappen halben Stunde nach Cowes, einem Ort an der Nordküste der Isle of Wight. Mit Blick auf den Solent beziehen wir in einer alten Villa ein Zimmer mit ins Dach gebauter Terrasse.

Die englische Küste verschwindet im Dunst.
Nächtlicher Blick auf Southamptons Ölindustrie

Was wir nicht wussten: Cowes ist in Segelkreisen weltberühmt fürs Segeln. Alle Klassen, alle Ränge, AmateurInnen, Profis. Weltrekorde wurden auf dem Solent schon eingefahren, doch es ist für alle etwas dabei. Etwa 500 m nach rechts am Kiesstrand entlanggehend trifft man auf den Königlichen Jachtclub, bei dem schon Kaiser Wilhelm zu Gast war. Noch heute wird hier mittels einer Kanone der Startschuss für Regatten gegeben. Nicht nur für die großen. Man kann stundenlang zusehen, wie verschiedene Bootsgattungen wie Holzjachten, kleine Katamarane oder halb wie Piratenboote aussehende Teilnehmende von Ost nach West vorbeisegeln. Die Anordnung der Segeldreiecke auf dem Wasser ändert sich im Minutentakt. Die fast schon abstrakten Tableaus werden nicht langweilig.

Kreuzfahrtschiffe legen alle Nase lang aus Southampton ab.
Jachthafen von Cowes. Kleiner Ausschnitt.

Der coolste Job der Welt

Den ich leider verpasst habe: Führerin eines Luftkissenfahrzeugs, eines Hovercrafts. Die gab es, genauso wie die Isle of Wight, in einem meiner Englischbücher zu bestaunen, doch im 20. Jahrhundert, als ich Fähren benutzte, um nach England zu gelangen, war die Alternative Hovercraft zu teuer. (Im 21. Jahrhundert reiste ich per Eurostar, Flugzeug oder der luxuriösen Frankreichfähre.) Also habe ich in Ryde, ein Ferienort im Nordosten der Isle of Wight und gleich gegenüber von Portsmouth, zum ersten Mal ein Hovercraft, was ja ein Amphibienfahrzeug ist, in Aktion gesehen. Und konnte es nicht glauben: das Ding fährt wirklich auf Beton! Und auf Sand! Es kommt an, entleert in Sekundenschnelle das Luftkissen, sackt also in sich zusammen, nimmt Passagiere auf, bläht sich wieder auf und ab geht es wie ein Urgetüm aus der Frühzeit der Ozeane. Absolut beeindruckend. Da mein eigenes Video leider streikt, hier ein link zu einem Fremdvideo von derselben Anlegestelle in Ryde. Viel Spaß!:

Hovercraft