Wiedersehen macht Freude

Nimmt man sich nicht immer vor, das eigene Umfeld zu erkunden? Und fährt dann doch nach x (x = bitte bevorzugtes Reiseland einfügen)? Lockdown 1, 2 oder auch 3 und die dazu gehörigen Reisebehinderungen haben uns diesen Sommer und Herbst einen weiten Bogen um Flug- und Fährhäfen machen lassen. Stattdessen haben wir einen Bogen um Plymouth herum geschlagen. Wir waren in Cornwall, Wiltshire, Isle of Wight, haben Somerset und Devon durchfahren. Endlich haben wir uns Zeit genommen. Unser vielleicht letzter größerer Ausflug dieses Jahr führte nach Gloucestershire und Monmouthshire (letzteres liegt in Wales).
Wir verbinden damit Alt und Neu. 2011, auf einer Englandreise, als von einem Umzug nach Großbritannien (der 2013 stattfand), noch keine Rede war, sah ich ein Faltblatt in einem Hotel. Von einem Arboretum (einem Baumgarten) war die Rede. Obwohl es ein eher kühler und wolkiger Tag Anfang August war, faszinierte uns der künstliche Wald und blieb in einem Winkel unseres Gehirns haften. Dank Internet und einem meiner allerersten Blogeinträge, denn mit Reiseblogs fing die Bloggerei an, haben wir Westonbirt schnell identifiziert.
Kurz vor jenem Urlaub hatte ich den Laptop angeschafft, auf dem ich nun, 10 Jahre später, auch diese Worte tippe.

Ich zitiere mich selbst, 2011:

Beeindruckend die Sammlungen von Ahorn, Birke, Magnolie, Rhododendron. Einiges blüht sogar, jetzt im August. Hin und wieder wandelt man noch in Lindenduft gehüllt. Eine einsame Orchidee (verblüht, vermutlich ein Waldvögelein) wird extra mittels blauen Bändern eingezäunt und dadurch gleichermaßen hervorgehoben. Auf gemähten Wiesenstreifen blühen Herbstzeitlosen. Wir lernen verschiedene Verwandte des Weißdorns kennen, unterscheiden Zedern, Halbzedern und Scheinzedern, es nimmt kein Ende. Eine 30 Meter hohe Marone sieht man auch nicht alle Tage. Oder eine Maronensorte, deren Blattzähnchen in spitze Fransen auslaufen. Also hätte jemand daran gezupfelt.

Besonders bemerkenswert: eine Lindenallee mit Rasen drum herum und kurz gehaltene Bäume, die wie Schleier, Schutzburgen oder Mauern wachsen, also allesamt das sind, was man „Trauer“- Ahorn, Zypresse, Sonstiges nennen kann. Witzig sind die „Smoke bushes“, Rauchsträucher, Cotinus, die Perückensträucher. Ihre Fruchtstände sind haarig und bilden lange verzweigte Bäumchen am Ende der Äste. Im Effekt sieht das aus wie Rauch, oder Watte, oder eine Tarnung, die sich die Büsche selbst geben. Die Sträucher gibt es auch in deutschen Gärten, aber hier haben sie ausgefuchste, besonders „rauchige“ Sorten. Ein kleines Lindenwäldchen, vielstämmig und zierlich, soll 2000 Jahre alt sein, sprich genetisch identisch. Das kommt von der Nutzung. Die Stämme wurden immer wieder kurz vor dem Boden abgesägt, man sieht die Knubbel, und schlugen immer wieder aus.

16.000 Bäume mit 3.000 Arten und Sorten sollen hier stehen, das Arboretum beruht auf einer Sammlung, die 1839 begonnen wurde. Der Haus- und Grunderbe war sehr reich und konnte dem viktorianischen Hobby „Sammeln“ frönen. Er sammelte Bäume aus aller Welt.

In 10 Jahren hat sich viel geändert: das Arboretum ist extrem populär geworden. Wo wir seinerzeit das große Gelände mit gefühlt 50 anderen Leuten teilten, gibt es seit 2014 (ein Schild verrät das) ein ausladendes Eingangsgebäude. Um die Baumfreund:innen von überall her und die Hundefreund:innen aus der Umgebung zu regulieren, muss sogar eine Ankunftszeit gebucht werden. Heute, an einem kalten, aber sonnigen Herbsttag, die Blätter werden farbig, ein attraktiver Monat für ein Arboretum, sind Hunderte Menschen da, wenn nicht Tausende. Es verläuft sich etwas, aber es ist gut voll.
Auch dieses Mal: vier Stunden. Die Zypressen und Scheinzypressen, die Zwerg- und Trauersträucher, die hohen Wipfel haben nichts von ihrer Faszination verloren.

Danach denkt man, genug der Bäume. Doch auf dem Rückweg könnte man noch bei einem kleinen Garten vorbeischauen … der folgt im nächsten Beitrag.