Stadt Ansichten

In den Nordosten Schottlands

In den UK wird zwischen towns und cities unterschieden. City zu sein scheint erstrebenswert, obwohl es nur wenige Privilegien bietet. Es ist mehr eine Ehre, eine Sache des Prestiges, den Citystatus zu erhalten (eine Kathedrale ist und war nie notwendig, um City zu werden). Verleihen können nur der jeweilige Monarch, die Monarchin. Zu ihrem 70-jährigem Thronjubiläum hatte Elisabeth II noch einige Orte zur City geschlagen, u.a. Dunfermline in Schottland, eine heute eher unbekannte Stadt, die allerdings Könige hervorgebracht hat und Hauptstadt Schottlands gewesen ist. Ist aber schon eine Zeitlang her.
Damit hat Schottland nun 8 Cities. Mit Abstand die meisten Cities befinden sich in England, auch Plymouth ist eine City.

Die schottischen Cities sind Glasgow, Edinburgh, Inverness, Perth, Dundee, Aberdeen, Stirling und Dunfermline. Edinburgh, Stirling und Inverness wurden 1986 beim Interrailen besucht, Glasgow um 2015, Perth, Dundee und Aberdeen nun 2022. Dauert alles seine Zeit… Zwei der Städte, Stirling und Inverness, waren zum Zeitpunkt des Interrailings noch keine Cities, sie wurden es erst 2002 bzw. im Jahr 2000. Dumfernline fehlt noch, falls nicht in Zukunft noch mehr Cities dazu kommen.

Schon am Flughafen was gelernt

Wir schießen Leute ins Weltall und fotografieren ferne Galaxien und doch ist es immer noch schwierig, bei Nebel zu starten und zu landen, trotz aller Instrument Landing Systems (ILS). Das stellen wir an einem der sehr seltenen Nebeltage fest, der zufällig unser Abreisetag ist und zwar vom kleinen, schnuckeligen Flughafen in Exeter.

Fünf Minuten später konnte man die Häuser jenseits der Startbahn sehen, von deren Existenz man gar nichts ahnte. Dann konnte man wieder z.B. nach Jersey fliegen. Für unseren Flug nach Edinburgh mussten sie uns aus technischen Gründen dazu eine Ersatzmaschine schicken, das dauerte noch länger. Zu Ks Freude und meinem Missvergnügen war es eine Propellermaschine, ähnlich der abgebildeten. Sie flog aber besser als erwartet.
am Tay

Erstes Ziel, Dundee, von Edinburgh in zwei Stunden zu erreichen und Hotel gleich im Bahnhof, praktisch. War wie ein Ibis Hotel, nur moderner. Man konnte die bodenlangen Fenster nicht öffnen, dafür war es leise und man gewöhnt sich für die kurze Zeit an die Dauerklimatisierung. Viele Menschen arbeiten jeden Tag unter solchen Bedingungen und zwar mit weitaus schlechteren Anlagen. K spielt in der Stadt ein Wochenende lang Schach, doch es bleibt genügend Zeit zum Erkunden.

Bahnhof Dundee mit Hotel. Ein kleiner Supermarkt war unten auch noch mit drin. Hinter dem Bahnhof beginnt die Innenstadt mit Kneipenviertel, im Rücken fließt der Tay.

Dundee liegt am Ufer des Flusses Tay, des schnellst fließenden Flusses Schottlands, nahe dessen Mündung in die Nordsee. Es gibt eine große Universität, Museen, Baulücken, neue Gebäude, jede Menge Kneipen, eine bunte Mischung aus alt, neu, heruntergekommen, aufgefrischt. Nicht immer schön, aber interessant.

am Ufer des Tay mit Blick Richtung Hafen und Nordseemündung.

Das Designmuseum, eine Auslagerung des V&A (Victoria and Albert) Museums in London, ein Gebäude, das Sandsteinklippen zum Vorbild hat und von dieser Vorderseite auch einem Schiff ähnelt. Geheizt wird direkt mit Erdwärme unterhalb des Flussbettes, ich habe nachgefragt.
Daneben die Discovery, das Schiff, das Robert Falcon Scott, der Jahre später beim Versuch, den Südpol zu erreichen, verstarb, zu seiner ersten und sehr erfolgreichen Antarktisexpedition gebracht hat. Man sieht dem Schiff nicht an, dass es zwischen 1902 und 1904 zwei Jahre lang in der Antarktis festgefroren war.

