Best of Mallorca 2

Weihnachten
Es gibt auch Schweinchen, ein Hinweis auf Silvester?
Auf der Post

Weihnachten kam von selbst, wir mussten es gar nicht einplanen. Es ist auch kaum zu übersehen.
Wir fütterten die spanische Post mit einigen Grußkarten, die teilweise sogar noch rechtzeitig vor dem Fest angekommen sind. Wie oft in Spanien gilt das Nummernziehprinzip. Man zieht eine Zahl und wird aufgerufen. Kennen alle noch vom Einwohnendenmeldeamt, oder? (Außer denen, die die letzten 50 Jahre nicht umgezogen sind.) Gerne auch an spanischen Wursttheken üblich. Das erspart den Stress, wer zuerst in der Schlange stand oder welche Schlange schneller vorwärts geht, die gefühlt ja immer die andere ist.
Auf der Post musste man an dem Nummernziehapparat auswählen, ob man Post versenden oder abholen wollte. Die an dem Tag gezogene Ziffer für Post abholen war bereits höher als die für Post aufgeben. Zeigt, dass viel Spanische ihre Post oder jedenfalls ihre Pakete abholen. Man sieht auch keine UPS oder Amazonautos herumfahren, jedenfalls ist es uns noch nicht aufgefallen. In Plymouth beobachtet man ungelogen mindestens fünf Lieferwagen am Tag und das in unserer unbedeutenden Seitenstraße.

Ganz klar ist das Mallorquinische Weihnachtssystem noch nicht, die Straßen sind schön geschmückt, Gottesdienste finden statt, Weihnachtsmusik wird gespielt, aber die Kinder bekommen erst – und das ist eigentlich logisch – am 6. Januar Geschenke, vermutlich bessere als Weihrauch und Myrrhe (Gold wäre ja nicht so schlecht). Werden die beiden Wochen zwischen dem 24.12 und dem 6.1 einfach weihnachtlich bleiben? Wäre ja nett, mir gefällt der Lichterglanz.

Der 24.

Am 24. stolpern wir fast zufällig in einen normalen Gemeindegottesdienst in der Altstadt. Ein paar Tropfen Desinfektionsmittel auf die Hand beim Hineingehen und eineinhalb Meter Abstand pro Familie ist angesagt. Wir finden noch einen Sitzplatz auf einer einzelnen Bank in einer barocken Seitenkapelle der gotischen Kirche. Wir haben keinen Photo dabei, aber ich denke, diese Beschreibung weckt einige Bilder im Kopf.
Die Messe findet größtenteils auf Katalanisch (Mallorquinisch) statt. Die Lesung aus Jesaia wird auf Spanisch (Castellano) vorgetragen, ebenso die Fürbitten. Ein bisschen Latein kommt auch vor. Überhaupt sind die meisten Schilder und Ankündigungen auf der Insel in beiden Sprachen zu finden. Man merkt aber nichts Militantes dabei wie vielleicht in Barcelona. Die Leute nehmen sich ihre Freiheit. Die erste Schulsprache scheint (so lese ich nach) weiterhin Spanisch zu sein, wenn die Leute auch oft mallorquinisches Katalan zu Hause sprechen und Katalan ein Schulfach geworden ist.

Dann, wir sind immer noch im Gottesdienst, die große Überraschung: unter Orgelgebraus geht ein Kerzenträger einer mittelalterlich gekleideten Frau voran, die mit gezücktem Degen durch die Kirche schreitet! Eine gezogene Waffe in einer Kirche wirkt schon etwas verstörend. Sie schreitet auf die Kanzel hinauf und fängt an, in gregorianischem Stil zu singen. Acht Strophen singt die Sängerin, unterbrochen von Orgelmusik. Gänsehaut garantiert!
Hier ein Beispiel von 2007.

Wir erfahren später, es ist der Gesang der Sibylle, die den Weltuntergang ankündigt. Spanien ist nie den ganz großen Themen ausgewichen … Der Gesang ist einer dieser unwahrscheinlichen Dinge, die die Jahrhunderte überlebt haben. Und das soll sich so abgespielt haben: Im Jahr 999 dachten viele, die Welt ginge unter. Deshalb haben sich besondere Mysterienspiele (Theater an und in Kirchen gab es überall) auch in den spanischen Kirchen etabliert. Als die Welt schließlich doch nicht unterging, wollten Päpste diese Bräuche wieder unterbinden. Im Laufe der Jahrhunderte gelang dies auch. Doch der Gesang der Sibylle war so populär, dass er nicht totzukriegen war. Zumindest auf Mallorca und zu Weihnachten. Dort kann man sie nach 1000 Jahren immer noch hören. El cant de Sibilla ist sogar immaterielles Kulturerbe der UN geworden.

Noch ein bisschen Eichendorff.