Nochn Schiff

In Dundee liegt ebenso die Unicorn, das Einhorn, vor Anker, ein Kanonenkriegsschiff von 1824. 1824? Ist das nicht ein bisschen spät für Schiffe die aussehen wie aus Piratenfilmen? Das ist zutreffend, die Unicorn wurde nie zum Kämpfen benutzt, auch nie mit Masten versehen, wenn sie auch schon moderner gebaut war als die ganz alten Holzschiffe. Sie war aus der Zeit gefallen, doch machte sie sich nützlich. Sie diente z.B. als Marineschulungsgebäude, als Kommandozentrale oder als Pulverdepot. Da sie nie eine Schlacht gesehen hat, ist sie heute die älteste Kriegsfregatte ihrer Klasse, die überlebt hat.

Das namensgebende Einhorn
Das unterste Deck, das Orlopdeck, unter der Wasserlinie gelegen, ist zugänglich, Deckenhöhe teilweise nicht mehr als 1,20m. Hier wurden Vorräte gestaut und Ballast platziert. Ein besonderer Einblick in den Schiffsalltag, den man nicht auf allen Museumsschiffen zu sehen bekommt.
Unicorn im Victoriadock. Im Hintergrund am Fluss gelegene Neubauten.

Aha – Effekt:

So sieht eine Schiffspfeife aus. Die Pfeifen, die diese hohen charakteristischen Töne erzeugen – wiiiiiii-uuu. Anders als die gemeine Trillerpfeife.
Bildungsreise

Mein persönlicher Rekord, 7 Museen in drei Städten in 5 Tagen. Und alle waren sie interessant, besonders die Stadtmuseen, diese Mischung aus allem, was eine Gegend zu bieten hat. Räume für Kunstsammlungen, Stadtgeschichte und Archäologie, regionale Erzeugnisse und Berufe, Naturgeschichte, Sonderausstellungen. Eine einfache und sympathische Art, einer Stadt auf die Schnelle näher zu kommen.

Perth

Perth liegt 22 Meilen flussaufwärts und ist bedeutend kleiner als Dundee. Es wirkt eher abgelegen, hat nichts mehr mit dem Meer zu tun. Die Stadt ist aber stimmig in ihrer wunderschönen Lage zwischen Feldern und Hügeln und am deutlich weniger breiten Flussbett des Tay.

Perth in Schottland an einem kühlen Sonntagmorgen
Schottland herbstelte (Park in Perth)

Auch hier wieder viel gelernt, z.B:
Jungsteinzeitliche Steinkugeln, die nur im Nordosten Schottlands (fast) gefunden werden. Um die 520 Stück bisher entdeckt, der Zweck ist unbekannt, doch sie sehen gut aus. Bestimmt ein hoch interessantes Sammelgebiet, diese mehr als golfballgroßen Handschmeichler.

Vitrine im Stadtmuseum von Perth mit vier Steinkugeln.
Unter den Plaketten stehen Gemeindenamen aus Schottland. Lange Zeit war es dort in den presbyterianischen Kirchen üblich, Menschen, die zur Kommunion gingen, mit einem Metallplättchen als ehrbare Gemeindemitglieder auszuweisen. Damit nicht versehentlich die falschen Brot und Wein ausgeteilt bekamen. Und da glaubt man, man habe schon alles gesehen … In den Museen liegen Tausende Märkchen.

Auf dem Weg in die Stadt von Dundee aus mit dem Bus fielen viele Folientunnel auf, welche mit und welche ohne Folie. Sie entpuppten sich im Vorbeifahren als Erdbeerhäuser. Es wird oft davon gesprochen, wieviel Obst und Gemüse aus Schottland komme. Man will das nicht so recht glauben, Schottland liegt doch so weit im Norden, oder? Ja und Nein. Im Norden schon, aber die britische Insel liegt in der Hauptachse nicht nach Norden und Süden ausgerichtet, sondern etwas gedreht, so dass man z.B., wenn man Schottland besuchen will, von London aus nicht direkt nach Norden fahren kann, dann landet man irgendwann in der Nordsee, sondern leicht nach Nordwesten. Zum Vergleich: Ein großer Teil der Fläche Schottlands liegt etwa auf der Höhe von Dänemark.

Erdbeerfelder mit Überdachungsmöglichkeit. Im Hintergrund mit Folie.
Die Granitstadt

Dies war ein jahrelang gehegter Wunsch, the granite City, die Granitstadt Aberdeen zu besuchen. Städte aus Granit sind nicht gerade die Norm, meistens findet man Sandsteinbauten. Aberdeen liegt hoch im Norden und ist aus grauem Gestein, das klingt finster.

Ungefiltert geknipst.

Aberdeen ist schön und schön reich, eine elegante und wohlhabende Stadt und zwar von Alters her. Ihre Lage an der Nordsee hat sie als Handelshafen prädestiniert. Im hoch interessanten Meeresmuseum finden sich Statistiken über Ein- und Ausfuhr: Im 17. Jahrhundert belief sich die Tonnage auf etwa 4000 Tonnen pro Jahr, 1874 waren es weit über 500.000 Tonnen und 2005 fast 5 Millionen! Tonnen. Das Was hat sich allerdings verändert. Waren früher Tabak, Fischöl, Wolle und ähnliche Produkte dominierend, so werden im 21. Jahrhundert Sachen wie Baryte und Röhren aufgeführt. Baryte sind schwere Kristalle, die bei der Aufrechterhaltung von Bohrlöchern helfen. Womit wir bei einem der heutigen Quellen des Wohlstands Aberdeens sind: Erdöl. Auch diese Geschichte ist im Museum gut aufbereitet.
Aberdeen ist die Ölstadt, von der aus einige der britischen Plattformen versorgt werden und zwar fing der Boom in den 70er Jahren an, ich nehme an, im Zuge der Ölkrise(n) plus der Verfügbarkeit von Techniken, die diese Bohrungen erst ermöglichten und rentabel machten. Öl hin oder her, es ist wichtiger Bestandteil unseres Reichtums und unserer Bequemlichkeit, nur der Umbau weg vom Öl hätte längst früher begonnen werden müssen und vor allem können, aber da sah die Öllobby vor und sie ist mit ihrem übergroßen Einfluss noch nicht am Ende. (Der Energieminister Großbritanniens im Sommer 2022, Jacob Rees-Mogg, hat viel Geld in Öl angelegt und gute Verbindungen in fossile Kreise. Dazu ist er ein Klimawandelskeptiker, er lebt ja auch nicht auf einer halb überschwemmten pazifischen Insel, da kann er sich das leisten. Eine nicht wirklich zukunftsweisende Mischung.)
Aberdeen bemüht sich, auch mit erneuerbaren Energien am Puls der Zeit zu bleiben, doch es bleibt spannend, wie sich Ölstädte in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden.

Eindrücklich! Styroporköpfe, die in verschiedene Wassertiefen verbracht wurden. Sie begannen ihr Leben in identischer Größe. Der größte Kopf war nur auf 100 Meter getaucht, der mittlere auf 1000 Meter und der Kleene befand sich in 7000 Metern Wassertiefe.

Originalleuchtturmlinse, eine geschliffene Fresnellinse von ca. 1880, Durchmesser ca. ein Meter.
Auf diesem Bild ist ein anderes Leuchtfeuer abgebildet. Dieser Herr, der mehr wirkt wie ein Zauberer auf einer Kleinkunstbühne, steht in einer Leuchtturmlinse und zeigt im Größenvergleich die Winzigkeit der benötigten Glühbirne für ein Licht, das meilenweit über das Wasser leuchtet. Alles aufgrund der Brechnungsoptik der Fresnellinsen.
Neben all den grauen Häusern fließt der Dee. Der Dee? War der nicht in Cheshire? Es gibt mehrere Flüsse diesen Namens, dennoch fühlte es sich wie ein Wiedersehen an. (Blick Richtung Hafen)
Zu guter Letzt

Ein Abend in Edinburgh soll drin sein, wenn man von dort fliegt und das Flughafenhotel nicht so prickelnd ist – funktional halt.

Und wer wartet direkt nach dem Ausstieg aus dem Hauptbahnhof Waverley Station? Wie 1986 auf Interrailtour das weltweit größte Denkmal für einen Schriftsteller, das für Sir Walter Scott.

Da sitzt er drin, ganz klein, in seinem Schrein.